Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.Angelegenheit zur Entscheidung kommt. Für den Augenblick sieht es freilich be¬ Nachdem nämlich das Frankfurter Parlament feierlich erklärt hat, von der Der Gegensatz tritt um so schärfer auf, weil er nicht blos in Preußen be¬ Wir wollen zunächst die Rechtsfrage berühren, obgleich in Zeiten, wo die Auf der einen Seite steht die Nationalversammlung, welche behauptet, sie Darin kann zweierlei liegen. Entweder meinen die Regierungen, es.stehe Angelegenheit zur Entscheidung kommt. Für den Augenblick sieht es freilich be¬ Nachdem nämlich das Frankfurter Parlament feierlich erklärt hat, von der Der Gegensatz tritt um so schärfer auf, weil er nicht blos in Preußen be¬ Wir wollen zunächst die Rechtsfrage berühren, obgleich in Zeiten, wo die Auf der einen Seite steht die Nationalversammlung, welche behauptet, sie Darin kann zweierlei liegen. Entweder meinen die Regierungen, es.stehe <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0196" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/278706"/> <p xml:id="ID_584" prev="#ID_583"> Angelegenheit zur Entscheidung kommt. Für den Augenblick sieht es freilich be¬<lb/> denklich aus und es hätte einen mehr dramatischen Effect gemacht, wenn Preußen<lb/> in der Lage gewesen wäre, mit kühnem Geist die Krone in die Hand zu nehmen,<lb/> die ihm die historische Nothwendigkeit entgegenführte. Allein es mochte was immer<lb/> sür ein Ministerium die Geschäfte führen, so weit sind wir im constitu-<lb/> tionellen Leben noch nicht, daß man die Person des Königs von der Regierung<lb/> trennen könnte und wenn wir diese Person auch nicht einer unparlamentarischen<lb/> Kritik unterwerfen wollen, so dürfen wir doch so viel sagen, daß sie der classische<lb/> Ausdruck einer Bildung und einer sittlichen Anschauung ist, die mit dem moder¬<lb/> nen Staatsprincip keine Vereinbarung zuläßt, so lauge nicht die äußerlichen Ver¬<lb/> hältnisse der Art siud, daß auf die Persönlichkeit nichts mehr ankommt. So weit<lb/> sind wir, wie gesagt uoch nicht und darum ist es gut, daß es jetzt zu einer prin¬<lb/> cipiellen Entscheidung kommt, in einem Augenblick, wo die Entscheidung uoch in<lb/> die Hände der Vernunft gelegt werden kann.</p><lb/> <p xml:id="ID_585"> Nachdem nämlich das Frankfurter Parlament feierlich erklärt hat, von der<lb/> Verfassung in keinem Punkt abzugehen; nachdem ferner das Ministerium Bran¬<lb/> denburg eben so bestimmt ausgesprochen hat, die Verfassung, wie sie da ist, uicht<lb/> anzunehmen, handelt es sich sür jeden Deutschen und namentlich sür jeden Preu¬<lb/> ßen, darum, sich klar zu machen, auf welche Seite er sich in diesem, durch keine<lb/> Vermittelung zu lösenden Conflict zu stellen hat, ans die Seite des Königs oder<lb/> auf die Seite des Parlaments? Wobei es sich von selbst versteht, daß der<lb/> letztere nur von dem rox initio iiiloi-mutus an den rex melius iiilormsuclus<lb/> appellirt, um das Princip nicht zu verletzen.</p><lb/> <p xml:id="ID_586"> Der Gegensatz tritt um so schärfer auf, weil er nicht blos in Preußen be¬<lb/> steht, weil er in Sachsen und Würtemberg sich bereits in der nämlichen Schärfe<lb/> ausgesprochen hat, weil er in Baiern und Hannover nur darum noch nicht zum<lb/> Ausbruch gekommen ist, weil die Negierung den Ständen ans eine höchstbedenk¬<lb/> liche Weise den Mund verschlossen hat.</p><lb/> <p xml:id="ID_587"> Wir wollen zunächst die Rechtsfrage berühren, obgleich in Zeiten, wo die<lb/> staatsrechtlichen Begriffe sich so ans den Kopf gestellt haben, wie im vorigen Jahr,<lb/> das eine ziemlich müßige Frage ist. Das Recht des Buchstabens schwindet vor<lb/> der hohem politischen Nothwendigkeit.