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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.

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Zuletzt, als der Untergang der Revolution entschieden war, benutzte er die
erste passende Gelegenheit, die Miene des Beleidigten anzunehmen und die Dictatur
über das undankbare Volk, dessen Häupter er einst vor Gericht vertheidigt, nieder¬
zulegen. Man forderte ihn auf, zu bleiben, aber "da er wohl berechnen konnte,
welchen körperlichen Mißhandlungen ihn eine abschlägige Antwort ausge¬
setzt hätte, so zog er es vor, in der gastlichen Schweiz die nöthige Ruhe zu suchen."
Seine eigenen Worte. Die constituirende Versammlung verfolgte ihn darauf steck¬
brieflich als Landesverräther, und er replicirte mit einer Schilderung der Indischen
Bewegung, die alles übertrifft, was ihre Gegner ihr Arges nachgesagt haben.
"Die Sache des Volks liegt jetzt in solchen Händen, welche durch Grausamkeiten
ihre persönliche Feigheit, durch Lügen ihre geistige Unfähigkeit und durch Heuchelei
ihren niederträchtigen Eigennutz zu verdecken suchen." "Ihr werdet staunen, wenn
ihr seiner Zeit die Rechnung seht, wie man mit enrew Gelde gehaust" ... "So¬
gleich im Anfang unserer Revolution zogen sich Hunderte von Abenteurern in unser
Laud; sie pochten darauf, daß sie für die Freiheit gelitten, sie wollten ans euern
Kassen den baaren, klingenden Lohn erhalten; vor uniformirten, schlcppsabeltragen-
den Schreibern konnte man kaum mehr über die Straße" der Stadr Karlsruhe
gehen; von eurem Gelde schwelgte" diese Müßiggänger, und wer diesem Treiben
entgegentrat, der mußte sich einen engherzigen Spießbürger, wer nicht Jeden seiner
entgegengesetzten politischen Meinung wegen I-t Windischgrätz verfolgen wollte,
einen Verräther schelten lassen." "Eine Versammlung (hervorgegangen aus
dem allgemeinen Wahlrecht des souveränen Volks), deren Mehrheit
aus ganz unfähigen, gewöhnlichen Schreiern besteht, bot das kläglichste Bild einer
Volksvertretung, welche je getagt, und welche ihre" gänzliche" Mangel an Einsicht
lind Kenntnissen hinter sogenannten revolutionären Anträge" verberge" wollte, die
heute zum Beschluß erhoben, morgen als unausführbar wieder umgestoßen werden
mußten." "Ich bin in der Lage, einer großen Anzahl der ärgsten Maulhelden
nachzuweisen, daß sie unter allerlei Vorwänden die gefährlichen Aufträge als un¬
würdig ablehnten, sich zu andern aber herbeidrängten, welche sie auf Staatekvsteu
fern von dem Platze der Gefahr entrückten."

So innig wir von der Wahrheit aller dieser Erklärungen überzeugt sind, so
wenig finden wir darin eine Rechtfertigung des Herrn Brentano. Daß die Wirth¬
schaft so kommen müsse, hatte er voraussehn können. Es ist Zeit, daß unser Ur-
theil sich darau gewöhnt, diejenigen, welche einen unsinnigen Aufstand erregen n"d
sich nachher aus dem Staube macheu, wenn es Ernst wird, härter zu brandmarken,
als die sinnlose Masse, die solchen Führern folgt, wenn sie sich nachher anch toller
gebärdet, als isle Chefs und der verspätete" Kritik dcrsilbe" verfällt, die nichts
weiter mehr zu verrathe" im Staude ist, als die eigene Gemeinheit.




Zuletzt, als der Untergang der Revolution entschieden war, benutzte er die
erste passende Gelegenheit, die Miene des Beleidigten anzunehmen und die Dictatur
über das undankbare Volk, dessen Häupter er einst vor Gericht vertheidigt, nieder¬
zulegen. Man forderte ihn auf, zu bleiben, aber „da er wohl berechnen konnte,
welchen körperlichen Mißhandlungen ihn eine abschlägige Antwort ausge¬
setzt hätte, so zog er es vor, in der gastlichen Schweiz die nöthige Ruhe zu suchen."
Seine eigenen Worte. Die constituirende Versammlung verfolgte ihn darauf steck¬
brieflich als Landesverräther, und er replicirte mit einer Schilderung der Indischen
Bewegung, die alles übertrifft, was ihre Gegner ihr Arges nachgesagt haben.
„Die Sache des Volks liegt jetzt in solchen Händen, welche durch Grausamkeiten
ihre persönliche Feigheit, durch Lügen ihre geistige Unfähigkeit und durch Heuchelei
ihren niederträchtigen Eigennutz zu verdecken suchen." „Ihr werdet staunen, wenn
ihr seiner Zeit die Rechnung seht, wie man mit enrew Gelde gehaust" ... „So¬
gleich im Anfang unserer Revolution zogen sich Hunderte von Abenteurern in unser
Laud; sie pochten darauf, daß sie für die Freiheit gelitten, sie wollten ans euern
Kassen den baaren, klingenden Lohn erhalten; vor uniformirten, schlcppsabeltragen-
den Schreibern konnte man kaum mehr über die Straße» der Stadr Karlsruhe
gehen; von eurem Gelde schwelgte« diese Müßiggänger, und wer diesem Treiben
entgegentrat, der mußte sich einen engherzigen Spießbürger, wer nicht Jeden seiner
entgegengesetzten politischen Meinung wegen I-t Windischgrätz verfolgen wollte,
einen Verräther schelten lassen." „Eine Versammlung (hervorgegangen aus
dem allgemeinen Wahlrecht des souveränen Volks), deren Mehrheit
aus ganz unfähigen, gewöhnlichen Schreiern besteht, bot das kläglichste Bild einer
Volksvertretung, welche je getagt, und welche ihre» gänzliche» Mangel an Einsicht
lind Kenntnissen hinter sogenannten revolutionären Anträge» verberge» wollte, die
heute zum Beschluß erhoben, morgen als unausführbar wieder umgestoßen werden
mußten." „Ich bin in der Lage, einer großen Anzahl der ärgsten Maulhelden
nachzuweisen, daß sie unter allerlei Vorwänden die gefährlichen Aufträge als un¬
würdig ablehnten, sich zu andern aber herbeidrängten, welche sie auf Staatekvsteu
fern von dem Platze der Gefahr entrückten."

