Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.Wenn sich unsere deutschen Brüder "draußen" die Mühe nehmen, Wiener Ja -- sein Gott, sein Magyar Isten, der sich vor der ganzen Welt nur Bei Gödöllö an der Straße von Pesth nach Debreczin wurde im März d. I. Dieser kannte die Positionen der Oestreicher und wußte sie ihrem ganzen Wenn sich unsere deutschen Brüder „draußen" die Mühe nehmen, Wiener Ja — sein Gott, sein Magyar Isten, der sich vor der ganzen Welt nur Bei Gödöllö an der Straße von Pesth nach Debreczin wurde im März d. I. Dieser kannte die Positionen der Oestreicher und wußte sie ihrem ganzen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0495" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279005"/> <p xml:id="ID_1622"> Wenn sich unsere deutschen Brüder „draußen" die Mühe nehmen, Wiener<lb/> »»deutsche Blätter zu lese», dann werde» sie daraus ersehen, daß alle Tage Hu¬<lb/> saren zu uns herübergclaufen komme» „weil sie das Gewisse» drückt"? —<lb/> Wenn Sie den Zeitungen »icht glauben wolle», wenn Sie sich sogar erkühnen,<lb/> diesen Zweifel in einem k. k. östreichischen Gasthause laut werden zu lassen, so Hot<lb/> der Gastwirth die Verpflichtung, Sie als „Böswilligen" arretiren zu lassen. Darum<lb/> sagen wir Ihnen über die Grenze hinüber ganz leise ins Ohr, daß die Wiener<lb/> Zeitungen in diesem wie in vielen andern Dingen Lügner sind. Der Husar von<lb/> seinen Kameraden, aus seinem Lande fortlaufen hinüber zu den Kaiserlichen, weil<lb/> drüben Einer König von Ungar» genannt wird, der die Krone des heiligen<lb/> Stephan noch nicht gesehen hat?! Nie und nimmermehr. Der Husar ist der<lb/> verkörperte Magyarismus; auf der Haide ist er geboren und groß gezogen, ans<lb/> der Haide hat sein Rößlein das Licht der Welt erblickt und ist mit ihm aufge¬<lb/> wachsen, dort hat er die ersten Zigeuner gehört, dort hat er zum ersten Mal den<lb/> Csiirtms getanzt, dort hat er das erste Mädchen geküßt, dort will er leben und<lb/> sterben, denn dort wohnt sein Gott.</p><lb/> <p xml:id="ID_1623"> Ja — sein Gott, sein Magyar Isten, der sich vor der ganzen Welt nur<lb/> um Ungarn zu kümmern hat, der als ein Ableger der großen Wcltgottheit blos in<lb/> Ungarn lebt und herrscht. Sie sehen Freund! Der Mann ist stolz und theilt<lb/> nicht einmal seinen Gott mit andern Völkern; er hält sich und sein Land für be¬<lb/> deutend genug um die intellektuellen Fähigkeiten eines eigenen Gottes aus¬<lb/> schließlich in Anspruch nehmen zu müssen. Zu diesem seinem Privatgott betet<lb/> der Husar, wenn er in die Schlacht reitet, „der hat ihn noch nie verlassen." —</p><lb/> <p xml:id="ID_1624"> Bei Gödöllö an der Straße von Pesth nach Debreczin wurde im März d. I.<lb/> eine Schlacht geschlagen, vielleicht die blutigst« und entscheidenste von allen. Von<lb/> hier erst beginnt die große ungarische Ebene, die sich ohne Unterbrechung bis ein<lb/> die Theiß und drüber hinaus nach Debreczin erstreckt und dann wieder drüber<lb/> hinaus. Bis Hieher hat das Elcmcntarfcncr noch Hügel aufgeblasen, die als zu¬<lb/> sammenhängende Kette später erstarrt siud, und Gödöllö ist der Schlußpunkt die¬<lb/> ser Hügelreihe. Windischgrätz sah sich nach der „siegreichen" Schlacht bei Kapolna<lb/> genöthigt, Schritt vor Schritt bis sicher zurückzugehn, um zu einem Ruhepunkt<lb/> zu gelangen, wo sich wieder mit Muße ein Bulletin schreiben und eine feste Stel¬<lb/> lung einnehmen ließe. Das Terrain konnte nicht besser gewählt sein, um die<lb/> Heeresmassen, welche über die Theiß herüberbrachcu, zum Steh» zu bringen. Die<lb/> waldigen Hügel strömten von östreichischen Bajonnetten, jeder Baum beherbergte<lb/> ein paar Jäger, die Häupter der Anhöhen waren mit Geschi'es gekrönt, und an<lb/> den Seiten schimmerten die Kuirasse der schwere» Reiter durch die Büsche. Jel-<lb/> lachich commandirte de» linken Flügel, Schlick den rechten, der Fürst in Person<lb/> befehligte das Centrum. Ihm gegenüber stand Görgey.</p><lb/> <p xml:id="ID_1625" next="#ID_1626"> Dieser kannte die Positionen der Oestreicher und wußte sie ihrem ganzen</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0495]
