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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.

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Hr. v. Auerswald, erklärte, die Würde der Kammer erfordere es, den Schein
einer Abhängigkeit von einer fremdartigen Einwirkung zu vermeiden, und die De¬
batte wurde fortgesetzt.

Es fällt mir ein, daß es Ihnen bei diesen Berichten vorzüglich auf Schilde¬
rung der Persönlichkeiten ankommt. Rudolf v. Auerswald ist der zweite der
drei Brüder, welche in der neuesten constitutionellen Entwickelung Preußens eine
so bedeutende Rolle gespielt habe". Der Vater war Oberprästdcnt von Preußen
vor schön, die Sohne gehörten zum liberalen Adel der Provinz, und dominirten
in den Provinciallandtagen und den übrigen ständischen Einrichtungen. Der älteste,
Hans, war General, und fiel als Mitglied der Frankfurter Nationalversammlung
mit Lichnowski gemeinsam unter den Streichen der republikanischen Meuchelmörder.
Rudolf ging- in die Verwaltung; er wurde als noch ziemlich junger Mann zum
Oberbürgermeister von Königsberg erwählt, dann Regierungspräsident in Trier;
unter Camphausen erhielt er das Oberpräsidium vou Preußen, und wurde nach
dem Fall dieses Ministeriums mit der Bildung eines neuen beauftragt, welches er
mit dem Wunsche einleitete, man möge ans seinem Grabstein lesen: Er lebte im Jahr
1848 und war ein Sohn seiner Zeit. Der jüngste Bruder, Alfred, Gencralland-
schastsrath in Planthen, commandirte die preußischen Deputirten auf dem Cen-
trallandtag mit ziemlich absoluter Machtvollkommenheit, und spielte im Uebrigen
stets die Rolle eines Vermittlers, auch wo es sich um Gegensätze handelte, die
einander ausschlossen. Er ist gegenwärtig Viccpräsidcnt der zweiten Kammer.

Rudolf von Auerswald ist ein schlanker, stattlicher Mann, mit feinem aristo¬
kratischem Gesicht, der im Ruf steht, unter all den liberalen Edelleuten der alten
dynastischen Opposition am meisten courfähig zu sein. Er sieht wie ein Gentleman
ans, und behauptet sich in seinem Präsidentenstnhl, im blauen Frack mit gelbe"
Knöpfen,? mit vielem Anstand. Die erste Kammer gibt dein Präsidenten freilich
keine besondere Gelegenheit, einen übermäßigen Aufwand von Kraftfülle zu ent¬
wickeln, doch bin ich geneigt, ihn seiner Haltung wegen dem Präsidenten der zwei¬
ten Kammer, Herrn Oberbürgermeister G rab o w ans Prenzlow sehr wesentlich
vorzuziehn. Woher dieser Mann in der vorigen Constituante seinen Ruf als Prä¬
sident erlangt hat, kann ich in der That nicht begreifen. Für die zweite Kammer,
deren leidenschaftliche Erregtheit mit der in der Paulskirche wetteifert, müßte ein
Mann an der Spitze stehn, dessen Gestalt, Stimme, Auge, dessen Ernst und
Würde imposant genug wären, in jedem Augenblick der anschwellenden Brandung
Halt zu gebieten: ein Gagern, der nöthigenfalls wie ein Jupiter die Augenbrauen
Zusammenzieht, oder wenn man prosaischer sein will, der wie ein gefürchteter Schul-
Monarch zuweilen die Ruthe in die Hand zu nehmen versteht. Grabow ist stets
der freundliche, wohlwollende, bescheidne, etwas unbedeutende Mann, der wenn
^' Jemand wegen unparlamentarischen Betragens zur Ordnung verweist, in seinen
Mienen hinzuzusetzen scheint: aber bitte, nehmen Sie es mir ja nicht übel! Was


Hr. v. Auerswald, erklärte, die Würde der Kammer erfordere es, den Schein
einer Abhängigkeit von einer fremdartigen Einwirkung zu vermeiden, und die De¬
batte wurde fortgesetzt.

Es fällt mir ein, daß es Ihnen bei diesen Berichten vorzüglich auf Schilde¬
rung der Persönlichkeiten ankommt. Rudolf v. Auerswald ist der zweite der
drei Brüder, welche in der neuesten constitutionellen Entwickelung Preußens eine
so bedeutende Rolle gespielt habe». Der Vater war Oberprästdcnt von Preußen
vor schön, die Sohne gehörten zum liberalen Adel der Provinz, und dominirten
in den Provinciallandtagen und den übrigen ständischen Einrichtungen. Der älteste,
Hans, war General, und fiel als Mitglied der Frankfurter Nationalversammlung
mit Lichnowski gemeinsam unter den Streichen der republikanischen Meuchelmörder.
Rudolf ging- in die Verwaltung; er wurde als noch ziemlich junger Mann zum
Oberbürgermeister von Königsberg erwählt, dann Regierungspräsident in Trier;
unter Camphausen erhielt er das Oberpräsidium vou Preußen, und wurde nach
dem Fall dieses Ministeriums mit der Bildung eines neuen beauftragt, welches er
mit dem Wunsche einleitete, man möge ans seinem Grabstein lesen: Er lebte im Jahr
1848 und war ein Sohn seiner Zeit. Der jüngste Bruder, Alfred, Gencralland-
schastsrath in Planthen, commandirte die preußischen Deputirten auf dem Cen-
trallandtag mit ziemlich absoluter Machtvollkommenheit, und spielte im Uebrigen
stets die Rolle eines Vermittlers, auch wo es sich um Gegensätze handelte, die
einander ausschlossen. Er ist gegenwärtig Viccpräsidcnt der zweiten Kammer.

Rudolf von Auerswald ist ein schlanker, stattlicher Mann, mit feinem aristo¬
kratischem Gesicht, der im Ruf steht, unter all den liberalen Edelleuten der alten
dynastischen Opposition am meisten courfähig zu sein. Er sieht wie ein Gentleman
ans, und behauptet sich in seinem Präsidentenstnhl, im blauen Frack mit gelbe»
Knöpfen,? mit vielem Anstand. Die erste Kammer gibt dein Präsidenten freilich
keine besondere Gelegenheit, einen übermäßigen Aufwand von Kraftfülle zu ent¬
wickeln, doch bin ich geneigt, ihn seiner Haltung wegen dem Präsidenten der zwei¬
ten Kammer, Herrn Oberbürgermeister G rab o w ans Prenzlow sehr wesentlich
vorzuziehn. Woher dieser Mann in der vorigen Constituante seinen Ruf als Prä¬
sident erlangt hat, kann ich in der That nicht begreifen. Für die zweite Kammer,
deren leidenschaftliche Erregtheit mit der in der Paulskirche wetteifert, müßte ein
Mann an der Spitze stehn, dessen Gestalt, Stimme, Auge, dessen Ernst und
Würde imposant genug wären, in jedem Augenblick der anschwellenden Brandung
Halt zu gebieten: ein Gagern, der nöthigenfalls wie ein Jupiter die Augenbrauen
Zusammenzieht, oder wenn man prosaischer sein will, der wie ein gefürchteter Schul-
Monarch zuweilen die Ruthe in die Hand zu nehmen versteht. Grabow ist stets
der freundliche, wohlwollende, bescheidne, etwas unbedeutende Mann, der wenn
^' Jemand wegen unparlamentarischen Betragens zur Ordnung verweist, in seinen
Mienen hinzuzusetzen scheint: aber bitte, nehmen Sie es mir ja nicht übel! Was


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_278509/9>, abgerufen am 15.01.2025.