Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.Zukunft, darin sind wir sentimental. Wir würden ganz Europa in Bewegung Er fragt: "Liegt das Jahr 181!!, wo weißgekleidete Mädchen und Blumen Der Lloyd sagt ferner: "Unsere sentimentalen Politiker mögen keine Unter¬ G"n,tot"n. II. 18i!>. Z'j
Zukunft, darin sind wir sentimental. Wir würden ganz Europa in Bewegung Er fragt: „Liegt das Jahr 181!!, wo weißgekleidete Mädchen und Blumen Der Lloyd sagt ferner: „Unsere sentimentalen Politiker mögen keine Unter¬ G«n,tot«n. II. 18i!>. Z'j
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0257" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/278767"/> <p xml:id="ID_811" prev="#ID_810"> Zukunft, darin sind wir sentimental. Wir würden ganz Europa in Bewegung<lb/> setzen, um uns die Kosakenfreundschast zu ersparen, darin sind wir Wühler.<lb/> Wir tragen in uuserer hilflosen Lage unserer „starken" Regierung gegenüber un¬<lb/> sere Schrecken und unsre ungeheuern Besorgnisse vor den Nüssen offen zur<lb/> Schau; darin sind wir Heuler. Warum wir fürchten, wo der Lloyd hoffen<lb/> kann, das wollen wir in Kürze auseinandersetzen, und dabei den Leitartikeln des<lb/> Lloyd Schritt vor Schritt zu folgen trachte».</p><lb/> <p xml:id="ID_812"> Er fragt: „Liegt das Jahr 181!!, wo weißgekleidete Mädchen und Blumen<lb/> und Ehrenpforten und Ehrengeschenke .'c. ze. die Mitbefreier des deutschen Vol¬<lb/> kes freudig begrüßten, denn gar so weit hinter uns, daß wir bei dem Anblick<lb/> der Russen, welche unsere Väter mit Jubel begrüßen, vor Entsetzen außer uns<lb/> gerathen sollten?" — Darauf antworte» wir folgendes: Die Russen haben mit<lb/> uns gekämpft gegen Napoleon, sie haben mit uns gesiegt und haben sich den<lb/> Dank und deu Lohn selber geholt mit wucherischer Zinsen. Dem Wucherer aber<lb/> dankt kein Schuldner. Zwischen dem Jahre I8l3 und dem jetzigen liegt ein Jahr¬<lb/> tausend, und in diesem Jcchrtauseud steht verzeichnet: Der Wiener Congreß, die<lb/> Karlsbader Beschlüsse, die Münchergratzer, Teplitzer und Veroneser Verhandlun¬<lb/> gen, die Einverleibung Polens, die Katzenschliche in den Donaufürsteuthümern,<lb/> die Korrespondenzen Metternichs, ferner die großen Freiheitsbewegungen in Paris,<lb/> Wien, Berlin und Frankfurt, die Furcht und die Annäherung, die Freundschaft<lb/> und der Zwiespalt der beiden Großmächte in bunten Abwechselungen. Nicht auf<lb/> die Väter dürfen Sie sich berufen, welche jene Ehrenfeste in Wien gesehen haben.<lb/> Die Väter, die Greise sind's zumeist, welche die graue Staatsweisheit Rußlands<lb/> fürchten. Die Jugend Oestreichs fürchtet sie weniger; es gelüstet ihr seit Jah¬<lb/> ren, sich im offenen Felde mit ihr zu messen. Wenn daher von Furcht und Sen¬<lb/> timentalität hier die Rede ist, so trifft dieser Vorwurf das bedächtige Alter, wel-<lb/> ches viel erlebt hat, was es uicht wieder erleben will, uicht aber die Jugend,<lb/> die an der Spitze der Opposition steht und aufs Aeußerste gefaßt ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_813"> Der Lloyd sagt ferner: „Unsere sentimentalen Politiker mögen keine Unter¬<lb/> stützung von Nußland, weil der Selbstbeherrscher aller Neusten keine Konstitution<lb/> beschworen und seinem Volke keine politische Macht zugestanden hat." Wenn der<lb/> Haß des freien Oestreichs gegen den russischen Absolutismus blos die Eingebung<lb/> einer mordsüchtigen Sentimentalität ist, dann bei Gott ist auch die Liebe zur Frei¬<lb/> heit eine lächerliche Sentimentalität, wenn mau die Erhebung im März vorigen<lb/> Jahres die lächerlichste Comödie einer überspannten Burschenschaft nennt, dann haben<lb/> wir für eine sentimentale Position gelitten, gekämpft und geblutet, dann beschäfti¬<lb/> gen wir uus lieber mit der Züudhölzelfabrikatio», oder redigiren ministerielle<lb/> Journale. Vielleicht thut man uns dann die Ehre an uns praktisch zu nennen.<lb/> Liebe und Haß sind ja blos Empfindungen einer noch nicht petrificirten Men-<lb/> schenseele. Was soll's mit diesen Albernheiten? —</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> G«n,tot«n. II. 18i!>. Z'j</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0257]
Zukunft, darin sind wir sentimental. Wir würden ganz Europa in Bewegung
setzen, um uns die Kosakenfreundschast zu ersparen, darin sind wir Wühler.
Wir tragen in uuserer hilflosen Lage unserer „starken" Regierung gegenüber un¬
sere Schrecken und unsre ungeheuern Besorgnisse vor den Nüssen offen zur
Schau; darin sind wir Heuler. Warum wir fürchten, wo der Lloyd hoffen
kann, das wollen wir in Kürze auseinandersetzen, und dabei den Leitartikeln des
Lloyd Schritt vor Schritt zu folgen trachte».
Er fragt: „Liegt das Jahr 181!!, wo weißgekleidete Mädchen und Blumen
und Ehrenpforten und Ehrengeschenke .'c. ze. die Mitbefreier des deutschen Vol¬
kes freudig begrüßten, denn gar so weit hinter uns, daß wir bei dem Anblick
der Russen, welche unsere Väter mit Jubel begrüßen, vor Entsetzen außer uns
gerathen sollten?" — Darauf antworte» wir folgendes: Die Russen haben mit
uns gekämpft gegen Napoleon, sie haben mit uns gesiegt und haben sich den
Dank und deu Lohn selber geholt mit wucherischer Zinsen. Dem Wucherer aber
dankt kein Schuldner. Zwischen dem Jahre I8l3 und dem jetzigen liegt ein Jahr¬
tausend, und in diesem Jcchrtauseud steht verzeichnet: Der Wiener Congreß, die
Karlsbader Beschlüsse, die Münchergratzer, Teplitzer und Veroneser Verhandlun¬
gen, die Einverleibung Polens, die Katzenschliche in den Donaufürsteuthümern,
die Korrespondenzen Metternichs, ferner die großen Freiheitsbewegungen in Paris,
Wien, Berlin und Frankfurt, die Furcht und die Annäherung, die Freundschaft
und der Zwiespalt der beiden Großmächte in bunten Abwechselungen. Nicht auf
die Väter dürfen Sie sich berufen, welche jene Ehrenfeste in Wien gesehen haben.
Die Väter, die Greise sind's zumeist, welche die graue Staatsweisheit Rußlands
fürchten. Die Jugend Oestreichs fürchtet sie weniger; es gelüstet ihr seit Jah¬
ren, sich im offenen Felde mit ihr zu messen. Wenn daher von Furcht und Sen¬
timentalität hier die Rede ist, so trifft dieser Vorwurf das bedächtige Alter, wel-
ches viel erlebt hat, was es uicht wieder erleben will, uicht aber die Jugend,
die an der Spitze der Opposition steht und aufs Aeußerste gefaßt ist.
Der Lloyd sagt ferner: „Unsere sentimentalen Politiker mögen keine Unter¬
stützung von Nußland, weil der Selbstbeherrscher aller Neusten keine Konstitution
beschworen und seinem Volke keine politische Macht zugestanden hat." Wenn der
Haß des freien Oestreichs gegen den russischen Absolutismus blos die Eingebung
einer mordsüchtigen Sentimentalität ist, dann bei Gott ist auch die Liebe zur Frei¬
heit eine lächerliche Sentimentalität, wenn mau die Erhebung im März vorigen
Jahres die lächerlichste Comödie einer überspannten Burschenschaft nennt, dann haben
wir für eine sentimentale Position gelitten, gekämpft und geblutet, dann beschäfti¬
gen wir uus lieber mit der Züudhölzelfabrikatio», oder redigiren ministerielle
Journale. Vielleicht thut man uns dann die Ehre an uns praktisch zu nennen.
Liebe und Haß sind ja blos Empfindungen einer noch nicht petrificirten Men-
schenseele. Was soll's mit diesen Albernheiten? —
G«n,tot«n. II. 18i!>. Z'j
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