Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.delsplatz, welcher den Fremden seinen Wohlstand und sein Ansehn in Deutschland Aber anch der deutschen Kunst und unserm Vaterland ist Leipzig gerade jetzt Das muß geschehn durch die Gemeinde Leipzigs selbst, es kann geschehen delsplatz, welcher den Fremden seinen Wohlstand und sein Ansehn in Deutschland Aber anch der deutschen Kunst und unserm Vaterland ist Leipzig gerade jetzt Das muß geschehn durch die Gemeinde Leipzigs selbst, es kann geschehen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0389" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/278899"/> <p xml:id="ID_1235" prev="#ID_1234"> delsplatz, welcher den Fremden seinen Wohlstand und sein Ansehn in Deutschland<lb/> verdankt, hat doch wohl die Verpflichtung, auch in den städtischen Anstalten, welche<lb/> für Erheiterung nud Bildung der Menschen vorhanden sind, etwas Ehrcnwerthes<lb/> zu bieten. Wo jährlich Hundertausende von Thälern verdient werden, da wird es<lb/> nicht mehr als schicklich und anständig sein, einen kleinen Theil davon im Interesse<lb/> derer, welche Gelegenheit zu solchem Verdienst gebe», zu verwenden. Man werfe mir<lb/> nicht ein, daß das Meßpnblikum in seiner durchschnittlichen Bildung keine großen<lb/> Ansprüche an hohe Kunstleistungen macht, das ist unwahr, denn auch der unge¬<lb/> bildete Geschmack folgt gern der Autorität eines bessern Urtheils, und zu den Meß-<lb/> besuchen, Leipzigs gehört ein großer Theil der tüchtigsten Männer unsrer Nation.</p><lb/> <p xml:id="ID_1236"> Aber anch der deutschen Kunst und unserm Vaterland ist Leipzig gerade jetzt<lb/> ein gutes Theater schuldig. Das soll keine Phrase sein. Denn gerade jetzt, wo<lb/> so Vieles in's Schwanken und zum Bruch gekommen ist, wo die Budgets der<lb/> Hoftheater zweifelhaft werde», und KriegSlcirm und Aufstände in vielen Gegenden<lb/> jede Kunstleistung unmöglich machen, liegt Leipzig wie eine grüne Insel in der<lb/> brandenden See. Ein tüchtiges bürgerliches Selbstgefühl darf der Leipziger eher<lb/> haben als der Besitzende an jedem andern Orte unsres Vaterlandes; und zu dem<lb/> gerechten Stolz, mit dem er jetzt ans seinem massiven Hanse ans Throne nud<lb/> Hütten sehen kaun, gehört auch das Gefühl, daß seiue Stadt von je eine<lb/> Rolle gespielt hat in der Entwicklung unsres geistigen Lebens. Wenn eine Stadt<lb/> durch Jahrhunderte für Wissenschaft und Kunst ein Mittelpunkt gewesen ist, so<lb/> übernimmt der Sohn auch von seinem Vater her Verpflichtungen gegen das, was<lb/> dem Erdenleben Schmuck und Würde gibt. Durch Gottsched nud die Neuberiu<lb/> Offnere Leipzig vor hundert Jahren den Tempel unserer dramatischen Kunst, eines<lb/> Neuen deutscheu Dichtcrlebcns. Es ist würdig und geziemend für dieselbe Stadt,<lb/> sie jetzt, wo die Kunst als Verbannte heimathlos umher irrt, ihr vou Neuem<lb/> schützend die Thore offne.</p><lb/> <p xml:id="ID_1237" next="#ID_1238"> Das muß geschehn durch die Gemeinde Leipzigs selbst, es kann geschehen<lb/> °sue große Opfer, ja vielleicht ohne irgend ein anderes, als daß sie dnrch ihre<lb/> Autorität ein Schauspielunternehmen garantirt. Die letzten Verpachtnngsversuche<lb/> ^d gemacht worden ohne jede Prüfung der künstlerischen Befähigung derer, welche<lb/> sich dazu gemeldet hatten, das ist für Leipzig eine Schmach, welche mit den stärk¬<lb/> en Ausdrücken getadelt werden muß; wer es mit der Kunst und dem Reuvmme<lb/> Stadt gut meint, hat die Verpflichtung dahin zu arbeiten, daß dergleichen<lb/> sich in Zukunft uicht wiederhole. Gestatten Sie mir deshalb den gegenwärtigen<lb/> Pachtznstand als ein Provisorium zu betrachten, und obgleich ich der Person des<lb/> öegenwärtigcu Pächters alles Gute gönne, so bin ich doch genöthigt in unserm<lb/> Interesse zu wünschen, daß er dies Gute irgend wo Anders erlebe, als hier in<lb/> ^Pzig. Sollte also der Fall eintreten, daß das hiesige Theater über kurz oder<lb/> "ug pcichtsrei würde, so wird Ihre Erfahrung, lieber Freund, der Ansicht N,echt</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0389]
