Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.soll dieses sanfte Regiment in einer so störrigen, trotzköpfigen Versammlung! In Doch zurück zur Sache, zur deutschen Frage in der ersten Kammer. Der erste Redner war Conrad Graf Dyhrn, in der alten Herreucurie soll dieses sanfte Regiment in einer so störrigen, trotzköpfigen Versammlung! In Doch zurück zur Sache, zur deutschen Frage in der ersten Kammer. Der erste Redner war Conrad Graf Dyhrn, in der alten Herreucurie <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0010" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/278520"/> <p xml:id="ID_20" prev="#ID_19"> soll dieses sanfte Regiment in einer so störrigen, trotzköpfigen Versammlung! In<lb/> der letzten Sitzung wurde er, sehr wider seinen Willen, zu unausgesetzten Ord¬<lb/> nungsrufen veranlaßt; es ging wie ein Kreuzfeuer, nach rechts und links, aber<lb/> eS zündete nicht. Zuerst meinte Herr v. Kirchmann, die Tugenden der Mini¬<lb/> ster wären nichts als glänzende Laster. Der Ministerpräsident, der in diesen<lb/> Dingen wie seine übrigen College», eine sehr übelangebrachte Empfindlichkeit zeigt<lb/> — was müssen die englischen Minister alles mit anhören! — verlangte den Schutz<lb/> des Präsidenten gegen persönliche Angriffe. Grabow ließ sich zum schüchternen Ord¬<lb/> nungsruf bestimmen. Darauf erfolgte ein fürchterliches Geschrei von Seiten der<lb/> Linken, worauf Bismark-Schönhausen — dem ich beiläufig die Gerechtigkeit wie-<lb/> derfahren lassen muß, daß er in der letzten Zeit mit nicht immer parlamentarischen,<lb/> aber köstlichen Impromptus um sich geworfen hat — von „Grobheiten" sprach,<lb/> die sich die Minister nicht gefallen lassen dürften; wieder Ordnungsruf gegen Bis¬<lb/> mark-Schönhausen, und so geht es eine Weile fort, bis endlich Vincke gegen<lb/> Jung, seinen frühere» Herausforderer und jetzigen Kollegen, der ihn eben ange¬<lb/> griffen hatte, sich die Bemerkung erlaubt, er solle vor den Cavallerieofficieren,<lb/> über die er sich mit großer Rührung beschwert hatte, keine Besorgnis? hegen, sie<lb/> würden die Freiheit in seiner Person ehren; zur Ordnung! brüllt die Linke; der<lb/> Präsident meint, er müsse doch abwarten, wie der Redner fortfahren würde, ehe<lb/> er sich erlauben könnte, seine Meinung darüber abzugeben; ach nein! erwidert<lb/> Vincke, geben Sie dieselbe nnr gleich ab! Und nun spricht Grabow seine Mi߬<lb/> billigung aus, worauf der Redner ruhig fortfährt. — Kann eine solche Art des<lb/> Regiments einen moralische» Eindruck machen?</p><lb/> <p xml:id="ID_21"> Doch zurück zur Sache, zur deutschen Frage in der ersten Kammer.</p><lb/> <p xml:id="ID_22" next="#ID_23"> Der erste Redner war Conrad Graf Dyhrn, in der alten Herreucurie<lb/> ein Held der liberalen Opposition, die, wenn ich nicht irre, ans sechs Personen be¬<lb/> stand. Der edle Graf ist der fetteste Mann in der Versammlung, aber noch be¬<lb/> hende und von patriotischer Wärme beseelt. Er sprach langsam, stockend, aber<lb/> nachdrücklich. Daß von den Freiheitskriegen, der Ehre Preußens, der wissen¬<lb/> schaftlichen Cultur des deutsche» Volks, dessen Biederkeit, den Vorzüge» einer<lb/> einheitlichen Regierung ». s. w. die Rede sein würde, sah ich voraus; als der<lb/> Redner aber auch auf das Herz Europas zu sprechen kam, von dessen Gesundheit<lb/> und Stärke die des übrigen Welttheils abhängig sei, geriet!) ich doch etwas außer<lb/> Fassung. Diese Rede, in der jede Sylbe vaterländische Begeisterung athmete, in<lb/> der ich aber sonst keinen Inhalt fand, als daß Preußen keine Schuld daran habe,<lb/> daß nicht das gesammte Deutschland zu freiem Reich vereinigt wurde, sondern<lb/> Jemand anders, dem Gott vergeben möge, wurde vou beide» Seite» des Hauses<lb/> durch fortdauernde Acclamatione» begrüßt. Nur auf der diplomatischen Tribüne<lb/> bemerkte ich Anwandlungen von Verdruß und ironischem Lächeln. Als der Red¬<lb/> ner geschlossen, stürmten seine Freunde auf ihn zu, ihm anerkennend die Hand</p><lb/> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0010]
soll dieses sanfte Regiment in einer so störrigen, trotzköpfigen Versammlung! In
der letzten Sitzung wurde er, sehr wider seinen Willen, zu unausgesetzten Ord¬
nungsrufen veranlaßt; es ging wie ein Kreuzfeuer, nach rechts und links, aber
eS zündete nicht. Zuerst meinte Herr v. Kirchmann, die Tugenden der Mini¬
ster wären nichts als glänzende Laster. Der Ministerpräsident, der in diesen
Dingen wie seine übrigen College», eine sehr übelangebrachte Empfindlichkeit zeigt
— was müssen die englischen Minister alles mit anhören! — verlangte den Schutz
des Präsidenten gegen persönliche Angriffe. Grabow ließ sich zum schüchternen Ord¬
nungsruf bestimmen. Darauf erfolgte ein fürchterliches Geschrei von Seiten der
Linken, worauf Bismark-Schönhausen — dem ich beiläufig die Gerechtigkeit wie-
derfahren lassen muß, daß er in der letzten Zeit mit nicht immer parlamentarischen,
aber köstlichen Impromptus um sich geworfen hat — von „Grobheiten" sprach,
die sich die Minister nicht gefallen lassen dürften; wieder Ordnungsruf gegen Bis¬
mark-Schönhausen, und so geht es eine Weile fort, bis endlich Vincke gegen
Jung, seinen frühere» Herausforderer und jetzigen Kollegen, der ihn eben ange¬
griffen hatte, sich die Bemerkung erlaubt, er solle vor den Cavallerieofficieren,
über die er sich mit großer Rührung beschwert hatte, keine Besorgnis? hegen, sie
würden die Freiheit in seiner Person ehren; zur Ordnung! brüllt die Linke; der
Präsident meint, er müsse doch abwarten, wie der Redner fortfahren würde, ehe
er sich erlauben könnte, seine Meinung darüber abzugeben; ach nein! erwidert
Vincke, geben Sie dieselbe nnr gleich ab! Und nun spricht Grabow seine Mi߬
billigung aus, worauf der Redner ruhig fortfährt. — Kann eine solche Art des
Regiments einen moralische» Eindruck machen?
Doch zurück zur Sache, zur deutschen Frage in der ersten Kammer.
Der erste Redner war Conrad Graf Dyhrn, in der alten Herreucurie
ein Held der liberalen Opposition, die, wenn ich nicht irre, ans sechs Personen be¬
stand. Der edle Graf ist der fetteste Mann in der Versammlung, aber noch be¬
hende und von patriotischer Wärme beseelt. Er sprach langsam, stockend, aber
nachdrücklich. Daß von den Freiheitskriegen, der Ehre Preußens, der wissen¬
schaftlichen Cultur des deutsche» Volks, dessen Biederkeit, den Vorzüge» einer
einheitlichen Regierung ». s. w. die Rede sein würde, sah ich voraus; als der
Redner aber auch auf das Herz Europas zu sprechen kam, von dessen Gesundheit
und Stärke die des übrigen Welttheils abhängig sei, geriet!) ich doch etwas außer
Fassung. Diese Rede, in der jede Sylbe vaterländische Begeisterung athmete, in
der ich aber sonst keinen Inhalt fand, als daß Preußen keine Schuld daran habe,
daß nicht das gesammte Deutschland zu freiem Reich vereinigt wurde, sondern
Jemand anders, dem Gott vergeben möge, wurde vou beide» Seite» des Hauses
durch fortdauernde Acclamatione» begrüßt. Nur auf der diplomatischen Tribüne
bemerkte ich Anwandlungen von Verdruß und ironischem Lächeln. Als der Red¬
ner geschlossen, stürmten seine Freunde auf ihn zu, ihm anerkennend die Hand
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |