Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.dem seinein Ursprünge nach revolutionären Frankfurt die souveräne Ironie der Die Doctrinärs der Haller'schen Schule und die bekannten Politiker der Wil¬ Der eigentliche Führer der Partei, die bis jetzt noch mit dem rechten Cen¬ dem seinein Ursprünge nach revolutionären Frankfurt die souveräne Ironie der Die Doctrinärs der Haller'schen Schule und die bekannten Politiker der Wil¬ Der eigentliche Führer der Partei, die bis jetzt noch mit dem rechten Cen¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0088" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/278598"/> <p xml:id="ID_265" prev="#ID_264"> dem seinein Ursprünge nach revolutionären Frankfurt die souveräne Ironie der<lb/> Metternich'schen Schule entgegengesetzt. In dem Conflict nun zwischen dem Wunsch,<lb/> das eigne Herrscherhaus zu ehren und über alle andern zu erhöhen, und der<lb/> Abneigung, aus unreiner Hand diese Ehren zu empfangen, sucht man sich durch<lb/> verschiedene Mittelwege zu helfen. So consequent, wie die Neue Preußische,<lb/> welche den Abgeordneten der Paulskirche für die Dreistigkeit, dem König eine<lb/> Krone anbieten zu wolle», die nur von Gottes Gnaden gedeiht, gern einige Fu߬<lb/> tritte versetzen möchte, sind wohl wenige, zum mindesten drücken sie sich diplomati¬<lb/> scher aus. Sie wagen es auch nicht recht, die neue Gestaltung der Dinge, wenn<lb/> mau den östreichischen Projecten nachkäme und dadurch Preußen seiner welthisto¬<lb/> rischen Bedeutung beraubte, näher ins Auge zu fassen; sie begnügen sich in der<lb/> Regel mit allgemeinen Declamationen gegen das Gift der revolutionären Ge¬<lb/> sinnung.</p><lb/> <p xml:id="ID_266"> Die Doctrinärs der Haller'schen Schule und die bekannten Politiker der Wil¬<lb/> helmstraße geben der Partei die eigentliche Färbung. In der ersten Kammer sind<lb/> ihre Koryphäen: die Stahl, die Bethmann-Hollweg, die Gerlach, die<lb/> auch mit aller Dreistigkeit eines einseitigen Doctrinarismus den modernen Prin¬<lb/> cipien zu Leibe gehn. Es ist zu bedauern, daß Stahl nicht der zweiten Kammer<lb/> angehört; er würde mit seiner Eleganz, der Festigkeit seiner Ueberzeugungen und<lb/> seiner Kühnheit ein heilsames Gegengewicht gegen die Redner der äußersten Linken<lb/> bilden. An eigentlichen Talenten fehlt es dieser Partei; von Professor Keller<lb/> hatte man viel erwartet, aber er ist noch nicht hervorgetreten. Eben so wenig ist<lb/> es den Negierungsrätheu sticht und Ellwanger, vou denen der erste in den<lb/> Wahlversammlungen bedeutendes Aussehn gemacht hatte, gelungen, mit ihrer Gott¬<lb/> seligkeit das unruhige Publikum zu erbauen. Die pommerschen Aristokraten,<lb/> Bismark-Schönhausen, Kleist-Netzvw u. s. w. sind wohl geeignet, den<lb/> Gegnern vou Zeit zu Zeit heilsame Grobheiten entgegenzuwcrfeu, aber sie stehen<lb/> den Ideen der neuen Zeit zu fern, als daß sie einen wesentlichen Einfluß auf die¬<lb/> selbe ausüben könnten. Dasselbe muß ich von Bodelschwingh sagen; menschlich<lb/> betrachtet, gewinnt man ihn lieb bei näherer Bekanntschaft, aber von der staats¬<lb/> männischen Haltung dieser tapfern Offiziere, denen der alte preußische Staat seine<lb/> Portefeuilles anvertraute, ist nicht viel zu rühmen.</p><lb/> <p xml:id="ID_267"> Der eigentliche Führer der Partei, die bis jetzt noch mit dem rechten Cen¬<lb/> trum gemeinsame Parteiversammlnugcu gehabt hat, die sich aber wohl in den<lb/> nächsten Tagen unabhängig constituiren wird, ist Graf Arnim-Bonz.en hur g.<lb/> Wäre er jetzt Minister, so würden wir wenigstens nicht täglich das klägliche<lb/> Schauspiel erleben, daß die Negierung lediglich von der Gnade ihrer Freunde<lb/> und von der Geduld ihrer Feinde lebt. Für die Zukunft ist er aber wohl un¬<lb/> möglich. Diese feinen, vornehmen Edelleute sind doch tiefer in die alten Ideen<lb/> verrannt, als ich geglaubt habe.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0088]
