Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

(17. Januar) eine Note an die königlichen Regierungen, die eine Mediatisation
der kleinen deutschen Fürsten zu Gunsten der Königreiche in Vorschlag brachte,
doch so, daß Preußen von dieser Veränderung keinen Gewinn haben sollte.
Ueber die Volksvertretung und Anerkennung der Grundrechte war nichts Näheres
präcisirt. Da endlich ermannte sich Preußen und erließ (den 23. Januar) durch
den provisorischen Minister der auswärtigen Angelegenheiten, Grafen Bülow, eine
Circularnote an sämmtliche deutsche Regierungen, welche, Oestreich gegenüber, für
die einzelnen Staaten das Recht in Anspruch nahm, sich innerhalb des alten
Staatenbundes zu einem engern Bundesstaat zusammenzuschließen, und die ein¬
zelnen Regierungen aufforderte, sich über die Modistcationcn, welche in dem Ver-
fassungsentwurf zu wünschen seien, vor dem endlichen Beschluß mit der National¬
versammlung zu verständige". Der dem Neichsvorstand zugedachte Kaisertitcl
wurde als überflüssig bezeichnet. In Folge dessen überbrachte Würth nach Frank¬
furt eine Note seines Cabinets vom 4. Februar, welche gegen Preußen ziemlich
bitter pvlemifirte und die Erklärung abgab, der östreichischen Negierung "schwebe"
das Bild einer ganz anderen Einheit Deutschlands vor, ohne daß doch über dies
Bild etwas genaueres bestimmt wurde. Die Regierungen vou Sachsen (10. Fe¬
bruar), Hannover (13. Februar) und Baiern (t(i. Februar) schlössen sich, wenn auch
in milderen Formen, im Wesen dieser östreichischen Erklärung an; ja der bairische
Gesandte in London, v. Cetto, entblödete sich nicht, in einem Schreiben an Pal-
merston, gestützt auf die völkerrechtlichen Verhältnisse seines Staats, einen Protest
gegen die preußische Hegemonie einzulegen; ein Verfahren, wegen dessen er von
seinem Minister, Grafen Brav,, nur einen gelinden Verweis erhielt (7. Februar).
Schon den 23. Februar übergab der preußische Bevollmächtigte, Ludwig Camp-
Hansen, eine Reihe von Abänderungsvorschlägen, welche die Regierungen der 28
kleinen Staaten gemeinschaftlich mit der Preußischen entworfen, der Nationalver¬
sammlung zur weiteren Berücksichtigung. Sie veränderten zwar die Verfassung
in vielen Punkten wesentlich zu Gunsten der Selbstständigkeit der einzelnen Staaten,
doch blieben sie im Princip bei dem Gagern'sehen Programm stehen.

Während dieser Zeit war in den meisten Staaten wegen der Anerkennung
der von der Nationalversammlung festgestellten Grundrechte ein Conflict zwischen
den Kammern und den Regierungen ausgebrochen. In Würtemberg wurden sie
in der zweiten Kammer (7. Febr.) mit 72 : 62 Stimmen für rechtSgiltig erklärt,
und führte" demnach zum Rücktritt des Ministeriums v. BeiSler, ohne daß da¬
mit für ihre Publikation etwas erreicht war; von den sächsischen Kammern wurden
sie (14. Febr.) fast einstimmig angenommen; in Hannover (10. Febr.) mit 58:2"
Stimmen. In Dresden gab in Folge dessen das Ministerium Braun (24. Febr.)
seine Entlassung, und die Grundrechte wurde" (27. Febr.) in der That publicirt,
wenn auch unter Vorbehalt, in Hannover dagegen nahm das Ministerium Stüve
seine zuerst angebotene Entlassung wieder zurück (13. März).