delsplatz, welcher den Fremden seinen Wohlstand und sein Ansehn in Deutschland
verdankt, hat doch wohl die Verpflichtung, auch in den städtischen Anstalten, welche
für Erheiterung nud Bildung der Menschen vorhanden sind, etwas Ehrcnwerthes
zu bieten. Wo jährlich Hundertausende von Thälern verdient werden, da wird es
nicht mehr als schicklich und anständig sein, einen kleinen Theil davon im Interesse
derer, welche Gelegenheit zu solchem Verdienst gebe», zu verwenden. Man werfe mir
nicht ein, daß das Meßpnblikum in seiner durchschnittlichen Bildung keine großen
Ansprüche an hohe Kunstleistungen macht, das ist unwahr, denn auch der unge¬
bildete Geschmack folgt gern der Autorität eines bessern Urtheils, und zu den Meß-
besuchen, Leipzigs gehört ein großer Theil der tüchtigsten Männer unsrer Nation.
Aber anch der deutschen Kunst und unserm Vaterland ist Leipzig gerade jetzt
ein gutes Theater schuldig. Das soll keine Phrase sein. Denn gerade jetzt, wo
so Vieles in's Schwanken und zum Bruch gekommen ist, wo die Budgets der
Hoftheater zweifelhaft werde», und KriegSlcirm und Aufstände in vielen Gegenden
jede Kunstleistung unmöglich machen, liegt Leipzig wie eine grüne Insel in der
brandenden See. Ein tüchtiges bürgerliches Selbstgefühl darf der Leipziger eher
haben als der Besitzende an jedem andern Orte unsres Vaterlandes; und zu dem
gerechten Stolz, mit dem er jetzt ans seinem massiven Hanse ans Throne nud
Hütten sehen kaun, gehört auch das Gefühl, daß seiue Stadt von je eine
Rolle gespielt hat in der Entwicklung unsres geistigen Lebens. Wenn eine Stadt
durch Jahrhunderte für Wissenschaft und Kunst ein Mittelpunkt gewesen ist, so
übernimmt der Sohn auch von seinem Vater her Verpflichtungen gegen das, was
dem Erdenleben Schmuck und Würde gibt. Durch Gottsched nud die Neuberiu
Offnere Leipzig vor hundert Jahren den Tempel unserer dramatischen Kunst, eines
Neuen deutscheu Dichtcrlebcns. Es ist würdig und geziemend für dieselbe Stadt,
sie jetzt, wo die Kunst als Verbannte heimathlos umher irrt, ihr vou Neuem
schützend die Thore offne.
Das muß geschehn durch die Gemeinde Leipzigs selbst, es kann geschehen
°sue große Opfer, ja vielleicht ohne irgend ein anderes, als daß sie dnrch ihre
Autorität ein Schauspielunternehmen garantirt. Die letzten Verpachtnngsversuche
^d gemacht worden ohne jede Prüfung der künstlerischen Befähigung derer, welche
sich dazu gemeldet hatten, das ist für Leipzig eine Schmach, welche mit den stärk¬
en Ausdrücken getadelt werden muß; wer es mit der Kunst und dem Reuvmme
Stadt gut meint, hat die Verpflichtung dahin zu arbeiten, daß dergleichen
sich in Zukunft uicht wiederhole. Gestatten Sie mir deshalb den gegenwärtigen
Pachtznstand als ein Provisorium zu betrachten, und obgleich ich der Person des
öegenwärtigcu Pächters alles Gute gönne, so bin ich doch genöthigt in unserm
Interesse zu wünschen, daß er dies Gute irgend wo Anders erlebe, als hier in
^Pzig. Sollte also der Fall eintreten, daß das hiesige Theater über kurz oder
"ug pcichtsrei würde, so wird Ihre Erfahrung, lieber Freund, der Ansicht N,echt
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