Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.weil es ihm ein Zeichen des Interesses ist, welches seine Mitbürger an ihm neh¬ Es ist bei uns möglich gewesen, die classischen Stücke unsres Repertoirs bei Leipzig ist aber nicht nur seinen Einwohnern schuldig, auf ein gutes Theater weil es ihm ein Zeichen des Interesses ist, welches seine Mitbürger an ihm neh¬ Es ist bei uns möglich gewesen, die classischen Stücke unsres Repertoirs bei Leipzig ist aber nicht nur seinen Einwohnern schuldig, auf ein gutes Theater <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0388" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/278898"/> <p xml:id="ID_1232" prev="#ID_1231"> weil es ihm ein Zeichen des Interesses ist, welches seine Mitbürger an ihm neh¬<lb/> men. - Auch das letzte Jahr hat dieses Interesse an Kunst und Künstlern nicht<lb/> vermindert, denn Leipzig hat verhältnißmäßig wenig an Wohlstand und Haltung<lb/> verloren. Die letzten Barrikadenvorgänge mögen Ihnen ein Beweis sein, welche<lb/> rühmliche Ausnahme unsere gute Stadt gegenüber den leidenschaftlichen Siimmuu-<lb/> geu der Nachbarstädte macht. Es gibt keine Theaterstadt, welche fortan so sicher<lb/> vor Emeuten und gewaltsamen Ausbrüchen der Bolköwuth sein dürfte.</p><lb/> <p xml:id="ID_1233"> Es ist bei uns möglich gewesen, die classischen Stücke unsres Repertoirs bei<lb/> gefüllten Häusern und warmer Theilnahme des Publikums zu geben, neben seiner<lb/> Liebe zu musikalischen Aufführungen hat sich der Leipziger den Sinn für das reci-<lb/> tirende Schauspiel höhern Styls treu bewahrt. Ein solches Publikum, so treu<lb/> dem Theater, so warm auch sür die darstellenden Künstler, hat das Recht, ein<lb/> gutes Schauspiel zu fordern und die Pflicht gegen sich selbst und gegen die Kunst<lb/> ein solches zu erstreben. Der gegenwärtige Standpunkt des hiesigen Theaters<lb/> ist ein so ungenügender, daß Sie, mein Freund, mir jede Kritik erlassen werden.<lb/> Es ist hier nicht die Absicht anzuklagen, sondern ans das hinzuweisen, was uus<lb/> Noth thut. Möglich, daß in der Gegenwart, bei unsicheren Einnahmen und<lb/> zweifelhafter Zukunft mehr als gewöhnliche Energie dazu gehört, ein großes<lb/> Kunstinstitnt mit Ehren zu führen. Gewiß ist, daß die Aufführungen classischer<lb/> Stücke anch bei mäßigen Ansprüchen nicht mehr anzusehn sind, daß die ab¬<lb/> genutzten Reizmittel von Balletdarstellnngen und Gastspielen sehr wenig ge¬<lb/> eignet sind, ein Repertoir zu schaffen und daß die besseren unter den noch vor¬<lb/> handenen Künstlern durchaus keine Ursache haben, die Gegenwart auf Kosten der<lb/> Vergangenheit zu loben. Das Leipziger Theater ist aus dem Wege, eine Pro-<lb/> vinzialbühne im schlechtesten Sinne des Wortes zu werden. Billige Handwerker<lb/> werden an die Stelle von Künstlern treten, die Farce und das Spectakelstück wer¬<lb/> den gegenüber dem höhern Schauspiel eine höchst unbillige Ausdehnung erhalten<lb/> und der bessere Theil des Publikums wird sich dem Theater vollends entfrem¬<lb/> den. Es nutzt nichts, wenn unter solchen Umständen die Oper immer noch besser<lb/> bleibt, als das Schauspiel, denn bekanntlich bringen die vollen Häuser der Opern-<lb/> vvrstellnngen nur dann Segen in die Theaterkasse und Behagen in's Publikum,<lb/> wenn die Mehrzahl der Abende dnrch ein gutes Schauspiel gesichert ist, überall<lb/> wird das Renommee eines Theaters da, wo Schauspiel und Oper verbunden sind,<lb/> nach der Güte des erster» gemessen n»d endlich ist eine unbestreitbare Thatsache,<lb/> daß nichts verderblicher für die Kasse eines Directors und für den Muth der<lb/> Künstler ist, als wenn bei den Urtheilslosen die Ansicht überhand nimmt, daß die<lb/> Bühne nichts werth sei.</p><lb/> <p xml:id="ID_1234" next="#ID_1235"> Leipzig ist aber nicht nur seinen Einwohnern schuldig, auf ein gutes Theater<lb/> zu halten, sondern anch den Fremden, welche die Stadt besuchen. Eine Me߬<lb/> stadt, in welcher sich jährlich hunderttausende von Besuchern aufhalten, ein Heu-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0388]
weil es ihm ein Zeichen des Interesses ist, welches seine Mitbürger an ihm neh¬
men. - Auch das letzte Jahr hat dieses Interesse an Kunst und Künstlern nicht
vermindert, denn Leipzig hat verhältnißmäßig wenig an Wohlstand und Haltung
verloren. Die letzten Barrikadenvorgänge mögen Ihnen ein Beweis sein, welche
rühmliche Ausnahme unsere gute Stadt gegenüber den leidenschaftlichen Siimmuu-
geu der Nachbarstädte macht. Es gibt keine Theaterstadt, welche fortan so sicher
vor Emeuten und gewaltsamen Ausbrüchen der Bolköwuth sein dürfte.
