Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

vorbereiteten und bei den Haaren herbeizogen. Von den Winken, welche hoch¬
gestellte Offiziere darüber fallen ließen, will ich Nichts erwähnen. Es gab andere
und ehrenvollere Auswege. Sie wollten durchaus von Rußland gerettet werden,
^- um für die Zukunft von den Verpflichtungen gegen Petersburg einen Vorwand
und einen Popanz gegen das Volk zu haben.

Vier russische Heersäulen -- 100,000 Mann im Ganzen -- fallen durch die
Bukowina, die Wallachei, Galizien und Schlesien in Ungarn ein. Die letztere
wird den Goldknanf des Stcphansdomes mit einem dreimaligen Hurrah begrüßen.

Soll ich von dem Eindruck sprechen, den diese Katastrophe in Wien macht?
Die "Gutgesinnten" begrüßen das "Hilf Samiel!" des Cabinets mit wiehernden
Vravos! Ihnen scheint jede russische Kugel gefeit, die Ehrfurcht vor das Auto-
^alors politischer Allmacht im Innern seines Reiches übertragen sie abergläubisch
"uf die russischen Waffen. Die schwärmerische Jugend baut auf die Verwandt¬
schaft der magyarischen Pußta mit der russischen Steppe, sie sieht im Geiste schon
^n Waldbrand durch Podolien, Volhynien, Lithauen und Polen stammen, die
russischen Schergen zwischen zwei Feuern unter dem Sturmgeläute von ganz En-
"vpa erliegen. -- Ach, wenn ein Wunder geschähe, in dieser lendenlahmen Zeit! --

An Oestreichs lymmerische Zukunft denken weder die Einen noch die Andern,
dreimal wurde binnen Jahresfrist die Rettung der Monarchie verkündet. Ra-
war der erste Heiland, die Kroatenarmee im November der zweite, Rußland
^'ne als der dritte auf. Mit dürren Worten spricht ein halboffizielles Blatt es
^'s: "Die hereinbrechende Zerstörung der Monarchie" wird durch die Moskowiter
gewendet werden. Nicolaus und seine Kinder und Kindskinder werden diese
^^'te mit goldener Schrift über ihren Thronhimmel schreiben.

Mich erinnert die dritte Rettung an den Schlagfluß, der zum drittenmal
^belles ist, ^ ^ Moschus, der dem Fieberkranken in den letzten Zügen und ge¬
wöhnlich zu srM gereicht wird. Die Loose mögen fallen wie sie wollen: fahr' hin,
^reichischer Stolz und östreichische Ehre! Lebe wohl, majestätische Donau! Die
T^ugolen werden deine Ufer beherrschen. Der Doppelaar und der einköpsige
^ier si,es solidarisch geworden. In Galizien, Ungarn, Bukowina, Kroatien,
Serbien und Dalmatien wird künftig der Russe sein Wort einlegen, neben dem
estreicher. Wird der Czar nicht Secrs vor neuem Untergang im Voraus bewcch-
müssen, was er im October 184" nicht umsonst gerettet haben will? Auch
entschöstveich wird den Eiöwind spüren, so oft er sein väterliches Herz öffnet.
ein Schwert ist ja gegen die "europäische Anarchie" überhaupt gezückt.

Flehend streckt Deutschöstreich seine Arme über die schivarzgelben Schranken
"ud ruft den Deutschen zu: Rettet euch um enret- und unsertwillen. Donnert es^


"nzbott". II. ,"jg.

vorbereiteten und bei den Haaren herbeizogen. Von den Winken, welche hoch¬
gestellte Offiziere darüber fallen ließen, will ich Nichts erwähnen. Es gab andere
und ehrenvollere Auswege. Sie wollten durchaus von Rußland gerettet werden,
^- um für die Zukunft von den Verpflichtungen gegen Petersburg einen Vorwand
und einen Popanz gegen das Volk zu haben.

Vier russische Heersäulen — 100,000 Mann im Ganzen — fallen durch die
Bukowina, die Wallachei, Galizien und Schlesien in Ungarn ein. Die letztere
wird den Goldknanf des Stcphansdomes mit einem dreimaligen Hurrah begrüßen.

