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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.

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Rückblick auf die politischen Greigniffe des Jahres
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I.
Das deutsche Reich.

Nachdem das Ministerium Schwarzenberg-Stadwn deu 27. November dem
Reichstag zu Kremsier sein Programm vorgelegt hatte, nach welchem eine Erklä¬
rung über das Verhältniß des Kaiserstaats zum deutschen Reich erst dann in Aussicht
gestellt wurde, wenn der erstere sich selbstständig constituirt haben würde, legte
der bisherige Präsident des Reichsministeriums, Anton v. Schmerling sein Amt
nieder (15. December), und Heinrich v. Gagern, der bisherige Präsident, trat an
die Spitze der Regierung, die in Beziehung auf ihre übrigen Mitglieder unver¬
ändert blieb. Das neue Ministerium legte sofort (17. December) sein Programm
vor, welches von dem Gesichtspunkt ausging, Deutschland solle sich mit Ausschluß
Oestreichs zu einem engern Bundesstaat constituiren und mit deu östreichischen
Staaten in ein inniges völkerrechtliches Verhältniß treten. Dies Programm ver-
anlaßte in der Nationalversammlung (die seitdem zu ihrem Präsidenten Professor
Eduard Simson aus Königsberg erwählte), eine vollständige Umgestaltung der
Parteien. Ein Theil des linken Centrums schloß sich den Ideen des Ministeriums
an, dagegen faud eine Koalition zwischen einem Theil der Rechten, namentlich
den Oestreichern und Baiern, mit der Linken statt, die "Theilung" Deutschlands
zu hintertreiben.

Den Mittelpunkt fand diese Partei in Schmerling, welcher gleich nach seinem
Rücktritt nach Olmi'es geeilt war, um das Ministerium in Beziehung ans die
deutsche Frage umzustimmen. Er hatte bei dieser Reise Gelegenheit genommen,
den Wienern, die ihn für den Reichstag zu Kremsier gewählt hatten, in öffent¬
licher Rede die Versicherung zu ertheilen, daß er sich auch als Präsident des deut¬
schen Neichsministerinms mir als Oestreicher gefühlt, und überall.die östreichischen
Interessen vorangestellt habe. Als östreichischer Bevollmächtigter kehrte er nun (3.
Januar 1849) nach Frankfurt zurück und überbrachte eine Note (datirt vom 28.


Grenzboten, in. 1349. i
Rückblick auf die politischen Greigniffe des Jahres
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I.
Das deutsche Reich.

Nachdem das Ministerium Schwarzenberg-Stadwn deu 27. November dem
Reichstag zu Kremsier sein Programm vorgelegt hatte, nach welchem eine Erklä¬
rung über das Verhältniß des Kaiserstaats zum deutschen Reich erst dann in Aussicht
gestellt wurde, wenn der erstere sich selbstständig constituirt haben würde, legte
der bisherige Präsident des Reichsministeriums, Anton v. Schmerling sein Amt
nieder (15. December), und Heinrich v. Gagern, der bisherige Präsident, trat an
die Spitze der Regierung, die in Beziehung auf ihre übrigen Mitglieder unver¬
ändert blieb. Das neue Ministerium legte sofort (17. December) sein Programm
vor, welches von dem Gesichtspunkt ausging, Deutschland solle sich mit Ausschluß
Oestreichs zu einem engern Bundesstaat constituiren und mit deu östreichischen
Staaten in ein inniges völkerrechtliches Verhältniß treten. Dies Programm ver-
anlaßte in der Nationalversammlung (die seitdem zu ihrem Präsidenten Professor
Eduard Simson aus Königsberg erwählte), eine vollständige Umgestaltung der
Parteien. Ein Theil des linken Centrums schloß sich den Ideen des Ministeriums
an, dagegen faud eine Koalition zwischen einem Theil der Rechten, namentlich
den Oestreichern und Baiern, mit der Linken statt, die „Theilung" Deutschlands
zu hintertreiben.

Den Mittelpunkt fand diese Partei in Schmerling, welcher gleich nach seinem
Rücktritt nach Olmi'es geeilt war, um das Ministerium in Beziehung ans die
deutsche Frage umzustimmen. Er hatte bei dieser Reise Gelegenheit genommen,
den Wienern, die ihn für den Reichstag zu Kremsier gewählt hatten, in öffent¬
licher Rede die Versicherung zu ertheilen, daß er sich auch als Präsident des deut¬
schen Neichsministerinms mir als Oestreicher gefühlt, und überall.die östreichischen
Interessen vorangestellt habe. Als östreichischer Bevollmächtigter kehrte er nun (3.
Januar 1849) nach Frankfurt zurück und überbrachte eine Note (datirt vom 28.


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[0009] Rückblick auf die politischen Greigniffe des Jahres Vvltsu8louis> I. Das deutsche Reich. Nachdem das Ministerium Schwarzenberg-Stadwn deu 27. November dem Reichstag zu Kremsier sein Programm vorgelegt hatte, nach welchem eine Erklä¬ rung über das Verhältniß des Kaiserstaats zum deutschen Reich erst dann in Aussicht gestellt wurde, wenn der erstere sich selbstständig constituirt haben würde, legte der bisherige Präsident des Reichsministeriums, Anton v. Schmerling sein Amt nieder (15. December), und Heinrich v. Gagern, der bisherige Präsident, trat an die Spitze der Regierung, die in Beziehung auf ihre übrigen Mitglieder unver¬ ändert blieb. Das neue Ministerium legte sofort (17. December) sein Programm vor, welches von dem Gesichtspunkt ausging, Deutschland solle sich mit Ausschluß Oestreichs zu einem engern Bundesstaat constituiren und mit deu östreichischen Staaten in ein inniges völkerrechtliches Verhältniß treten. Dies Programm ver- anlaßte in der Nationalversammlung (die seitdem zu ihrem Präsidenten Professor Eduard Simson aus Königsberg erwählte), eine vollständige Umgestaltung der Parteien. Ein Theil des linken Centrums schloß sich den Ideen des Ministeriums an, dagegen faud eine Koalition zwischen einem Theil der Rechten, namentlich den Oestreichern und Baiern, mit der Linken statt, die „Theilung" Deutschlands zu hintertreiben. Den Mittelpunkt fand diese Partei in Schmerling, welcher gleich nach seinem Rücktritt nach Olmi'es geeilt war, um das Ministerium in Beziehung ans die deutsche Frage umzustimmen. Er hatte bei dieser Reise Gelegenheit genommen, den Wienern, die ihn für den Reichstag zu Kremsier gewählt hatten, in öffent¬ licher Rede die Versicherung zu ertheilen, daß er sich auch als Präsident des deut¬ schen Neichsministerinms mir als Oestreicher gefühlt, und überall.die östreichischen Interessen vorangestellt habe. Als östreichischer Bevollmächtigter kehrte er nun (3. Januar 1849) nach Frankfurt zurück und überbrachte eine Note (datirt vom 28. Grenzboten, in. 1349. i

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/9>, abgerufen am 05.02.2025.