Das rechte Centrum -- wir wollen den Namen beibehalten -- enthält die alte ständische Opposition ans der Aristokratie und dem Bürgerstande und steht mit der Frankfurter Weidenbnschpartei, wie mit den Liberale" der ersten Kammer unter Graf Dyhrn in Verbindung. Sie hat nach der Revolution zwei Mini¬ sterien gebildet, aber nicht zum besondern Ruhm der Partei. Nachdem sich Pfuel unmöglich gemacht hatte, war von einem dritten die Rede, einem Ministerium Beckerath; es kam uicht zu Staude. Gegenwärtig ist die bedeutendste Persön¬ lichkeit dieser Partei, Vincke, auch ihr anerkannter Führer, er ist aber den Schwachen und Halben, die sich in diesen Reihen nicht selten finden, zu schroff, und ob er als Minister die erforderliche Haltung bewahren würde, läßt sich nach seinen beständigen Scharmützeln mit der Linken bezweifeln. Er war es, der die Organisation der rechten Seite leitete; er hat sie auch aufgelöst durch sein ent- schiednes Auftreten in der deutschen Frage. Für jetzt hat er nur eiuen sehr ge¬ ringe" Anhang, Schwerin ist in dieser Frage entschieden zur Rechten überge¬ treten, es ist, wie ich glaube, nur die Partei Harkort, die mit Vincke hält.
Der Natur der Sache nach, schien diese Partei bei einem etwaigen Rücktritt des Ministeriums Brandenburg zunächst geeignet, an die Spitze der Verwaltung berufen zu werden. Wäre die deutsche Angelegenheit erledigt, so hätte Gagern mit seiner mächtigen Persönlichkeit der Partei in der Regierung einen Halt gege¬ ben. Man sprach von einer Combination Gagern -- Beckerath -- Camphausen ^- Vincke. Wie die Sache" jetzt stehen, ist davon vorläufig wenigstens keine Rede mehr.
In den Bänken des linken Centrums sind aber die Aussichten nicht besser. Gesetzt, die Krone käme in die Lage, die Antecedentien dieser Partei vergessen M können, sie beauftragte z. B. Hrn. v. Unruh mit der Bildung eines neuen Ministeriums, so würde dieses muthmaßlich ebensowohl die eigentliche Linke als die gesammte Rechte gegen sich haben, da eine Coalitiv" mit dem rechten Centrum uach den gehässigen Scenen der letzten Tage weniger Wahrscheinlichkeit für sich hat als je. Die Krone verlöre das Militär und den größern Theil der Bureau¬ kratie, und ich sehe nicht, was sie eigentlich gewönne. Außerdem würden die Persönlichkeiten, die sich in der Opposition gut gemig aufnahmen, im Gouver¬ nement sehr schnell verbraucht sei"; der einzige Mann von bedeutenden Fähig¬ ste" auf dieser Seite ist Hr. v. Kirchmann; bei seiner entschieden praktischen Richtung würde er sich auch schnell hineinfinden und den Radicalen ebenso gegen¬ überstehen als irgend einer der frühern Minister. Herr Nodbertus würde vom Ministertisch aus der Versammlung nicht lange imponiren, und eine" abstracten Randaleur wie Hr. v. Berg an der Spitze des preußischen Staats zu sehn, schon der Gedanke ist eine Frivolität.
Die Stellung der äußersten Linken -- die übrigens an Zahl das linke Cen¬ trum bei Weitem überbietet, ist ungleich günstiger als die ihrer gemäßigten Ver-
Das rechte Centrum — wir wollen den Namen beibehalten — enthält die alte ständische Opposition ans der Aristokratie und dem Bürgerstande und steht mit der Frankfurter Weidenbnschpartei, wie mit den Liberale» der ersten Kammer unter Graf Dyhrn in Verbindung. Sie hat nach der Revolution zwei Mini¬ sterien gebildet, aber nicht zum besondern Ruhm der Partei. Nachdem sich Pfuel unmöglich gemacht hatte, war von einem dritten die Rede, einem Ministerium Beckerath; es kam uicht zu Staude. Gegenwärtig ist die bedeutendste Persön¬ lichkeit dieser Partei, Vincke, auch ihr anerkannter Führer, er ist aber den Schwachen und Halben, die sich in diesen Reihen nicht selten finden, zu schroff, und ob er als Minister die erforderliche Haltung bewahren würde, läßt sich nach seinen beständigen Scharmützeln mit der Linken bezweifeln. Er war es, der die Organisation der rechten Seite leitete; er hat sie auch aufgelöst durch sein ent- schiednes Auftreten in der deutschen Frage. Für jetzt hat er nur eiuen sehr ge¬ ringe» Anhang, Schwerin ist in dieser Frage entschieden zur Rechten überge¬ treten, es ist, wie ich glaube, nur die Partei Harkort, die mit Vincke hält.
Der Natur der Sache nach, schien diese Partei bei einem etwaigen Rücktritt des Ministeriums Brandenburg zunächst geeignet, an die Spitze der Verwaltung berufen zu werden. Wäre die deutsche Angelegenheit erledigt, so hätte Gagern mit seiner mächtigen Persönlichkeit der Partei in der Regierung einen Halt gege¬ ben. Man sprach von einer Combination Gagern — Beckerath — Camphausen ^- Vincke. Wie die Sache» jetzt stehen, ist davon vorläufig wenigstens keine Rede mehr.
