Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.1847 (!) die Vorzugsclassen gewonnen hatten. Der Zweck war klar; es galt, die Weit entfernt also, ein Freund oder Bewunderer Stadion's zu sein, stellt Vor 14 Tagen mußte sich Stadion, wegen "geschwächter Gesundheit," auf Das Unglück gereicht in meinen Augen dem Grafen Stadion zur Ehre. Stadion soll sich gegen die russische Intervention bis zum letzten Augenblick 1847 (!) die Vorzugsclassen gewonnen hatten. Der Zweck war klar; es galt, die Weit entfernt also, ein Freund oder Bewunderer Stadion's zu sein, stellt Vor 14 Tagen mußte sich Stadion, wegen „geschwächter Gesundheit," auf Das Unglück gereicht in meinen Augen dem Grafen Stadion zur Ehre. Stadion soll sich gegen die russische Intervention bis zum letzten Augenblick <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0216" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/278726"/> <p xml:id="ID_664" prev="#ID_663"> 1847 (!) die Vorzugsclassen gewonnen hatten. Der Zweck war klar; es galt, die<lb/> Studentenwelt von „böswilligen Elementen" zu säubern. Folgerecht handelte darin<lb/> eine Regierung, welche in Galizien und Italien die gebildeten Stände gewißermassen<lb/> außer dem Gesetz erklärt und uur die Kinder Szela's als gute Oestreicher anerkennt,<lb/> weil sie keine Bücher lesen, weder am hellen Tage noch in heimlichen Nächten.<lb/> Aber die bnchstabentrene Tücke, mit der das Princip der Gleichheit Aller vor dem<lb/> Gesetz in diesem Falle ausgelegt wurde, hätte Ehrenshylock Ehre gemacht. Die<lb/> Gleichheit Aller und die vormärzlichen Vorzugsclasseu! Und daß die Anwendung<lb/> des Princips der Gleichheit eine entsprechende Reorganisation des Heerwesens und<lb/> des militärischen Strafcvdex voraussetzte, sollte vor lauter Patriotismus über¬<lb/> sehen werden. Um diesem willkürliche» Treiben die Krone aufzusetzen, behandelte<lb/> man die Armee als Strafanstalt und steckte verheiratete Journalisten, mit Um¬<lb/> gehung aller Gesetze, Gerichte und selbst der Conscriptionsformen, als gemeine<lb/> Soldaten in den weißen Kittel. Und was sind diese Details gegen die ministe¬<lb/> rielle Politik im Großen und Ganzen!</p><lb/> <p xml:id="ID_665"> Weit entfernt also, ein Freund oder Bewunderer Stadion's zu sein, stellt<lb/> ich ihn doch bergehoch über seine Mitschuldigen. Er hat seine Thaten gebüßt, in¬<lb/> dem er an Oestreich zu Grunde ging. Mit ihm ist die Seele des Cabinets dahin.<lb/> So lange Bach und Schwarzenberg regieren, gibt es sür ihn keinen Ersatzmann,<lb/> — außer man nähme einen alten Jünger der Metternich - Nesselrode'schen Schule,<lb/> wie Ficquelmont.</p><lb/> <p xml:id="ID_666"> Vor 14 Tagen mußte sich Stadion, wegen „geschwächter Gesundheit," auf<lb/> das Land zurückziehen. Finstere Gerüchte durchliefen die Stadt. Heute sind sie<lb/> bestätigt. Stadion hat sich überarbeitet, indem er am Ruin Oestreichs arbeitete.<lb/> Er ist geistesabwesend geworden. Dieselbe Finsterniß, welche Schwarzen¬<lb/> berg über die Welt heraufbeschwören möchte, — dieselbe Nacht, welche Lenau,<lb/> Hölderlin und andere Söhne der funfzigjährigen deutschen Dämmerung ergriffen<lb/> hat — umhüllt die Sinne des ersten Fahnenträgers eines eisernen einheitlichen<lb/> Oestreich. Vor so tragischer Nemesis verstummt der rückblickende Tadel, nur kleine<lb/> Geister können sie schadenfroh belächeln.</p><lb/> <p xml:id="ID_667"> Das Unglück gereicht in meinen Augen dem Grafen Stadion zur Ehre.<lb/> Schwarzenberg und Bach sind vor ähnlichem Loos gesichert. Jener hat keinen<lb/> Verstand zu verlieren, dieser — jetzt ein Hof- wie früher ein Pöbelschmeichler<lb/> hat zu wenig Herz und Gewissen, um über sein Vaterland verrückt zu werden.<lb/> Wenn es heut in Trümmer stürzt, wird er — gleich dem Stoiker des Horaz<lb/> die Fassung nicht verlieren und sich uuter den Ruinen — nicht begraben lassen.</p><lb/> <p xml:id="ID_668" next="#ID_669"> Stadion soll sich gegen die russische Intervention bis zum letzten Augenblick<lb/> gesträubt haben. Sie ist der Lieblingsgedanke Bachs und Schwarzenbergs, die z»<lb/> einer Zeit, wo der magyarische Hannibal noch nicht, vor den Thoren stand, sie</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0216]
1847 (!) die Vorzugsclassen gewonnen hatten. Der Zweck war klar; es galt, die
Studentenwelt von „böswilligen Elementen" zu säubern. Folgerecht handelte darin
eine Regierung, welche in Galizien und Italien die gebildeten Stände gewißermassen
außer dem Gesetz erklärt und uur die Kinder Szela's als gute Oestreicher anerkennt,
weil sie keine Bücher lesen, weder am hellen Tage noch in heimlichen Nächten.
