Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.December), welche gegen die Auslegung des ministeriellen Programms durch Ga¬ Die Versammlung ging daraus an die erste Lesung des Verfassuugs-Entwurfs. Die kleine" Staate" hatten sich mittlerweile mehrfach für die Uebertragung December), welche gegen die Auslegung des ministeriellen Programms durch Ga¬ Die Versammlung ging daraus an die erste Lesung des Verfassuugs-Entwurfs. Die kleine» Staate» hatten sich mittlerweile mehrfach für die Uebertragung <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0010" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279036"/> <p xml:id="ID_10" prev="#ID_9"> December), welche gegen die Auslegung des ministeriellen Programms durch Ga¬<lb/> gern Protest einlegte, die Versicherung ertheilte, Oestreich wollte von Deutschland<lb/> nicht lassen und es ablehnte, auf andere Weise mit der Rcichsregieruug in Unter¬<lb/> handlung zu treten, als durch den gewöhnlichen Bevollmächtigte». Darauf stellte<lb/> Gagern (6. Januar) an die Nationalversammlung die Anforderung, ihm zu Unter¬<lb/> handlungen mit dem östreichischen Bevollmächtigten ni'er die künftige völkerrecht¬<lb/> liche Stellung Oestreichs zu Deutschland Vollmacht zu ertheilen. Die Debatte, welche<lb/> den 11. Januar begann, zeigte die wachsende Erbitterung, die innerhalb der dynasti¬<lb/> schen Partei zwischen den Oestreicher» und Preußen ausgebrochen war — denn<lb/> daß es sich mit dem engern Bundesstaat darum handle, de» König von Preußen<lb/> zum Erbkaiser zu machen, erklärte Gagern damals schon offen, der sich übrigens<lb/> vergebens bemühte, die Debatte in würdigen und gemessenen Formen zu halten.<lb/> Joseph v. Würth, ehemals Unterstaatssccrciär, entblödete sich nicht, um Preußen<lb/> zu schaden, Amtsgeheimnisse anszuvlander» und Georg Freiherr von Vinke ließ<lb/> sich dadurch zu einem leidenschaftlichen Ausfall gegen die Oestreicher hinreißen.<lb/> Schmerling konnte über die eigentliche» Absichten der östreichischen Regierung keine<lb/> Auskunft gebe» und so mußte die Nationalversammlung dem Ministerin»! Gagern<lb/> (Ul. Januar) die verlangte Ermächtigmig zu Unterhandlunge» mit dem Kaiserstaat<lb/> ertheilen. Es geschah mit 2in gegen 224 Stimmen.</p><lb/> <p xml:id="ID_11"> Die Versammlung ging daraus an die erste Lesung des Verfassuugs-Entwurfs.<lb/> Die Majorität des Ausschusses stellte de» A»trag: die Würde des Reichs-Ober-<lb/> haupts wird einem der regierende» deutsche» Fürsten übertragen. Er wurde von<lb/> zwei Seiten bekämpft: von der Linke», die de» Antrag machte, einen Präsidenten<lb/> an die Spitze zu stellen, zu welcher Würde jeder Deutsche wählbar sei, und vou der<lb/> Rechten, aus welcher ein Theil ein Directorium wollte (Notenhan), ein anderer<lb/> (Welcker) einen sechsjährigen Turnus zwischen Oestreich und Preußen. Der An¬<lb/> trag der Linken fiel mit 122 : :it!9 Stimme»; das Amendement Notenhan mit<lb/> 07 : 301, das Amendement Welcker mit 80 : 377 und so ging der Majoritäts-<lb/> Antrag mit 258 : 211 Stimme» d»res. (N>. Januar). Dagegen wurde (23. Ja¬<lb/> nuar) die Erblichkeit des Reichs-Oberhaupts verworfen mit 211 : 2»:!, ebenso die<lb/> Wahl ans Lebenszeit mit 39 : 413, auf sechs Jahre mit 190 : 204, aus drei<lb/> Jahre 12V : 305, und so blieb die Dauer der nenzuschaffcnden Centralgewalt,<lb/> welcher (25. Januar) der Kaisertitel mit 217 : 205 übertragen wurde, in der<lb/> Schwebe, wenn man nicht mit Herrn Vogt annehmen wollte, sie sollen auf Kün¬<lb/> digung engagirt werden.</p><lb/> <p xml:id="ID_12" next="#ID_13"> Die kleine» Staate» hatten sich mittlerweile mehrfach für die Uebertragung<lb/> der Reichsgewalt an Preußen ausgesprochen; so die Stände von Kassel (5. Ja¬<lb/> nuar), Schwerin (9. Januar), Braunschweig (19. Januar) u. s. w. Sehr bestimmt<lb/> sprachen sich aber die radikalen Kammern von Sachsen, Baiern und Würtemberg<lb/> dagegen aus. Oestreich schlug den geläufigen diplomatischen Weg ein. Es erließ</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0010]