1"

(17. Januar) eine Note an die königlichen Regierungen, die eine Mediatisation
der kleinen deutschen Fürsten zu Gunsten der Königreiche in Vorschlag brachte,
doch so, daß Preußen von dieser Veränderung keinen Gewinn haben sollte.
Ueber die Volksvertretung und Anerkennung der Grundrechte war nichts Näheres
präcisirt. Da endlich ermannte sich Preußen und erließ (den 23. Januar) durch
den provisorischen Minister der auswärtigen Angelegenheiten, Grafen Bülow, eine
Circularnote an sämmtliche deutsche Regierungen, welche, Oestreich gegenüber, für
die einzelnen Staaten das Recht in Anspruch nahm, sich innerhalb des alten
Staatenbundes zu einem engern Bundesstaat zusammenzuschließen, und die ein¬
zelnen Regierungen aufforderte, sich über die Modistcationcn, welche in dem Ver-
fassungsentwurf zu wünschen seien, vor dem endlichen Beschluß mit der National¬
versammlung zu verständige». Der dem Neichsvorstand zugedachte Kaisertitcl
wurde als überflüssig bezeichnet. In Folge dessen überbrachte Würth nach Frank¬
furt eine Note seines Cabinets vom 4. Februar, welche gegen Preußen ziemlich
bitter pvlemifirte und die Erklärung abgab, der östreichischen Negierung „schwebe"
das Bild einer ganz anderen Einheit Deutschlands vor, ohne daß doch über dies
Bild etwas genaueres bestimmt wurde. Die Regierungen vou Sachsen (10. Fe¬
bruar), Hannover (13. Februar) und Baiern (t(i. Februar) schlössen sich, wenn auch
in milderen Formen, im Wesen dieser östreichischen Erklärung an; ja der bairische
Gesandte in London, v. Cetto, entblödete sich nicht, in einem Schreiben an Pal-
merston, gestützt auf die völkerrechtlichen Verhältnisse seines Staats, einen Protest
gegen die preußische Hegemonie einzulegen; ein Verfahren, wegen dessen er von
seinem Minister, Grafen Brav,, nur einen gelinden Verweis erhielt (7. Februar).
Schon den 23. Februar übergab der preußische Bevollmächtigte, Ludwig Camp-
Hansen, eine Reihe von Abänderungsvorschlägen, welche die Regierungen der 28
kleinen Staaten gemeinschaftlich mit der Preußischen entworfen, der Nationalver¬
sammlung zur weiteren Berücksichtigung. Sie veränderten zwar die Verfassung
in vielen Punkten wesentlich zu Gunsten der Selbstständigkeit der einzelnen Staaten,
doch blieben sie im Princip bei dem Gagern'sehen Programm stehen.

Während dieser Zeit war in den meisten Staaten wegen der Anerkennung
der von der Nationalversammlung festgestellten Grundrechte ein Conflict zwischen
den Kammern und den Regierungen ausgebrochen. In Würtemberg wurden sie
in der zweiten Kammer (7. Febr.) mit 72 : 62 Stimmen für rechtSgiltig erklärt,
und führte» demnach zum Rücktritt des Ministeriums v. BeiSler, ohne daß da¬
mit für ihre Publikation etwas erreicht war; von den sächsischen Kammern wurden
sie (14. Febr.) fast einstimmig angenommen; in Hannover (10. Febr.) mit 58:2"
Stimmen. In Dresden gab in Folge dessen das Ministerium Braun (24. Febr.)
seine Entlassung, und die Grundrechte wurde» (27. Febr.) in der That publicirt,
wenn auch unter Vorbehalt, in Hannover dagegen nahm das Ministerium Stüve
seine zuerst angebotene Entlassung wieder zurück (13. März).