Soll ich von dem Eindruck sprechen, den diese Katastrophe in Wien macht?
Die „Gutgesinnten" begrüßen das „Hilf Samiel!" des Cabinets mit wiehernden
Vravos! Ihnen scheint jede russische Kugel gefeit, die Ehrfurcht vor das Auto-
^alors politischer Allmacht im Innern seines Reiches übertragen sie abergläubisch
"uf die russischen Waffen. Die schwärmerische Jugend baut auf die Verwandt¬
schaft der magyarischen Pußta mit der russischen Steppe, sie sieht im Geiste schon
^n Waldbrand durch Podolien, Volhynien, Lithauen und Polen stammen, die
russischen Schergen zwischen zwei Feuern unter dem Sturmgeläute von ganz En-
"vpa erliegen. — Ach, wenn ein Wunder geschähe, in dieser lendenlahmen Zeit! —

An Oestreichs lymmerische Zukunft denken weder die Einen noch die Andern,
dreimal wurde binnen Jahresfrist die Rettung der Monarchie verkündet. Ra-
war der erste Heiland, die Kroatenarmee im November der zweite, Rußland
^'ne als der dritte auf. Mit dürren Worten spricht ein halboffizielles Blatt es
^'s: „Die hereinbrechende Zerstörung der Monarchie" wird durch die Moskowiter
gewendet werden. Nicolaus und seine Kinder und Kindskinder werden diese
^^'te mit goldener Schrift über ihren Thronhimmel schreiben.

Mich erinnert die dritte Rettung an den Schlagfluß, der zum drittenmal
^belles ist, ^ ^ Moschus, der dem Fieberkranken in den letzten Zügen und ge¬
wöhnlich zu srM gereicht wird. Die Loose mögen fallen wie sie wollen: fahr' hin,
^reichischer Stolz und östreichische Ehre! Lebe wohl, majestätische Donau! Die
T^ugolen werden deine Ufer beherrschen. Der Doppelaar und der einköpsige
^ier si,es solidarisch geworden. In Galizien, Ungarn, Bukowina, Kroatien,
Serbien und Dalmatien wird künftig der Russe sein Wort einlegen, neben dem
estreicher. Wird der Czar nicht Secrs vor neuem Untergang im Voraus bewcch-
müssen, was er im October 184» nicht umsonst gerettet haben will? Auch
entschöstveich wird den Eiöwind spüren, so oft er sein väterliches Herz öffnet.
ein Schwert ist ja gegen die „europäische Anarchie" überhaupt gezückt.

Flehend streckt Deutschöstreich seine Arme über die schivarzgelben Schranken
"ud ruft den Deutschen zu: Rettet euch um enret- und unsertwillen. Donnert es^