Wenn sich unsere deutschen Brüder „draußen" die Mühe nehmen, Wiener
»»deutsche Blätter zu lese», dann werde» sie daraus ersehen, daß alle Tage Hu¬
saren zu uns herübergclaufen komme» „weil sie das Gewisse» drückt"? —
Wenn Sie den Zeitungen »icht glauben wolle», wenn Sie sich sogar erkühnen,
diesen Zweifel in einem k. k. östreichischen Gasthause laut werden zu lassen, so Hot
der Gastwirth die Verpflichtung, Sie als „Böswilligen" arretiren zu lassen. Darum
sagen wir Ihnen über die Grenze hinüber ganz leise ins Ohr, daß die Wiener
Zeitungen in diesem wie in vielen andern Dingen Lügner sind. Der Husar von
seinen Kameraden, aus seinem Lande fortlaufen hinüber zu den Kaiserlichen, weil
drüben Einer König von Ungar» genannt wird, der die Krone des heiligen
Stephan noch nicht gesehen hat?! Nie und nimmermehr. Der Husar ist der
verkörperte Magyarismus; auf der Haide ist er geboren und groß gezogen, ans
der Haide hat sein Rößlein das Licht der Welt erblickt und ist mit ihm aufge¬
wachsen, dort hat er die ersten Zigeuner gehört, dort hat er zum ersten Mal den
Csiirtms getanzt, dort hat er das erste Mädchen geküßt, dort will er leben und
sterben, denn dort wohnt sein Gott.
Ja — sein Gott, sein Magyar Isten, der sich vor der ganzen Welt nur
um Ungarn zu kümmern hat, der als ein Ableger der großen Wcltgottheit blos in
Ungarn lebt und herrscht. Sie sehen Freund! Der Mann ist stolz und theilt
nicht einmal seinen Gott mit andern Völkern; er hält sich und sein Land für be¬
deutend genug um die intellektuellen Fähigkeiten eines eigenen Gottes aus¬
schließlich in Anspruch nehmen zu müssen. Zu diesem seinem Privatgott betet
der Husar, wenn er in die Schlacht reitet, „der hat ihn noch nie verlassen." —
Bei Gödöllö an der Straße von Pesth nach Debreczin wurde im März d. I.
eine Schlacht geschlagen, vielleicht die blutigst« und entscheidenste von allen. Von
hier erst beginnt die große ungarische Ebene, die sich ohne Unterbrechung bis ein
die Theiß und drüber hinaus nach Debreczin erstreckt und dann wieder drüber
hinaus. Bis Hieher hat das Elcmcntarfcncr noch Hügel aufgeblasen, die als zu¬
sammenhängende Kette später erstarrt siud, und Gödöllö ist der Schlußpunkt die¬
ser Hügelreihe. Windischgrätz sah sich nach der „siegreichen" Schlacht bei Kapolna
genöthigt, Schritt vor Schritt bis sicher zurückzugehn, um zu einem Ruhepunkt
zu gelangen, wo sich wieder mit Muße ein Bulletin schreiben und eine feste Stel¬
lung einnehmen ließe. Das Terrain konnte nicht besser gewählt sein, um die
Heeresmassen, welche über die Theiß herüberbrachcu, zum Steh» zu bringen. Die
waldigen Hügel strömten von östreichischen Bajonnetten, jeder Baum beherbergte
ein paar Jäger, die Häupter der Anhöhen waren mit Geschi'es gekrönt, und an
den Seiten schimmerten die Kuirasse der schwere» Reiter durch die Büsche. Jel-
lachich commandirte de» linken Flügel, Schlick den rechten, der Fürst in Person
befehligte das Centrum. Ihm gegenüber stand Görgey.
Dieser kannte die Positionen der Oestreicher und wußte sie ihrem ganzen
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