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0011" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279037"/>
            <p xml:id="ID_13" prev="#ID_12"> (17. Januar) eine Note an die königlichen Regierungen, die eine Mediatisation<lb/>
der kleinen deutschen Fürsten zu Gunsten der Königreiche in Vorschlag brachte,<lb/>
doch so, daß Preußen von dieser Veränderung keinen Gewinn haben sollte.<lb/>
Ueber die Volksvertretung und Anerkennung der Grundrechte war nichts Näheres<lb/>
präcisirt. Da endlich ermannte sich Preußen und erließ (den 23. Januar) durch<lb/>
den provisorischen Minister der auswärtigen Angelegenheiten, Grafen Bülow, eine<lb/>
Circularnote an sämmtliche deutsche Regierungen, welche, Oestreich gegenüber, für<lb/>
die einzelnen Staaten das Recht in Anspruch nahm, sich innerhalb des alten<lb/>
Staatenbundes zu einem engern Bundesstaat zusammenzuschließen, und die ein¬<lb/>
zelnen Regierungen aufforderte, sich über die Modistcationcn, welche in dem Ver-<lb/>
fassungsentwurf zu wünschen seien, vor dem endlichen Beschluß mit der National¬<lb/>
versammlung zu verständige». Der dem Neichsvorstand zugedachte Kaisertitcl<lb/>
wurde als überflüssig bezeichnet. In Folge dessen überbrachte Würth nach Frank¬<lb/>
furt eine Note seines Cabinets vom 4. Februar, welche gegen Preußen ziemlich<lb/>
bitter pvlemifirte und die Erklärung abgab, der östreichischen Negierung &#x201E;schwebe"<lb/>
das Bild einer ganz anderen Einheit Deutschlands vor, ohne daß doch über dies<lb/>
Bild etwas genaueres bestimmt wurde. Die Regierungen vou Sachsen (10. Fe¬<lb/>
bruar), Hannover (13. Februar) und Baiern (t(i. Februar) schlössen sich, wenn auch<lb/>
in milderen Formen, im Wesen dieser östreichischen Erklärung an; ja der bairische<lb/>
Gesandte in London, v. Cetto, entblödete sich nicht, in einem Schreiben an Pal-<lb/>
merston, gestützt auf die völkerrechtlichen Verhältnisse seines Staats, einen Protest<lb/>
gegen die preußische Hegemonie einzulegen; ein Verfahren, wegen dessen er von<lb/>
seinem Minister, Grafen Brav,, nur einen gelinden Verweis erhielt (7. Februar).<lb/>
Schon den 23. Februar übergab der preußische Bevollmächtigte, Ludwig Camp-<lb/>
Hansen, eine Reihe von Abänderungsvorschlägen, welche die Regierungen der 28<lb/>
kleinen Staaten gemeinschaftlich mit der Preußischen entworfen, der Nationalver¬<lb/>
sammlung zur weiteren Berücksichtigung. Sie veränderten zwar die Verfassung<lb/>
in vielen Punkten wesentlich zu Gunsten der Selbstständigkeit der einzelnen Staaten,<lb/>
doch blieben sie im Princip bei dem Gagern'sehen Programm stehen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_14"> Während dieser Zeit war in den meisten Staaten wegen der Anerkennung<lb/>
der von der Nationalversammlung festgestellten Grundrechte ein Conflict zwischen<lb/>
den Kammern und den Regierungen ausgebrochen. In Würtemberg wurden sie<lb/>
in der zweiten Kammer (7. Febr.) mit 72 : 62 Stimmen für rechtSgiltig erklärt,<lb/>
und führte» demnach zum Rücktritt des Ministeriums v. BeiSler, ohne daß da¬<lb/>
mit für ihre Publikation etwas erreicht war; von den sächsischen Kammern wurden<lb/>
sie (14. Febr.) fast einstimmig angenommen; in Hannover (10. Febr.) mit 58:2"<lb/>
Stimmen. In Dresden gab in Folge dessen das Ministerium Braun (24. Febr.)<lb/>
seine Entlassung, und die Grundrechte wurde» (27. Febr.) in der That publicirt,<lb/>
wenn auch unter Vorbehalt, in Hannover dagegen nahm das Ministerium Stüve<lb/>