«nzbott». II. ,«jg.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0217" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/278727"/>
            <p xml:id="ID_669" prev="#ID_668"> vorbereiteten und bei den Haaren herbeizogen. Von den Winken, welche hoch¬<lb/>
gestellte Offiziere darüber fallen ließen, will ich Nichts erwähnen. Es gab andere<lb/>
und ehrenvollere Auswege. Sie wollten durchaus von Rußland gerettet werden,<lb/>
^- um für die Zukunft von den Verpflichtungen gegen Petersburg einen Vorwand<lb/>
und einen Popanz gegen das Volk zu haben.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_670"> Vier russische Heersäulen &#x2014; 100,000 Mann im Ganzen &#x2014; fallen durch die<lb/>
Bukowina, die Wallachei, Galizien und Schlesien in Ungarn ein. Die letztere<lb/>
wird den Goldknanf des Stcphansdomes mit einem dreimaligen Hurrah begrüßen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_671"> Soll ich von dem Eindruck sprechen, den diese Katastrophe in Wien macht?<lb/>
Die &#x201E;Gutgesinnten" begrüßen das &#x201E;Hilf Samiel!" des Cabinets mit wiehernden<lb/>
Vravos! Ihnen scheint jede russische Kugel gefeit, die Ehrfurcht vor das Auto-<lb/>
^alors politischer Allmacht im Innern seines Reiches übertragen sie abergläubisch<lb/>
"uf die russischen Waffen. Die schwärmerische Jugend baut auf die Verwandt¬<lb/>
schaft der magyarischen Pußta mit der russischen Steppe, sie sieht im Geiste schon<lb/>
^n Waldbrand durch Podolien, Volhynien, Lithauen und Polen stammen, die<lb/>
russischen Schergen zwischen zwei Feuern unter dem Sturmgeläute von ganz En-<lb/>
"vpa erliegen. &#x2014; Ach, wenn ein Wunder geschähe, in dieser lendenlahmen Zeit! &#x2014;</p><lb/>
            <p xml:id="ID_672"> An Oestreichs lymmerische Zukunft denken weder die Einen noch die Andern,<lb/>
dreimal wurde binnen Jahresfrist die Rettung der Monarchie verkündet. Ra-<lb/>
war der erste Heiland, die Kroatenarmee im November der zweite, Rußland<lb/>
^'ne als der dritte auf. Mit dürren Worten spricht ein halboffizielles Blatt es<lb/>
^'s: &#x201E;Die hereinbrechende Zerstörung der Monarchie" wird durch die Moskowiter<lb/>
gewendet werden. Nicolaus und seine Kinder und Kindskinder werden diese<lb/>
^^'te mit goldener Schrift über ihren Thronhimmel schreiben.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_673"> Mich erinnert die dritte Rettung an den Schlagfluß, der zum drittenmal<lb/>
^belles ist, ^ ^ Moschus, der dem Fieberkranken in den letzten Zügen und ge¬<lb/>
wöhnlich zu srM gereicht wird. Die Loose mögen fallen wie sie wollen: fahr' hin,<lb/>
^reichischer Stolz und östreichische Ehre! Lebe wohl, majestätische Donau! Die<lb/>
T^ugolen werden deine Ufer beherrschen. Der Doppelaar und der einköpsige<lb/>
^ier si,es solidarisch geworden. In Galizien, Ungarn, Bukowina, Kroatien,<lb/>
Serbien und Dalmatien wird künftig der Russe sein Wort einlegen, neben dem<lb/>
estreicher. Wird der Czar nicht Secrs vor neuem Untergang im Voraus bewcch-<lb/>
müssen, was er im October 184» nicht umsonst gerettet haben will? Auch<lb/>
entschöstveich wird den Eiöwind spüren, so oft er sein väterliches Herz öffnet.<lb/>
ein Schwert ist ja gegen die &#x201E;europäische Anarchie" überhaupt gezückt.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_674" next="#ID_675"> Flehend streckt Deutschöstreich seine Arme über die schivarzgelben Schranken<lb/>
"ud ruft den Deutschen zu: Rettet euch um enret- und unsertwillen. Donnert es^</p><lb/>
            <fw type="sig" place="bottom"> «nzbott». II. ,«jg.</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0217] vorbereiteten und bei den Haaren herbeizogen. Von den Winken, welche hoch¬ gestellte Offiziere darüber fallen ließen, will ich Nichts erwähnen. Es gab andere und ehrenvollere Auswege. Sie wollten durchaus von Rußland gerettet werden, ^- um für die Zukunft von den Verpflichtungen gegen Petersburg einen Vorwand und einen Popanz gegen das Volk zu haben. Vier russische Heersäulen — 100,000 Mann im Ganzen — fallen durch die Bukowina, die Wallachei, Galizien und Schlesien in Ungarn ein. Die letztere wird den Goldknanf des Stcphansdomes mit einem dreimaligen Hurrah begrüßen. Soll ich von dem Eindruck sprechen, den diese Katastrophe in Wien macht? Die „Gutgesinnten" begrüßen das „Hilf Samiel!" des Cabinets mit wiehernden Vravos! Ihnen scheint jede russische Kugel gefeit, die Ehrfurcht vor das Auto- ^alors politischer Allmacht im Innern seines Reiches übertragen sie abergläubisch "uf die russischen Waffen. Die schwärmerische Jugend baut auf die Verwandt¬ schaft der magyarischen Pußta mit der russischen Steppe, sie sieht im Geiste schon ^n Waldbrand durch Podolien, Volhynien, Lithauen und Polen stammen, die russischen Schergen zwischen zwei Feuern unter dem Sturmgeläute von ganz En- "vpa erliegen. — Ach, wenn ein Wunder geschähe, in dieser lendenlahmen Zeit! — An Oestreichs lymmerische Zukunft denken weder die Einen noch die Andern, dreimal wurde binnen Jahresfrist die Rettung der Monarchie verkündet. Ra- war der erste Heiland, die Kroatenarmee im November der zweite, Rußland ^'ne als der dritte auf. Mit dürren Worten spricht ein halboffizielles Blatt es ^'s: „Die hereinbrechende Zerstörung der Monarchie" wird durch die Moskowiter gewendet werden. Nicolaus und seine Kinder und Kindskinder werden diese ^^'te mit goldener Schrift über ihren Thronhimmel schreiben. Mich erinnert die dritte Rettung an den Schlagfluß, der zum drittenmal ^belles ist, ^ ^ Moschus, der dem Fieberkranken in den letzten Zügen und ge¬ wöhnlich zu srM gereicht wird. Die Loose mögen fallen wie sie wollen: fahr' hin, ^reichischer Stolz und östreichische Ehre! Lebe wohl, majestätische Donau! Die T^ugolen werden deine Ufer beherrschen. Der Doppelaar und der einköpsige ^ier si,es solidarisch geworden. In Galizien, Ungarn, Bukowina, Kroatien, Serbien und Dalmatien wird künftig der Russe sein Wort einlegen, neben dem estreicher. Wird der Czar nicht Secrs vor neuem Untergang im Voraus bewcch- müssen, was er im October 184» nicht umsonst gerettet haben will? Auch entschöstveich wird den Eiöwind spüren, so oft er sein väterliches Herz öffnet. ein Schwert ist ja gegen die „europäische Anarchie" überhaupt gezückt. Flehend streckt Deutschöstreich seine Arme über die schivarzgelben Schranken "ud ruft den Deutschen zu: Rettet euch um enret- und unsertwillen. Donnert es^ «nzbott». II. ,«jg.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_278509
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_278509/217
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_278509/217>, abgerufen am 15.01.2025.