Es ist bei uns möglich gewesen, die classischen Stücke unsres Repertoirs bei
gefüllten Häusern und warmer Theilnahme des Publikums zu geben, neben seiner
Liebe zu musikalischen Aufführungen hat sich der Leipziger den Sinn für das reci-
tirende Schauspiel höhern Styls treu bewahrt. Ein solches Publikum, so treu
dem Theater, so warm auch sür die darstellenden Künstler, hat das Recht, ein
gutes Schauspiel zu fordern und die Pflicht gegen sich selbst und gegen die Kunst
ein solches zu erstreben. Der gegenwärtige Standpunkt des hiesigen Theaters
ist ein so ungenügender, daß Sie, mein Freund, mir jede Kritik erlassen werden.
Es ist hier nicht die Absicht anzuklagen, sondern ans das hinzuweisen, was uus
Noth thut. Möglich, daß in der Gegenwart, bei unsicheren Einnahmen und
zweifelhafter Zukunft mehr als gewöhnliche Energie dazu gehört, ein großes
Kunstinstitnt mit Ehren zu führen. Gewiß ist, daß die Aufführungen classischer
Stücke anch bei mäßigen Ansprüchen nicht mehr anzusehn sind, daß die ab¬
genutzten Reizmittel von Balletdarstellnngen und Gastspielen sehr wenig ge¬
eignet sind, ein Repertoir zu schaffen und daß die besseren unter den noch vor¬
handenen Künstlern durchaus keine Ursache haben, die Gegenwart auf Kosten der
Vergangenheit zu loben. Das Leipziger Theater ist aus dem Wege, eine Pro-
vinzialbühne im schlechtesten Sinne des Wortes zu werden. Billige Handwerker
werden an die Stelle von Künstlern treten, die Farce und das Spectakelstück wer¬
den gegenüber dem höhern Schauspiel eine höchst unbillige Ausdehnung erhalten
und der bessere Theil des Publikums wird sich dem Theater vollends entfrem¬
den. Es nutzt nichts, wenn unter solchen Umständen die Oper immer noch besser
bleibt, als das Schauspiel, denn bekanntlich bringen die vollen Häuser der Opern-
vvrstellnngen nur dann Segen in die Theaterkasse und Behagen in's Publikum,
wenn die Mehrzahl der Abende dnrch ein gutes Schauspiel gesichert ist, überall
wird das Renommee eines Theaters da, wo Schauspiel und Oper verbunden sind,
nach der Güte des erster» gemessen n»d endlich ist eine unbestreitbare Thatsache,
daß nichts verderblicher für die Kasse eines Directors und für den Muth der
Künstler ist, als wenn bei den Urtheilslosen die Ansicht überhand nimmt, daß die
Bühne nichts werth sei.
Leipzig ist aber nicht nur seinen Einwohnern schuldig, auf ein gutes Theater
zu halten, sondern anch den Fremden, welche die Stadt besuchen. Eine Me߬
stadt, in welcher sich jährlich hunderttausende von Besuchern aufhalten, ein Heu-
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