dem seinein Ursprünge nach revolutionären Frankfurt die souveräne Ironie der
Metternich'schen Schule entgegengesetzt. In dem Conflict nun zwischen dem Wunsch,
das eigne Herrscherhaus zu ehren und über alle andern zu erhöhen, und der
Abneigung, aus unreiner Hand diese Ehren zu empfangen, sucht man sich durch
verschiedene Mittelwege zu helfen. So consequent, wie die Neue Preußische,
welche den Abgeordneten der Paulskirche für die Dreistigkeit, dem König eine
Krone anbieten zu wolle», die nur von Gottes Gnaden gedeiht, gern einige Fu߬
tritte versetzen möchte, sind wohl wenige, zum mindesten drücken sie sich diplomati¬
scher aus. Sie wagen es auch nicht recht, die neue Gestaltung der Dinge, wenn
mau den östreichischen Projecten nachkäme und dadurch Preußen seiner welthisto¬
rischen Bedeutung beraubte, näher ins Auge zu fassen; sie begnügen sich in der
Regel mit allgemeinen Declamationen gegen das Gift der revolutionären Ge¬
sinnung.
Die Doctrinärs der Haller'schen Schule und die bekannten Politiker der Wil¬
helmstraße geben der Partei die eigentliche Färbung. In der ersten Kammer sind
ihre Koryphäen: die Stahl, die Bethmann-Hollweg, die Gerlach, die
auch mit aller Dreistigkeit eines einseitigen Doctrinarismus den modernen Prin¬
cipien zu Leibe gehn. Es ist zu bedauern, daß Stahl nicht der zweiten Kammer
angehört; er würde mit seiner Eleganz, der Festigkeit seiner Ueberzeugungen und
seiner Kühnheit ein heilsames Gegengewicht gegen die Redner der äußersten Linken
bilden. An eigentlichen Talenten fehlt es dieser Partei; von Professor Keller
hatte man viel erwartet, aber er ist noch nicht hervorgetreten. Eben so wenig ist
es den Negierungsrätheu sticht und Ellwanger, vou denen der erste in den
Wahlversammlungen bedeutendes Aussehn gemacht hatte, gelungen, mit ihrer Gott¬
seligkeit das unruhige Publikum zu erbauen. Die pommerschen Aristokraten,
Bismark-Schönhausen, Kleist-Netzvw u. s. w. sind wohl geeignet, den
Gegnern vou Zeit zu Zeit heilsame Grobheiten entgegenzuwcrfeu, aber sie stehen
den Ideen der neuen Zeit zu fern, als daß sie einen wesentlichen Einfluß auf die¬
selbe ausüben könnten. Dasselbe muß ich von Bodelschwingh sagen; menschlich
betrachtet, gewinnt man ihn lieb bei näherer Bekanntschaft, aber von der staats¬
männischen Haltung dieser tapfern Offiziere, denen der alte preußische Staat seine
Portefeuilles anvertraute, ist nicht viel zu rühmen.
Der eigentliche Führer der Partei, die bis jetzt noch mit dem rechten Cen¬
trum gemeinsame Parteiversammlnugcu gehabt hat, die sich aber wohl in den
nächsten Tagen unabhängig constituiren wird, ist Graf Arnim-Bonz.en hur g.
Wäre er jetzt Minister, so würden wir wenigstens nicht täglich das klägliche
Schauspiel erleben, daß die Negierung lediglich von der Gnade ihrer Freunde
und von der Geduld ihrer Feinde lebt. Für die Zukunft ist er aber wohl un¬
möglich. Diese feinen, vornehmen Edelleute sind doch tiefer in die alten Ideen
verrannt, als ich geglaubt habe.
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