So innig wir von der Wahrheit aller dieser Erklärungen überzeugt sind, so
wenig finden wir darin eine Rechtfertigung des Herrn Brentano. Daß die Wirth¬
schaft so kommen müsse, hatte er voraussehn können. Es ist Zeit, daß unser Ur-
theil sich darau gewöhnt, diejenigen, welche einen unsinnigen Aufstand erregen n»d
sich nachher aus dem Staube macheu, wenn es Ernst wird, härter zu brandmarken,
als die sinnlose Masse, die solchen Führern folgt, wenn sie sich nachher anch toller
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weiter mehr zu verrathe» im Staude ist, als die eigene Gemeinheit.




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[0117] Zuletzt, als der Untergang der Revolution entschieden war, benutzte er die erste passende Gelegenheit, die Miene des Beleidigten anzunehmen und die Dictatur über das undankbare Volk, dessen Häupter er einst vor Gericht vertheidigt, nieder¬ zulegen. Man forderte ihn auf, zu bleiben, aber „da er wohl berechnen konnte, welchen körperlichen Mißhandlungen ihn eine abschlägige Antwort ausge¬ setzt hätte, so zog er es vor, in der gastlichen Schweiz die nöthige Ruhe zu suchen." Seine eigenen Worte. Die constituirende Versammlung verfolgte ihn darauf steck¬ brieflich als Landesverräther, und er replicirte mit einer Schilderung der Indischen Bewegung, die alles übertrifft, was ihre Gegner ihr Arges nachgesagt haben. „Die Sache des Volks liegt jetzt in solchen Händen, welche durch Grausamkeiten ihre persönliche Feigheit, durch Lügen ihre geistige Unfähigkeit und durch Heuchelei ihren niederträchtigen Eigennutz zu verdecken suchen." „Ihr werdet staunen, wenn ihr seiner Zeit die Rechnung seht, wie man mit enrew Gelde gehaust" ... „So¬ gleich im Anfang unserer Revolution zogen sich Hunderte von Abenteurern in unser Laud; sie pochten darauf, daß sie für die Freiheit gelitten, sie wollten ans euern Kassen den baaren, klingenden Lohn erhalten; vor uniformirten, schlcppsabeltragen- den Schreibern konnte man kaum mehr über die Straße» der Stadr Karlsruhe gehen; von eurem Gelde schwelgte« diese Müßiggänger, und wer diesem Treiben entgegentrat, der mußte sich einen engherzigen Spießbürger, wer nicht Jeden seiner entgegengesetzten politischen Meinung wegen I-t Windischgrätz verfolgen wollte, einen Verräther schelten lassen." „Eine Versammlung (hervorgegangen aus dem allgemeinen Wahlrecht des souveränen Volks), deren Mehrheit aus ganz unfähigen, gewöhnlichen Schreiern besteht, bot das kläglichste Bild einer Volksvertretung, welche je getagt, und welche ihre» gänzliche» Mangel an Einsicht lind Kenntnissen hinter sogenannten revolutionären Anträge» verberge» wollte, die heute zum Beschluß erhoben, morgen als unausführbar wieder umgestoßen werden mußten." „Ich bin in der Lage, einer großen Anzahl der ärgsten Maulhelden nachzuweisen, daß sie unter allerlei Vorwänden die gefährlichen Aufträge als un¬ würdig ablehnten, sich zu andern aber herbeidrängten, welche sie auf Staatekvsteu fern von dem Platze der Gefahr entrückten." So innig wir von der Wahrheit aller dieser Erklärungen überzeugt sind, so wenig finden wir darin eine Rechtfertigung des Herrn Brentano. Daß die Wirth¬ schaft so kommen müsse, hatte er voraussehn können. Es ist Zeit, daß unser Ur- theil sich darau gewöhnt, diejenigen, welche einen unsinnigen Aufstand erregen n»d sich nachher aus dem Staube macheu, wenn es Ernst wird, härter zu brandmarken, als die sinnlose Masse, die solchen Führern folgt, wenn sie sich nachher anch toller gebärdet, als isle Chefs und der verspätete» Kritik dcrsilbe» verfällt, die nichts weiter mehr zu verrathe» im Staude ist, als die eigene Gemeinheit.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/117>, abgerufen am 05.02.2025.