In den Bänken des linken Centrums sind aber die Aussichten nicht besser. Gesetzt, die Krone käme in die Lage, die Antecedentien dieser Partei vergessen M können, sie beauftragte z. B. Hrn. v. Unruh mit der Bildung eines neuen Ministeriums, so würde dieses muthmaßlich ebensowohl die eigentliche Linke als die gesammte Rechte gegen sich haben, da eine Coalitiv» mit dem rechten Centrum uach den gehässigen Scenen der letzten Tage weniger Wahrscheinlichkeit für sich hat als je. Die Krone verlöre das Militär und den größern Theil der Bureau¬ kratie, und ich sehe nicht, was sie eigentlich gewönne. Außerdem würden die Persönlichkeiten, die sich in der Opposition gut gemig aufnahmen, im Gouver¬ nement sehr schnell verbraucht sei»; der einzige Mann von bedeutenden Fähig¬ ste» auf dieser Seite ist Hr. v. Kirchmann; bei seiner entschieden praktischen Richtung würde er sich auch schnell hineinfinden und den Radicalen ebenso gegen¬ überstehen als irgend einer der frühern Minister. Herr Nodbertus würde vom Ministertisch aus der Versammlung nicht lange imponiren, und eine» abstracten Randaleur wie Hr. v. Berg an der Spitze des preußischen Staats zu sehn, schon der Gedanke ist eine Frivolität.
Die Stellung der äußersten Linken — die übrigens an Zahl das linke Cen¬ trum bei Weitem überbietet, ist ungleich günstiger als die ihrer gemäßigten Ver-
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Das rechte Centrum — wir wollen den Namen beibehalten — enthält die
alte ständische Opposition ans der Aristokratie und dem Bürgerstande und steht
mit der Frankfurter Weidenbnschpartei, wie mit den Liberale» der ersten Kammer
unter Graf Dyhrn in Verbindung. Sie hat nach der Revolution zwei Mini¬
sterien gebildet, aber nicht zum besondern Ruhm der Partei. Nachdem sich Pfuel
unmöglich gemacht hatte, war von einem dritten die Rede, einem Ministerium
Beckerath; es kam uicht zu Staude. Gegenwärtig ist die bedeutendste Persön¬
lichkeit dieser Partei, Vincke, auch ihr anerkannter Führer, er ist aber den
Schwachen und Halben, die sich in diesen Reihen nicht selten finden, zu schroff,
und ob er als Minister die erforderliche Haltung bewahren würde, läßt sich nach
seinen beständigen Scharmützeln mit der Linken bezweifeln. Er war es, der die
Organisation der rechten Seite leitete; er hat sie auch aufgelöst durch sein ent-
schiednes Auftreten in der deutschen Frage. Für jetzt hat er nur eiuen sehr ge¬
ringe» Anhang, Schwerin ist in dieser Frage entschieden zur Rechten überge¬
treten, es ist, wie ich glaube, nur die Partei Harkort, die mit Vincke hält.
Der Natur der Sache nach, schien diese Partei bei einem etwaigen Rücktritt
des Ministeriums Brandenburg zunächst geeignet, an die Spitze der Verwaltung
berufen zu werden. Wäre die deutsche Angelegenheit erledigt, so hätte Gagern
mit seiner mächtigen Persönlichkeit der Partei in der Regierung einen Halt gege¬
ben. Man sprach von einer Combination Gagern — Beckerath — Camphausen
^- Vincke. Wie die Sache» jetzt stehen, ist davon vorläufig wenigstens keine
Rede mehr.
In den Bänken des linken Centrums sind aber die Aussichten nicht besser.
Gesetzt, die Krone käme in die Lage, die Antecedentien dieser Partei vergessen
M können, sie beauftragte z. B. Hrn. v. Unruh mit der Bildung eines neuen
Ministeriums, so würde dieses muthmaßlich ebensowohl die eigentliche Linke als
die gesammte Rechte gegen sich haben, da eine Coalitiv» mit dem rechten Centrum
uach den gehässigen Scenen der letzten Tage weniger Wahrscheinlichkeit für sich
hat als je. Die Krone verlöre das Militär und den größern Theil der Bureau¬
kratie, und ich sehe nicht, was sie eigentlich gewönne. Außerdem würden die
Persönlichkeiten, die sich in der Opposition gut gemig aufnahmen, im Gouver¬
nement sehr schnell verbraucht sei»; der einzige Mann von bedeutenden Fähig¬
ste» auf dieser Seite ist Hr. v. Kirchmann; bei seiner entschieden praktischen
Richtung würde er sich auch schnell hineinfinden und den Radicalen ebenso gegen¬
überstehen als irgend einer der frühern Minister. Herr Nodbertus würde vom
Ministertisch aus der Versammlung nicht lange imponiren, und eine» abstracten
Randaleur wie Hr. v. Berg an der Spitze des preußischen Staats zu sehn,
schon der Gedanke ist eine Frivolität.
Die Stellung der äußersten Linken — die übrigens an Zahl das linke Cen¬
trum bei Weitem überbietet, ist ungleich günstiger als die ihrer gemäßigten Ver-
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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_278509/89>, abgerufen am 24.01.2025.
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