Aber die bnchstabentrene Tücke, mit der das Princip der Gleichheit Aller vor dem
Gesetz in diesem Falle ausgelegt wurde, hätte Ehrenshylock Ehre gemacht. Die
Gleichheit Aller und die vormärzlichen Vorzugsclasseu! Und daß die Anwendung
des Princips der Gleichheit eine entsprechende Reorganisation des Heerwesens und
des militärischen Strafcvdex voraussetzte, sollte vor lauter Patriotismus über¬
sehen werden. Um diesem willkürliche» Treiben die Krone aufzusetzen, behandelte
man die Armee als Strafanstalt und steckte verheiratete Journalisten, mit Um¬
gehung aller Gesetze, Gerichte und selbst der Conscriptionsformen, als gemeine
Soldaten in den weißen Kittel. Und was sind diese Details gegen die ministe¬
rielle Politik im Großen und Ganzen!
Weit entfernt also, ein Freund oder Bewunderer Stadion's zu sein, stellt
ich ihn doch bergehoch über seine Mitschuldigen. Er hat seine Thaten gebüßt, in¬
dem er an Oestreich zu Grunde ging. Mit ihm ist die Seele des Cabinets dahin.
So lange Bach und Schwarzenberg regieren, gibt es sür ihn keinen Ersatzmann,
— außer man nähme einen alten Jünger der Metternich - Nesselrode'schen Schule,
wie Ficquelmont.
Vor 14 Tagen mußte sich Stadion, wegen „geschwächter Gesundheit," auf
das Land zurückziehen. Finstere Gerüchte durchliefen die Stadt. Heute sind sie
bestätigt. Stadion hat sich überarbeitet, indem er am Ruin Oestreichs arbeitete.
Er ist geistesabwesend geworden. Dieselbe Finsterniß, welche Schwarzen¬
berg über die Welt heraufbeschwören möchte, — dieselbe Nacht, welche Lenau,
Hölderlin und andere Söhne der funfzigjährigen deutschen Dämmerung ergriffen
hat — umhüllt die Sinne des ersten Fahnenträgers eines eisernen einheitlichen
Oestreich. Vor so tragischer Nemesis verstummt der rückblickende Tadel, nur kleine
Geister können sie schadenfroh belächeln.
Das Unglück gereicht in meinen Augen dem Grafen Stadion zur Ehre.
Schwarzenberg und Bach sind vor ähnlichem Loos gesichert. Jener hat keinen
Verstand zu verlieren, dieser — jetzt ein Hof- wie früher ein Pöbelschmeichler
hat zu wenig Herz und Gewissen, um über sein Vaterland verrückt zu werden.
Wenn es heut in Trümmer stürzt, wird er — gleich dem Stoiker des Horaz
die Fassung nicht verlieren und sich uuter den Ruinen — nicht begraben lassen.
Stadion soll sich gegen die russische Intervention bis zum letzten Augenblick
gesträubt haben. Sie ist der Lieblingsgedanke Bachs und Schwarzenbergs, die z»
einer Zeit, wo der magyarische Hannibal noch nicht, vor den Thoren stand, sie
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |