Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.aus und dem Häringschen Lesekabinct wurden sämmtliche deutsche Zeitungen ver¬ Doch ging sie mit der Zeit mit. Namentlich als die Deutschkatholiken und Die Zeit des vereinigten Landtags war für die Vossische nicht günstig. Der 55*
aus und dem Häringschen Lesekabinct wurden sämmtliche deutsche Zeitungen ver¬ Doch ging sie mit der Zeit mit. Namentlich als die Deutschkatholiken und Die Zeit des vereinigten Landtags war für die Vossische nicht günstig. Der 55*
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0435" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/278945"/> <p xml:id="ID_1400" prev="#ID_1399"> aus und dem Häringschen Lesekabinct wurden sämmtliche deutsche Zeitungen ver¬<lb/> sorgt, radicale wie reactionäre. In die Berliner Zeitungen zu schreiben, sand<lb/> Man keine Veranlassung, denn sie zahlten kein Honorar. Die Eigenthümer der<lb/> Zeitung — von einer eigentlichen Redaction war keine Rede — bewirthschafteten<lb/> dieselbe, in Beziehung ans Politik nach den Grundsätzen der strengste» Oekonomie.<lb/> Irgend ein Herr nahm die am Abend erschienene Staatszeitung, zog daraus mit<lb/> möglichster Schnelligkeit einige Notizen aus, die nun so confus als möglich zusam¬<lb/> mengestellt und durch willkürliche AuSwssnugcn unverständlich gemacht, den fol¬<lb/> genden Morgen neben deu Charaden des Beobachters an der Spree das Publikum<lb/> erfreuten. Die Zeitung hatte ihre ungeheure Einnahme lediglich aus deu Inserate»;<lb/> durch ni»e Vergrößerung ihres Leserkreises konnte sie den Ertrag nicht vermehren,<lb/> sie fühlte also auch keine Veranlassung, da« Publikum durch irgend eine kühne<lb/> Neuerung anzulocken. Die Zeitung gedieh, wie das Unkraut, naturwüchsig, sie<lb/> schrieb sich selbst, ohne Nachdenken und ohne Leidenschaft.</p><lb/> <p xml:id="ID_1401"> Doch ging sie mit der Zeit mit. Namentlich als die Deutschkatholiken und<lb/> die lichtfreundlichen Proteste auftraten, öffnete sie ihre Spalten dem Geleier dieser<lb/> armen Propheten. ES war nicht blos das Pflichtgefühl des Modewaarenhändlcrs,<lb/> mit der gangbaren Waare die Käufer zu bedienen, es war auch Gesinnung; man<lb/> ärgerte sich ernstlich über Hengstenberg und die übngcn Heiligen, die in einer so<lb/> aufgeklärten Zeit wieder .das große Wort führen wollten. Im Deutschkatholicismus<lb/> sah man die Zukunft der Nation. Einheit aller Konfessionen, reines Christenthum<lb/> und dabei doch reine Vernunft, das war ja etwas ganz Vortreffliches! Nachher<lb/> gaben die verschiedenen Vereine für das Wohl der Nothleidenden hinlänglichen<lb/> Stoff zur wohlwollenden Unterhaltung, und mau ließ sich zuweilen so weit gehe»,<lb/> über die ganze Richtung der Negierung bedenklich den Kopf zu schüttet». Das<lb/> erregte so großes Aufsch», daß Willibald Aleris, der eine» derartige» Artikel ge¬<lb/> liefert, in einem königlichen Handschreiben einen Verweis erhielt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1402" next="#ID_1403"> Die Zeit des vereinigten Landtags war für die Vossische nicht günstig. Der<lb/> Grundton ihrer Stimmungen war die süße Hoffnung, es werde sich ja wohl Alles<lb/> machen. Im Landtag sprach sich zuerst die unabweisbare Thasache aus, daß es<lb/> mit diesen einfachen Wünschen doch nicht so abgethan wäre, daß sich der öffentli¬<lb/> chen Meinung ein sehr fester Wall entgegenstemmte, über den der bloße Wunsch<lb/> nicht hinausführte. Außerdem war die politische Publicität damals noch etwas<lb/> Neues, Reden mit den vollständige!, Namen waren in Deutschland noch nicht da¬<lb/> gewesen, man war noch nicht übersättigt von dem politischen Stoff, und ließ es<lb/> sich daher nicht verdrießen, die stenographischen Berichte in der Staatszeitung zu<lb/> lesen, da eine vorhergehende Publikation ohne diese officielle Vermittelung unter¬<lb/> sagt war, und mau es in der Vossischen erst aus der zweiten Hand und einer<lb/> sehr ungeschickten, überliefert erhielt. Zudem schwoll durch diese Berichte der po¬<lb/> litische Text übertrieben an, und machte verdrießliche Kosten. Indeß man konnte</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 55*</fw><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0435]
aus und dem Häringschen Lesekabinct wurden sämmtliche deutsche Zeitungen ver¬
sorgt, radicale wie reactionäre. In die Berliner Zeitungen zu schreiben, sand
Man keine Veranlassung, denn sie zahlten kein Honorar. Die Eigenthümer der
Zeitung — von einer eigentlichen Redaction war keine Rede — bewirthschafteten
dieselbe, in Beziehung ans Politik nach den Grundsätzen der strengste» Oekonomie.
