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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.

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hervorbringung nicht alljährlich gerade die Mehrzahl der besten Arbeitskräfte; do
günstigen die Regierungen und ihre Behörden die Industrie, schützen sie Handel
und Gewerbe durch eine einsichtige Zollgesetzgebung, durch Regelung der Jnnungs-
Verhältnisse n. s. w.; erhöhen sie endlich die Production durch die indirecten Mittel
der Volksbildung und der gegliederte" Association -- dann ist mehr als durch
jede Colonisation dem Uebel der Auswanderung die fühlbare Schärfe genommen,
wenn sie selbst dadurch auch nicht aufgehoben wird.

Es ist der Auswanderung kein Ziel zu setzen -- wohl aber wird, wenn auch
erst nach langer Zeit, der Augenblick kommen, in welcher sie aufhören wird, uns
zu schaden. Eines Tages werden Amerika und vielleicht mehr noch Australien mit
uns in nachhaltig einttäglicheu Verkehr getreten sein -- es braucht einstweilen nur
auf Wolle und Tücher hingewiesen zu werden -- und unser Handel wird dann
wahrscheinlich nur auf der Basis des AnSwandrungsbctricbs zu einer so achtnng-
gebieteuden Höhe gediehen sein, daß wir mit andern handeltreibenden Nationen con¬
curriren können. Es ist dies um so mehr kein leerer Traum, als die glücklichen
Anfänge einer deutschen Marine jetzt schon unserer Flagge Schutz und Geltung
verleihen müssen. Wir werden das noch erleben -- auch, daß Amerika und
Australien selbst die Auswanderung erschweren werden. Wohin aber soll dann der
romantische Drang in der deutschen Seele uns führen? Unzweifelhaft müssen wir
dann dahin zurückkehren, woher wir vor tausend Jahren gekommen sind -- nach der
Hochebene von Asien. Dort stand die Wiege des Menschengeschlechts vielleicht
,W. 'ö. wird einst auch sein Sarg dort stehen.




Die Katastrophe in der Paulskirche.



Ich traf in Frankfurt el", am Vorabende des Tages, der die Debatte über
den Welker'schen Antrag eröffnen sollte. Nur mit Mühe konnte ich noch ein Unter^-
kommen im Ga'sthofe finden, so groß war der Zudrang von Fremden, die aus
allen Gauen Deutschlands herbeigeeilt, um Zeugen der weltgeschichtlichen Ver¬
handlungen zu sein, welche über die Zukunft unseres Vaterlandes entscheiden
sollten.

ES lag mir daran, schnell einen Ueberblick der Stärke und Operationspläne
beider Heerlager zu gewinnen, und der Umstand, daß ich unter den hervorragend¬
sten Centralisten und Totallsten der Linken wie der Rechten alte Bekannte habe,
kam meinem Bestreben fördernd zu Hilfe. Vor allem war ich begierig, die
Stimmungen und Motive der Antikaiserlichen, unserer Gegner, kennen zu lernen,


hervorbringung nicht alljährlich gerade die Mehrzahl der besten Arbeitskräfte; do
günstigen die Regierungen und ihre Behörden die Industrie, schützen sie Handel
und Gewerbe durch eine einsichtige Zollgesetzgebung, durch Regelung der Jnnungs-
Verhältnisse n. s. w.; erhöhen sie endlich die Production durch die indirecten Mittel
der Volksbildung und der gegliederte» Association — dann ist mehr als durch
jede Colonisation dem Uebel der Auswanderung die fühlbare Schärfe genommen,
wenn sie selbst dadurch auch nicht aufgehoben wird.

Es ist der Auswanderung kein Ziel zu setzen — wohl aber wird, wenn auch
erst nach langer Zeit, der Augenblick kommen, in welcher sie aufhören wird, uns
zu schaden. Eines Tages werden Amerika und vielleicht mehr noch Australien mit
uns in nachhaltig einttäglicheu Verkehr getreten sein — es braucht einstweilen nur
auf Wolle und Tücher hingewiesen zu werden — und unser Handel wird dann
wahrscheinlich nur auf der Basis des AnSwandrungsbctricbs zu einer so achtnng-
gebieteuden Höhe gediehen sein, daß wir mit andern handeltreibenden Nationen con¬
curriren können. Es ist dies um so mehr kein leerer Traum, als die glücklichen
Anfänge einer deutschen Marine jetzt schon unserer Flagge Schutz und Geltung
verleihen müssen. Wir werden das noch erleben — auch, daß Amerika und
Australien selbst die Auswanderung erschweren werden. Wohin aber soll dann der
romantische Drang in der deutschen Seele uns führen? Unzweifelhaft müssen wir
dann dahin zurückkehren, woher wir vor tausend Jahren gekommen sind — nach der
Hochebene von Asien. Dort stand die Wiege des Menschengeschlechts vielleicht
,W. 'ö. wird einst auch sein Sarg dort stehen.




Die Katastrophe in der Paulskirche.



Ich traf in Frankfurt el», am Vorabende des Tages, der die Debatte über
den Welker'schen Antrag eröffnen sollte. Nur mit Mühe konnte ich noch ein Unter^-
kommen im Ga'sthofe finden, so groß war der Zudrang von Fremden, die aus
allen Gauen Deutschlands herbeigeeilt, um Zeugen der weltgeschichtlichen Ver¬
handlungen zu sein, welche über die Zukunft unseres Vaterlandes entscheiden
sollten.

ES lag mir daran, schnell einen Ueberblick der Stärke und Operationspläne
beider Heerlager zu gewinnen, und der Umstand, daß ich unter den hervorragend¬
sten Centralisten und Totallsten der Linken wie der Rechten alte Bekannte habe,
kam meinem Bestreben fördernd zu Hilfe. Vor allem war ich begierig, die
Stimmungen und Motive der Antikaiserlichen, unserer Gegner, kennen zu lernen,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_278509/60>, abgerufen am 15.01.2025.