December), welche gegen die Auslegung des ministeriellen Programms durch Ga¬
gern Protest einlegte, die Versicherung ertheilte, Oestreich wollte von Deutschland
nicht lassen und es ablehnte, auf andere Weise mit der Rcichsregieruug in Unter¬
handlung zu treten, als durch den gewöhnlichen Bevollmächtigte». Darauf stellte
Gagern (6. Januar) an die Nationalversammlung die Anforderung, ihm zu Unter¬
handlungen mit dem östreichischen Bevollmächtigten ni'er die künftige völkerrecht¬
liche Stellung Oestreichs zu Deutschland Vollmacht zu ertheilen. Die Debatte, welche
den 11. Januar begann, zeigte die wachsende Erbitterung, die innerhalb der dynasti¬
schen Partei zwischen den Oestreicher» und Preußen ausgebrochen war — denn
daß es sich mit dem engern Bundesstaat darum handle, de» König von Preußen
zum Erbkaiser zu machen, erklärte Gagern damals schon offen, der sich übrigens
vergebens bemühte, die Debatte in würdigen und gemessenen Formen zu halten.
Joseph v. Würth, ehemals Unterstaatssccrciär, entblödete sich nicht, um Preußen
zu schaden, Amtsgeheimnisse anszuvlander» und Georg Freiherr von Vinke ließ
sich dadurch zu einem leidenschaftlichen Ausfall gegen die Oestreicher hinreißen.
Schmerling konnte über die eigentliche» Absichten der östreichischen Regierung keine
Auskunft gebe» und so mußte die Nationalversammlung dem Ministerin»! Gagern
(Ul. Januar) die verlangte Ermächtigmig zu Unterhandlunge» mit dem Kaiserstaat
ertheilen. Es geschah mit 2in gegen 224 Stimmen.
Die Versammlung ging daraus an die erste Lesung des Verfassuugs-Entwurfs.
Die Majorität des Ausschusses stellte de» A»trag: die Würde des Reichs-Ober-
haupts wird einem der regierende» deutsche» Fürsten übertragen. Er wurde von
zwei Seiten bekämpft: von der Linke», die de» Antrag machte, einen Präsidenten
an die Spitze zu stellen, zu welcher Würde jeder Deutsche wählbar sei, und vou der
Rechten, aus welcher ein Theil ein Directorium wollte (Notenhan), ein anderer
(Welcker) einen sechsjährigen Turnus zwischen Oestreich und Preußen. Der An¬
trag der Linken fiel mit 122 : :it!9 Stimme»; das Amendement Notenhan mit
07 : 301, das Amendement Welcker mit 80 : 377 und so ging der Majoritäts-
Antrag mit 258 : 211 Stimme» d»res. (N>. Januar). Dagegen wurde (23. Ja¬
nuar) die Erblichkeit des Reichs-Oberhaupts verworfen mit 211 : 2»:!, ebenso die
Wahl ans Lebenszeit mit 39 : 413, auf sechs Jahre mit 190 : 204, aus drei
Jahre 12V : 305, und so blieb die Dauer der nenzuschaffcnden Centralgewalt,
welcher (25. Januar) der Kaisertitel mit 217 : 205 übertragen wurde, in der
Schwebe, wenn man nicht mit Herrn Vogt annehmen wollte, sie sollen auf Kün¬
digung engagirt werden.
Die kleine» Staate» hatten sich mittlerweile mehrfach für die Uebertragung
der Reichsgewalt an Preußen ausgesprochen; so die Stände von Kassel (5. Ja¬
nuar), Schwerin (9. Januar), Braunschweig (19. Januar) u. s. w. Sehr bestimmt
sprachen sich aber die radikalen Kammern von Sachsen, Baiern und Würtemberg
dagegen aus. Oestreich schlug den geläufigen diplomatischen Weg ein. Es erließ
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