Irgend ein Herr nahm die am Abend erschienene Staatszeitung, zog daraus mit
möglichster Schnelligkeit einige Notizen aus, die nun so confus als möglich zusam¬
mengestellt und durch willkürliche AuSwssnugcn unverständlich gemacht, den fol¬
genden Morgen neben deu Charaden des Beobachters an der Spree das Publikum
erfreuten. Die Zeitung hatte ihre ungeheure Einnahme lediglich aus deu Inserate»;
durch ni»e Vergrößerung ihres Leserkreises konnte sie den Ertrag nicht vermehren,
sie fühlte also auch keine Veranlassung, da« Publikum durch irgend eine kühne
Neuerung anzulocken. Die Zeitung gedieh, wie das Unkraut, naturwüchsig, sie
schrieb sich selbst, ohne Nachdenken und ohne Leidenschaft.
Doch ging sie mit der Zeit mit. Namentlich als die Deutschkatholiken und
die lichtfreundlichen Proteste auftraten, öffnete sie ihre Spalten dem Geleier dieser
armen Propheten. ES war nicht blos das Pflichtgefühl des Modewaarenhändlcrs,
mit der gangbaren Waare die Käufer zu bedienen, es war auch Gesinnung; man
ärgerte sich ernstlich über Hengstenberg und die übngcn Heiligen, die in einer so
aufgeklärten Zeit wieder .das große Wort führen wollten. Im Deutschkatholicismus
sah man die Zukunft der Nation. Einheit aller Konfessionen, reines Christenthum
und dabei doch reine Vernunft, das war ja etwas ganz Vortreffliches! Nachher
gaben die verschiedenen Vereine für das Wohl der Nothleidenden hinlänglichen
Stoff zur wohlwollenden Unterhaltung, und mau ließ sich zuweilen so weit gehe»,
über die ganze Richtung der Negierung bedenklich den Kopf zu schüttet». Das
erregte so großes Aufsch», daß Willibald Aleris, der eine» derartige» Artikel ge¬
liefert, in einem königlichen Handschreiben einen Verweis erhielt.
Die Zeit des vereinigten Landtags war für die Vossische nicht günstig. Der
Grundton ihrer Stimmungen war die süße Hoffnung, es werde sich ja wohl Alles
machen. Im Landtag sprach sich zuerst die unabweisbare Thasache aus, daß es
mit diesen einfachen Wünschen doch nicht so abgethan wäre, daß sich der öffentli¬
chen Meinung ein sehr fester Wall entgegenstemmte, über den der bloße Wunsch
nicht hinausführte. Außerdem war die politische Publicität damals noch etwas
Neues, Reden mit den vollständige!, Namen waren in Deutschland noch nicht da¬
gewesen, man war noch nicht übersättigt von dem politischen Stoff, und ließ es
sich daher nicht verdrießen, die stenographischen Berichte in der Staatszeitung zu
lesen, da eine vorhergehende Publikation ohne diese officielle Vermittelung unter¬
sagt war, und mau es in der Vossischen erst aus der zweiten Hand und einer
sehr ungeschickten, überliefert erhielt. Zudem schwoll durch diese Berichte der po¬
litische Text übertrieben an, und machte verdrießliche Kosten. Indeß man konnte
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