seine zuerst angebotene Entlassung wieder zurück (13. März).</p><lb/>
            <fw type="sig" place="bottom"></fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0011] (17. Januar) eine Note an die königlichen Regierungen, die eine Mediatisation der kleinen deutschen Fürsten zu Gunsten der Königreiche in Vorschlag brachte, doch so, daß Preußen von dieser Veränderung keinen Gewinn haben sollte. Ueber die Volksvertretung und Anerkennung der Grundrechte war nichts Näheres präcisirt. Da endlich ermannte sich Preußen und erließ (den 23. Januar) durch den provisorischen Minister der auswärtigen Angelegenheiten, Grafen Bülow, eine Circularnote an sämmtliche deutsche Regierungen, welche, Oestreich gegenüber, für die einzelnen Staaten das Recht in Anspruch nahm, sich innerhalb des alten Staatenbundes zu einem engern Bundesstaat zusammenzuschließen, und die ein¬ zelnen Regierungen aufforderte, sich über die Modistcationcn, welche in dem Ver- fassungsentwurf zu wünschen seien, vor dem endlichen Beschluß mit der National¬ versammlung zu verständige». Der dem Neichsvorstand zugedachte Kaisertitcl wurde als überflüssig bezeichnet. In Folge dessen überbrachte Würth nach Frank¬ furt eine Note seines Cabinets vom 4. Februar, welche gegen Preußen ziemlich bitter pvlemifirte und die Erklärung abgab, der östreichischen Negierung „schwebe" das Bild einer ganz anderen Einheit Deutschlands vor, ohne daß doch über dies Bild etwas genaueres bestimmt wurde. Die Regierungen vou Sachsen (10. Fe¬ bruar), Hannover (13. Februar) und Baiern (t(i. Februar) schlössen sich, wenn auch in milderen Formen, im Wesen dieser östreichischen Erklärung an; ja der bairische Gesandte in London, v. Cetto, entblödete sich nicht, in einem Schreiben an Pal- merston, gestützt auf die völkerrechtlichen Verhältnisse seines Staats, einen Protest gegen die preußische Hegemonie einzulegen; ein Verfahren, wegen dessen er von seinem Minister, Grafen Brav,, nur einen gelinden Verweis erhielt (7. Februar). Schon den 23. Februar übergab der preußische Bevollmächtigte, Ludwig Camp- Hansen, eine Reihe von Abänderungsvorschlägen, welche die Regierungen der 28 kleinen Staaten gemeinschaftlich mit der Preußischen entworfen, der Nationalver¬ sammlung zur weiteren Berücksichtigung. Sie veränderten zwar die Verfassung in vielen Punkten wesentlich zu Gunsten der Selbstständigkeit der einzelnen Staaten, doch blieben sie im Princip bei dem Gagern'sehen Programm stehen. Während dieser Zeit war in den meisten Staaten wegen der Anerkennung der von der Nationalversammlung festgestellten Grundrechte ein Conflict zwischen den Kammern und den Regierungen ausgebrochen. In Würtemberg wurden sie in der zweiten Kammer (7. Febr.) mit 72 : 62 Stimmen für rechtSgiltig erklärt, und führte» demnach zum Rücktritt des Ministeriums v. BeiSler, ohne daß da¬ mit für ihre Publikation etwas erreicht war; von den sächsischen Kammern wurden sie (14. Febr.) fast einstimmig angenommen; in Hannover (10. Febr.) mit 58:2" Stimmen. In Dresden gab in Folge dessen das Ministerium Braun (24. Febr.) seine Entlassung, und die Grundrechte wurde» (27. Febr.) in der That publicirt, wenn auch unter Vorbehalt, in Hannover dagegen nahm das Ministerium Stüve seine zuerst angebotene Entlassung wieder zurück (13. März). 1»

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/11
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/11>, abgerufen am 05.02.2025.