</p><lb/> <p xml:id="ID_588"> Auf der einen Seite steht die Nationalversammlung, welche behauptet, sie<lb/> sei einzig und allein berufen, die Verfassung für Deutschland endgiltig festzustellen.<lb/> Sie stützt sich theils auf ihre eigene Erklärung, theils aus die Ansicht des revolu¬<lb/> tionären Vorparlaments — beides sehr schwache Rechtsgründe! Auf der andern<lb/> die Regierungen, welche kraft ihrer angeblichen Souveränität behaupten, es stände<lb/> ihnen zu, sich mit der verfassunggebenden Versammlung einerseits, unter einander<lb/> andererseits, über die neue Reichsverfassung zu vereinbaren.</p><lb/> <p xml:id="ID_589" next="#ID_590"> Darin kann zweierlei liegen. Entweder meinen die Regierungen, es.stehe</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0196]
Angelegenheit zur Entscheidung kommt. Für den Augenblick sieht es freilich be¬
denklich aus und es hätte einen mehr dramatischen Effect gemacht, wenn Preußen
in der Lage gewesen wäre, mit kühnem Geist die Krone in die Hand zu nehmen,
die ihm die historische Nothwendigkeit entgegenführte. Allein es mochte was immer
sür ein Ministerium die Geschäfte führen, so weit sind wir im constitu-
tionellen Leben noch nicht, daß man die Person des Königs von der Regierung
trennen könnte und wenn wir diese Person auch nicht einer unparlamentarischen
Kritik unterwerfen wollen, so dürfen wir doch so viel sagen, daß sie der classische
Ausdruck einer Bildung und einer sittlichen Anschauung ist, die mit dem moder¬
nen Staatsprincip keine Vereinbarung zuläßt, so lauge nicht die äußerlichen Ver¬
hältnisse der Art siud, daß auf die Persönlichkeit nichts mehr ankommt. So weit
sind wir, wie gesagt uoch nicht und darum ist es gut, daß es jetzt zu einer prin¬
cipiellen Entscheidung kommt, in einem Augenblick, wo die Entscheidung uoch in
die Hände der Vernunft gelegt werden kann.
Nachdem nämlich das Frankfurter Parlament feierlich erklärt hat, von der
Verfassung in keinem Punkt abzugehen; nachdem ferner das Ministerium Bran¬
denburg eben so bestimmt ausgesprochen hat, die Verfassung, wie sie da ist, uicht
anzunehmen, handelt es sich sür jeden Deutschen und namentlich sür jeden Preu¬
ßen, darum, sich klar zu machen, auf welche Seite er sich in diesem, durch keine
Vermittelung zu lösenden Conflict zu stellen hat, ans die Seite des Königs oder
auf die Seite des Parlaments? Wobei es sich von selbst versteht, daß der
letztere nur von dem rox initio iiiloi-mutus an den rex melius iiilormsuclus
appellirt, um das Princip nicht zu verletzen.
Der Gegensatz tritt um so schärfer auf, weil er nicht blos in Preußen be¬
steht, weil er in Sachsen und Würtemberg sich bereits in der nämlichen Schärfe
ausgesprochen hat, weil er in Baiern und Hannover nur darum noch nicht zum
Ausbruch gekommen ist, weil die Negierung den Ständen ans eine höchstbedenk¬
liche Weise den Mund verschlossen hat.
Wir wollen zunächst die Rechtsfrage berühren, obgleich in Zeiten, wo die
staatsrechtlichen Begriffe sich so ans den Kopf gestellt haben, wie im vorigen Jahr,
das eine ziemlich müßige Frage ist. Das Recht des Buchstabens schwindet vor
der hohem politischen Nothwendigkeit.
Auf der einen Seite steht die Nationalversammlung, welche behauptet, sie
sei einzig und allein berufen, die Verfassung für Deutschland endgiltig festzustellen.
Sie stützt sich theils auf ihre eigene Erklärung, theils aus die Ansicht des revolu¬
tionären Vorparlaments — beides sehr schwache Rechtsgründe! Auf der andern
die Regierungen, welche kraft ihrer angeblichen Souveränität behaupten, es stände
ihnen zu, sich mit der verfassunggebenden Versammlung einerseits, unter einander
andererseits, über die neue Reichsverfassung zu vereinbaren.
Darin kann zweierlei liegen. Entweder meinen die Regierungen, es.stehe
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