Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.Nachtheil betrachtet werden wird, während er aus Briefen, die der und jener Es ist also die Kolonisation im Inland keineswegs geeignet, die Auswande¬ Nachtheil betrachtet werden wird, während er aus Briefen, die der und jener Es ist also die Kolonisation im Inland keineswegs geeignet, die Auswande¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0059" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/278569"/> <p xml:id="ID_173" prev="#ID_172"> Nachtheil betrachtet werden wird, während er aus Briefen, die der und jener<lb/> Abends in der Spinnstube vorgelesen, erfahren hat, daß dergleichen in den AuS-<lb/> wanderungsstaaten Nordamerikas nie der Fall ist. Und der Haß und Neid, der<lb/> ihn verfolgt, je mehr er sich bemüht, ein sorgenfreies Leben zu erringen, ver¬<lb/> bittert ihm Alles, was sein Fleiß erworben hat, verleidet ihm nicht selten so die<lb/> ganze inländische Kolonie, daß er ohne weitem Grund wieder zurückkehrt in die<lb/> alte Heimath, oder den kaum errichteten Herd der neuen wieder abbricht, um ihn<lb/> über den Ocean zu tragen — es sind Fälle der Art schon häufig vorgekommen.<lb/> Die Colonieen, welche seither in Deutschland angelegt worden sind, haben keinen<lb/> Einfluß auf die Cultur der umwohnenden Bevölkerung ausgeübt; sie sind abge¬<lb/> grenzte Gemeinden gewesen, die nur uuter sich verkehrten und Familienbündnisse<lb/> schlössen, sie sind heut noch, oft uach 150 Jahren geblieben, was sie waren. --<lb/> Die Pfälzer sind in Pommern so wenig Preußen geworden, wie die Franzosen<lb/> in Litthauen Deutsche und ihre Nachbarn haben von ihnen nichts gelernt. Auch<lb/> das Beispiel der Sachsen in Siebenbürgen darf hier angeführt werde». In Nord¬<lb/> amerika wird aber der Einwanderer, sei er, ans welchem Lande er wolle, alsbald<lb/> Amerikaner, muß aus eigenen Füßen stehen und gehen lernen und findet überall<lb/> freundliche Nachbarn, die ihm mit Rath und That beibringen, so lange eS<lb/> Noth thut.</p><lb/> <p xml:id="ID_174" next="#ID_175"> Es ist also die Kolonisation im Inland keineswegs geeignet, die Auswande¬<lb/> rung nach überseeischen Ländern vollständig zu hemmen. Trotzdem ist sehr zu<lb/> wünschen, daß sie so ausgedehnt und sobald als möglich in's Leben gerufen werde<lb/> sie wird jedenfalls mindestens einen Theil von Kräften und Capitalien dem<lb/> Vaterland erhalten können — und sie kann jetzt um so leichter stattfinden, da das<lb/> freie Umzugs- und Ansiedelungsrecht in ganz Deutschland hoffentlich auch der<lb/> That nach zu den erworbenen Früchten der Neuzeit gehört. Aber das Inland hat,<lb/> außer den Versuchen der Kolonisation in demselben, noch gar manche andere<lb/> Mittel im Ueberfluß, welche, richtig benutzt, auf lange Jahre hinaus hinreichen<lb/> würden, jede Uebervölkerung unmöglich, ja die Production so steigen zu machen,<lb/> daß die seitherige Ausfuhr, welche schon allein den Glauben an Mißverhältnisse<lb/> der Population aufheben muß, sich noch erhöhen würde. Die Vertheilung des<lb/> Gemeindeguts mit Ausnahme des Waldes an die einzelnen Gemeindeglieder, die<lb/> Parzellirung der Domänen, zweckmäßige Kolonisationen u. s. w. können einer unge¬<lb/> heueren Menschenmenge neue Erwerbsquellen eröffnen, zugleich würden die ge¬<lb/> nannten Maßregeln ein Gegenwinde für die großen Nachtheile der Ablösung der<lb/> Zehnten und Grundrenten bilden, deren Capitalstock von den Berechtigten, gewöhn¬<lb/> tet) laut Familicuverträgen fast ganz wieder in Grundeigenthum angelegt worden<lb/> ist und dieses daher in den Händen einzelner Besitzer sich ungebührlich gehäuft hat.<lb/> R"ge sich zu jenen die Aushebung vieler drückenden Lasten und Schranken, die die<lb/> Production jetzt noch vielfach hindern, entzieht strenge Militärpflicht der Güter-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0059]
Nachtheil betrachtet werden wird, während er aus Briefen, die der und jener
Abends in der Spinnstube vorgelesen, erfahren hat, daß dergleichen in den AuS-
wanderungsstaaten Nordamerikas nie der Fall ist. Und der Haß und Neid, der
ihn verfolgt, je mehr er sich bemüht, ein sorgenfreies Leben zu erringen, ver¬
bittert ihm Alles, was sein Fleiß erworben hat, verleidet ihm nicht selten so die
ganze inländische Kolonie, daß er ohne weitem Grund wieder zurückkehrt in die
alte Heimath, oder den kaum errichteten Herd der neuen wieder abbricht, um ihn
über den Ocean zu tragen — es sind Fälle der Art schon häufig vorgekommen.
Die Colonieen, welche seither in Deutschland angelegt worden sind, haben keinen
Einfluß auf die Cultur der umwohnenden Bevölkerung ausgeübt; sie sind abge¬
grenzte Gemeinden gewesen, die nur uuter sich verkehrten und Familienbündnisse
schlössen, sie sind heut noch, oft uach 150 Jahren geblieben, was sie waren. --
Die Pfälzer sind in Pommern so wenig Preußen geworden, wie die Franzosen
in Litthauen Deutsche und ihre Nachbarn haben von ihnen nichts gelernt. Auch
das Beispiel der Sachsen in Siebenbürgen darf hier angeführt werde». In Nord¬
amerika wird aber der Einwanderer, sei er, ans welchem Lande er wolle, alsbald
Amerikaner, muß aus eigenen Füßen stehen und gehen lernen und findet überall
freundliche Nachbarn, die ihm mit Rath und That beibringen, so lange eS
Noth thut.
Es ist also die Kolonisation im Inland keineswegs geeignet, die Auswande¬
rung nach überseeischen Ländern vollständig zu hemmen. Trotzdem ist sehr zu
wünschen, daß sie so ausgedehnt und sobald als möglich in's Leben gerufen werde
sie wird jedenfalls mindestens einen Theil von Kräften und Capitalien dem
Vaterland erhalten können — und sie kann jetzt um so leichter stattfinden, da das
freie Umzugs- und Ansiedelungsrecht in ganz Deutschland hoffentlich auch der
That nach zu den erworbenen Früchten der Neuzeit gehört. Aber das Inland hat,
außer den Versuchen der Kolonisation in demselben, noch gar manche andere
Mittel im Ueberfluß, welche, richtig benutzt, auf lange Jahre hinaus hinreichen
würden, jede Uebervölkerung unmöglich, ja die Production so steigen zu machen,
daß die seitherige Ausfuhr, welche schon allein den Glauben an Mißverhältnisse
der Population aufheben muß, sich noch erhöhen würde. Die Vertheilung des
Gemeindeguts mit Ausnahme des Waldes an die einzelnen Gemeindeglieder, die
Parzellirung der Domänen, zweckmäßige Kolonisationen u. s. w. können einer unge¬
heueren Menschenmenge neue Erwerbsquellen eröffnen, zugleich würden die ge¬
nannten Maßregeln ein Gegenwinde für die großen Nachtheile der Ablösung der
Zehnten und Grundrenten bilden, deren Capitalstock von den Berechtigten, gewöhn¬
tet) laut Familicuverträgen fast ganz wieder in Grundeigenthum angelegt worden
ist und dieses daher in den Händen einzelner Besitzer sich ungebührlich gehäuft hat.
R"ge sich zu jenen die Aushebung vieler drückenden Lasten und Schranken, die die
Production jetzt noch vielfach hindern, entzieht strenge Militärpflicht der Güter-
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |