Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band."Aber" -- meint der Lloyd -- "wo sollen wir denn Hilfe suchen, deren wir „Aber" — meint der Lloyd — „wo sollen wir denn Hilfe suchen, deren wir <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0258" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/278768"/> <p xml:id="ID_814" next="#ID_815"> „Aber" — meint der Lloyd — „wo sollen wir denn Hilfe suchen, deren wir<lb/> benöthigt sind? Preußen hat eine recht hübsche, nagelneue Konstitution, aber kein<lb/> Heer für uns. England genießt seit Jahrhunderten die Segnungen der Freiheit,<lb/> aber Lord Palmerston intriguirt gegen uns in Italien und wirb uns ganz gewiß<lb/> seine Hilfe in Ungarn nicht angedeihen lassen. Frankreich nennt sich anch frei,<lb/> aber es nennt sich nicht unsern Bundesgenossen. Wir wollten gerne auf die hun-<lb/> derttausend nuconstitutionellen russischen Truppen Verzicht leisten, wenn nur<lb/> unsere Nussenhasser uns hunderttausend Mann constitutioneller Truppen ir¬<lb/> gend einer andern Macht in's Feld stellen könnten, welche uns helfen würden,<lb/> die ungarische Insurrektion zu bekämpfen?" — Lloyd, Lloyd! du hast ein Wort<lb/> gesprochen, bittrer, kränkender, beschämender als alle Verlorne Schlachten, als<lb/> eine Verlorne Provinz. Also so weit ist es mit Oestreich gekommen, daß es bei<lb/> den freien Völkern Europas uicht Einen Freund mehr auszuweisen hat? — So<lb/> weit hat es die Politik dieses Ministeriums nach außen und seine Schreckensregie-<lb/> rnng im Innern gebracht, daß seine Organe eingestehen, wie uns der civilisirte<lb/> Westen von sich stößt, daß wir in die Arme der Barbarei im Osten taumeln?<lb/> Oestreich wollte sich an das Morgenroth im Westen anschließen, und die Negierung<lb/> aus Furcht für ihre pitoyable Existenz verkroch sich im Abenddämmerungsschein<lb/> des Ostens? Wohin soll ein solcher widerstrebender Kampf der Meinungen zwischen<lb/> Volk und Regierung führen? Ist das die gelobte Praktik? Uns schauert vor einer<lb/> solchen Politik, denn es ist keine Politik der Volksinteressen, es ist die unselige<lb/> Diplomatie der Kabinette, und diese verhält sich zur wahren Politik wie die Spitz¬<lb/> büberei des Augenblicks zur ewigen Vorsicht. Und wer hat uus so weit gebracht,<lb/> daß wir keine Freunde mehr im freien Europa haben? Das Volk? — Nie und<lb/> nimmermehr. Oestreichs Volk ist geliebt und geachtet in Europa vou unsern<lb/> äußersten Marken bis dort wo die Meereswellen ein freies Jnselland bespülen.<lb/> Oestreichs Revolutionen? — Nein, denn das Volk hat seinen biedern Charakter<lb/> bewährt, selbst nachdem sich der Mord in seine Reihen eingeschlichen hat, selbst<lb/> nachdem es der Wahnsinn bis auf die Spitze trieb. — Die Regierung hat uns<lb/> an den Rand des Abgrunds gebracht, durch ihre schlechtgewählteu Organe, durch<lb/> ihre Politik gegen Deutschland, durch ihre Ordonnanzen im Innern. Die Minister<lb/> haben zu Deutschland gesagt: constituire dich, wir wollen das gleiche thun, dann wollen<lb/> wir abrechnen. Deutschland hat sich constituirt und Oestreich h at mit ihm abgerech¬<lb/> net. Die Minister betrieben die Wahlen nach Frankfurt als es zu spät war, und<lb/> riefen sie zurück als es wieder zu spät war. Die Minister traten als Kandida¬<lb/> ten für den östreichischen Reichstag auf und jagten ihn 3 Tage darauf auseinander.<lb/> Die Minister gaben hierauf eine octroyirte Charte und müssen sich dazu versteh«,<lb/> sie schon theilweise zurückzunehmen. Die Minister geben ein Preß - ein Assozia-<lb/> tions- ein Gemeindegesetz und das östreichische Volk fragt starr vor Schmerz: Ist<lb/> das unsere Freiheit? — Unsere tapfern Truppen erkämpfen mit ihrem greifen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0258]
