Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.gekehrt war*) kam die unselige, verhängnißvolle Pfingstwoche herbei. In dieser "Die serbische Nation" -- schreibt der greise Kirchenfürst -- "hat nicht an *) Die serbische Deputation passirte erst am 27- Juni auf ihrem Rückwege aus Inn- spruck durch Wien, und vernahm da mit Staunen Hrabowsky's Gewaltstreich. Ich führe hier eine Stelle aus einem ganz schwarzrothgoldenm Wiener Journale an: "Wien den 23. Juni. Gestern erschienen die von Innspruck zurückgekehrten serbischen Deputirten in der Aula, um der akademischen Legion den Zweck ihrer Deputation mitzutheilen. Einer der Deputirten, Dr. Betsi, klagte darüber, daß man hier die Serben so wenig kenne, indem er gefragt wurde, ob sie aus Kroatien, Slavonien oder Siebenbürgen wären? und als er dies verneinte, fragte Man erstaunt: woher sie denn kämen? -- das, meinte der Redner, muß doch die Serben schmerzlich berühren, da sie viele Jahrhunderte hindurch für Oestreichs Heil ruhmvoll gekämpft, namentlich gegen die asiatischen Christenftinde, gegen die Türken nämlich. Ferner sprach der Redner von dem Rechte, welches sie an Ungarn haben, indem sie daselbst fallor früher waren, ">s die Magyaren, und auch sie doch für das Edelste und Höchste -- für ihre Nationalität nämlich -- erglüht sind. -- Dessen ungeachtet wollen sie mit Ungarn Friede haben, indem sie weder die Integrität der östreichischen Monarchie, noch die des Königreichs Ungarn zu zer¬ stören gesonnen sind. Jedoch wollen sie nur dann mit Ungarn sich versöhnen, wenn es auf die dem Kaiser vorgelegten Punkte eingehen wird -c. ze. -c. Professor Fühler erwiederte dar¬ auf, daß, wenn auch Einzelne die Serben nicht kennen, die Meisten, ja ganz Europa die' Serben sowohl als auch ihren unsterblichen Ruhm zu schützen wissen. -- Die Studenten und Nationalgarten brachten der serbischen Nation ein donnerndes, dreimaliges Lebehoch!" -- Grenzboten. II. I"4S. 22
gekehrt war*) kam die unselige, verhängnißvolle Pfingstwoche herbei. In dieser „Die serbische Nation" — schreibt der greise Kirchenfürst — „hat nicht an *) Die serbische Deputation passirte erst am 27- Juni auf ihrem Rückwege aus Inn- spruck durch Wien, und vernahm da mit Staunen Hrabowsky's Gewaltstreich. Ich führe hier eine Stelle aus einem ganz schwarzrothgoldenm Wiener Journale an: „Wien den 23. Juni. Gestern erschienen die von Innspruck zurückgekehrten serbischen Deputirten in der Aula, um der akademischen Legion den Zweck ihrer Deputation mitzutheilen. Einer der Deputirten, Dr. Betsi, klagte darüber, daß man hier die Serben so wenig kenne, indem er gefragt wurde, ob sie aus Kroatien, Slavonien oder Siebenbürgen wären? und als er dies verneinte, fragte Man erstaunt: woher sie denn kämen? — das, meinte der Redner, muß doch die Serben schmerzlich berühren, da sie viele Jahrhunderte hindurch für Oestreichs Heil ruhmvoll gekämpft, namentlich gegen die asiatischen Christenftinde, gegen die Türken nämlich. Ferner sprach der Redner von dem Rechte, welches sie an Ungarn haben, indem sie daselbst fallor früher waren, «>s die Magyaren, und auch sie doch für das Edelste und Höchste — für ihre Nationalität nämlich — erglüht sind. — Dessen ungeachtet wollen sie mit Ungarn Friede haben, indem sie weder die Integrität der östreichischen Monarchie, noch die des Königreichs Ungarn zu zer¬ stören gesonnen sind. Jedoch wollen sie nur dann mit Ungarn sich versöhnen, wenn es auf die dem Kaiser vorgelegten Punkte eingehen wird -c. ze. -c. Professor Fühler erwiederte dar¬ auf, daß, wenn auch Einzelne die Serben nicht kennen, die Meisten, ja ganz Europa die' Serben sowohl als auch ihren unsterblichen Ruhm zu schützen wissen. — Die Studenten und Nationalgarten brachten der serbischen Nation ein donnerndes, dreimaliges Lebehoch!" — Grenzboten. II. I«4S. 22
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gekehrt war*) kam die unselige, verhängnißvolle Pfingstwoche herbei. In dieser
wagte der k. k. Feldmarschallieutenant Baron Hrabowsky, der vom ungarischen
Ministerium bestellte Generalkommcmdant von Slavonien, von Peterwardein aus
jenen schändlichen, folgenschweren Gewaltstreich gegen Karlowitz, welcher die Feind¬
seligkeit zwischen Serben und Magyaren in hellen Flammen auflodern machte.
Wir lassen hier eine darauf bezügliche Stelle aus der Korrespondenz des Patriar¬
chen Najacic mit Hrabowsky folgen, ein wichtiges Aktenstück aus den Tagen des
Beginns der Greuel in Ungarn:
„Die serbische Nation" — schreibt der greise Kirchenfürst — „hat nicht an
den Krieg gedacht, bis sie durch Ihren Angriff auf das arme, unschuldige Karlo¬
witz, auf ihre Heiligthümer hiezu provozirt, ja gezwungen wurde. Die Nation
war fest entschlossen, ihr gutes Recht auf gesetzlichem Wege zu suchen und zu ver¬
fechten. Darum entsendeten sie mich mit einer ansehnlichen Deputation an die
Stufen des Thrones. Wahrend ich nun diesen gesetzlichen Schritt that, führen
Sie den Schlag auf Karlowitz, eine ganz offene, unbewaffnete, uuvertheidigte Stadt,
eine Stadt, welche Sie mit Gastfreundschaft empfangen hat. Sie führen den
Schlag an einem der ganzen Christenheit heiligen Tage, in einer Stunde, welche
dem Gottesdienst gewidmet war: statt der Gaben des heiligen Geistes, empfängt
das arme Volk Ihre Kugeln, Granaten und Mordfackeln, welche keinen Unterschied
zwischen Schuldigen und Unschuldigen wissen! Ihre Soldaten — Magyaren —
zünden mit kaltem Blute die ersten Häuser an, hauen und verwunden Weiber und
Kinder, erschießen in dem tiefen Graben unter der Brücke neun ganz unbewaff¬
nete Menschen, werfen einen blessirten alten Mann mit seinem Weibe in ein bren¬
nendes Haus und fliehen dann, von ihren Gewissensbissen und einigen schlecht
*) Die serbische Deputation passirte erst am 27- Juni auf ihrem Rückwege aus Inn-
spruck durch Wien, und vernahm da mit Staunen Hrabowsky's Gewaltstreich. Ich führe
hier eine Stelle aus einem ganz schwarzrothgoldenm Wiener Journale an: „Wien den 23.
Juni. Gestern erschienen die von Innspruck zurückgekehrten serbischen Deputirten in der Aula,
um der akademischen Legion den Zweck ihrer Deputation mitzutheilen. Einer der Deputirten,
Dr. Betsi, klagte darüber, daß man hier die Serben so wenig kenne, indem er gefragt wurde,
ob sie aus Kroatien, Slavonien oder Siebenbürgen wären? und als er dies verneinte, fragte
Man erstaunt: woher sie denn kämen? — das, meinte der Redner, muß doch die Serben
schmerzlich berühren, da sie viele Jahrhunderte hindurch für Oestreichs Heil ruhmvoll gekämpft,
namentlich gegen die asiatischen Christenftinde, gegen die Türken nämlich. Ferner sprach der
Redner von dem Rechte, welches sie an Ungarn haben, indem sie daselbst fallor früher waren,
«>s die Magyaren, und auch sie doch für das Edelste und Höchste — für ihre Nationalität
nämlich — erglüht sind. — Dessen ungeachtet wollen sie mit Ungarn Friede haben, indem sie
weder die Integrität der östreichischen Monarchie, noch die des Königreichs Ungarn zu zer¬
stören gesonnen sind. Jedoch wollen sie nur dann mit Ungarn sich versöhnen, wenn es auf
die dem Kaiser vorgelegten Punkte eingehen wird -c. ze. -c. Professor Fühler erwiederte dar¬
auf, daß, wenn auch Einzelne die Serben nicht kennen, die Meisten, ja ganz Europa die'
Serben sowohl als auch ihren unsterblichen Ruhm zu schützen wissen. — Die Studenten und
Nationalgarten brachten der serbischen Nation ein donnerndes, dreimaliges Lebehoch!" —
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