„Aber" — meint der Lloyd — „wo sollen wir denn Hilfe suchen, deren wir
benöthigt sind? Preußen hat eine recht hübsche, nagelneue Konstitution, aber kein
Heer für uns. England genießt seit Jahrhunderten die Segnungen der Freiheit,
aber Lord Palmerston intriguirt gegen uns in Italien und wirb uns ganz gewiß
seine Hilfe in Ungarn nicht angedeihen lassen. Frankreich nennt sich anch frei,
aber es nennt sich nicht unsern Bundesgenossen. Wir wollten gerne auf die hun-
derttausend nuconstitutionellen russischen Truppen Verzicht leisten, wenn nur
unsere Nussenhasser uns hunderttausend Mann constitutioneller Truppen ir¬
gend einer andern Macht in's Feld stellen könnten, welche uns helfen würden,
die ungarische Insurrektion zu bekämpfen?" — Lloyd, Lloyd! du hast ein Wort
gesprochen, bittrer, kränkender, beschämender als alle Verlorne Schlachten, als
eine Verlorne Provinz. Also so weit ist es mit Oestreich gekommen, daß es bei
den freien Völkern Europas uicht Einen Freund mehr auszuweisen hat? — So
weit hat es die Politik dieses Ministeriums nach außen und seine Schreckensregie-
rnng im Innern gebracht, daß seine Organe eingestehen, wie uns der civilisirte
Westen von sich stößt, daß wir in die Arme der Barbarei im Osten taumeln?
Oestreich wollte sich an das Morgenroth im Westen anschließen, und die Negierung
aus Furcht für ihre pitoyable Existenz verkroch sich im Abenddämmerungsschein
des Ostens? Wohin soll ein solcher widerstrebender Kampf der Meinungen zwischen
Volk und Regierung führen? Ist das die gelobte Praktik? Uns schauert vor einer
solchen Politik, denn es ist keine Politik der Volksinteressen, es ist die unselige
Diplomatie der Kabinette, und diese verhält sich zur wahren Politik wie die Spitz¬
büberei des Augenblicks zur ewigen Vorsicht. Und wer hat uus so weit gebracht,
daß wir keine Freunde mehr im freien Europa haben? Das Volk? — Nie und
nimmermehr. Oestreichs Volk ist geliebt und geachtet in Europa vou unsern
äußersten Marken bis dort wo die Meereswellen ein freies Jnselland bespülen.
Oestreichs Revolutionen? — Nein, denn das Volk hat seinen biedern Charakter
bewährt, selbst nachdem sich der Mord in seine Reihen eingeschlichen hat, selbst
nachdem es der Wahnsinn bis auf die Spitze trieb. — Die Regierung hat uns
an den Rand des Abgrunds gebracht, durch ihre schlechtgewählteu Organe, durch
ihre Politik gegen Deutschland, durch ihre Ordonnanzen im Innern. Die Minister
haben zu Deutschland gesagt: constituire dich, wir wollen das gleiche thun, dann wollen
wir abrechnen. Deutschland hat sich constituirt und Oestreich h at mit ihm abgerech¬
net. Die Minister betrieben die Wahlen nach Frankfurt als es zu spät war, und
riefen sie zurück als es wieder zu spät war. Die Minister traten als Kandida¬
ten für den östreichischen Reichstag auf und jagten ihn 3 Tage darauf auseinander.
Die Minister gaben hierauf eine octroyirte Charte und müssen sich dazu versteh«,
sie schon theilweise zurückzunehmen. Die Minister geben ein Preß - ein Assozia-
tions- ein Gemeindegesetz und das östreichische Volk fragt starr vor Schmerz: Ist
das unsere Freiheit? — Unsere tapfern Truppen erkämpfen mit ihrem greifen
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |