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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.

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der Eltern war nicht zu erlangen. Unser Held machte kurzen Prozeß, er holte sich
einmal Nachts seine Braut aus dem wohlverwahrten väterlichen Schlosse. Eine
Truppe berittener Komitatspanduren war von dem wüthenden Schwiegervater wider
Willen in der ersten Aufwallung des Zorns aufgeboten worden, das fliehende
Pärchen einzuholen und zurückzubringen, allein der Entführer bahnte sich mit be¬
waffneter Hand den Weg zur Flucht und ließ sich auf der nächsten Pfarre mit
seinem geraubten Liebchen trauen (>843). Wenn sich auch Stratimirovic bald mit
dem erzürnten Schwiegervater aussöhnte, war doch die nothwendige Folge dieses
abenteuerlichen Schrittes, daß er seine Osfiziercharge quittiren mußte. Seither
lebte Stratimirovic als Privatmann in bescheidener Zurückgezogenheit zu Neusatz,
unablässig mit literarischen Arbeiten, politischen und strategischen Studien beschäf¬
tigt. Später half er, von einem der eifrigsten serbischen Agitatoren, dem Proto-
presbyter Paul Stamatovic erweckt, die letzte serbische Bewegung, deren Hauptheerd
eigentlich Neusatz war, eifrigst mit vorbereiten. Stratimirovic's erstes öffentliches
Auftreten war bei den Nensatzer Unruhen im April 1848, sein erster wichtiger
Schritt die Aufsetzung und Einbringung jenes bekannten nachdrücklichen Protestes
der Stadt Neusatz an den ungarischen Reichstag, gegen den vom Buda-Pesther
Ministerium über alle von Serben bewohnte Ortschaften verhängten Belagerungs¬
zustand; ein Akt, dem sich alsbald auch die übrigen serbischen Städte anschlössen.
Stratimirovic wurde als Deputirter an den ungarischen Reichstag gesandt; hier
führte er energisch das Wort und er war es, zu dem Kossuth nach langem, hefti¬
gen Debattiren die inhaltsschweren, verhängnißvollen Worte sprach: "Nun wohlan,
wenn Sie so kommen, mögen denn unsere Schwerter in die Wage fallen. Zwischen
uns und den Serben kann nnr das Schwert entscheiden!" --

Georg v. Stratimirovic erschien als Abgeordneter von Neusatz in der serbischen
Metropole zu Karlvvic, als daselbst im Mai des vorige" Jahres die Vertreter des
Volkes tagten, um nach ihren alten, seit Leopold I. von allen östreichischen Kaisern
als Königen von Ungarn garantirten Rechten und Privilegien, einen Patriarchen
und einen Woywoden zu wählen. Patriarch ward der greise Karlowitzer Erzbischof
Joseph Najacic, Woywode (d. i. freigewählter Civil- und Militärgonverneur) der
k. k. Generalmajor Stephan Snplikac de Vitjez. Bei jener Versammlung war es
vornehmlich Stratimirovic, welcher die bekannten Petitionspunkte an den Kaiser
durchführen half. Selfgouveruemeut von Serbien scheint von Anbeginn seine
Haupttendenz gewesen zu sein. Das provisorische Centralregierungskomite (oelbor)
zu Karlowitz konstituirte sich sofort; da aber dessen eigentlicher Präsident, der neu-
gewählte Wojwode, damals noch bei Marschall Radetzky's Armeekorps in Italien
eine Befehlshaberstelle bekleidete, ward Stratimirovic sein Stellvertreter und Vice-
präsident im Karlowitzer Ceutralkomit", dessen erste energische Schritte zum großen
Theile sein Werk sind.

Ehe noch die an den Kaiserhof zu Innspruck entsendete Deputation zurück-


der Eltern war nicht zu erlangen. Unser Held machte kurzen Prozeß, er holte sich
einmal Nachts seine Braut aus dem wohlverwahrten väterlichen Schlosse. Eine
Truppe berittener Komitatspanduren war von dem wüthenden Schwiegervater wider
Willen in der ersten Aufwallung des Zorns aufgeboten worden, das fliehende
Pärchen einzuholen und zurückzubringen, allein der Entführer bahnte sich mit be¬
waffneter Hand den Weg zur Flucht und ließ sich auf der nächsten Pfarre mit
seinem geraubten Liebchen trauen (>843). Wenn sich auch Stratimirovic bald mit
dem erzürnten Schwiegervater aussöhnte, war doch die nothwendige Folge dieses
abenteuerlichen Schrittes, daß er seine Osfiziercharge quittiren mußte. Seither
lebte Stratimirovic als Privatmann in bescheidener Zurückgezogenheit zu Neusatz,
unablässig mit literarischen Arbeiten, politischen und strategischen Studien beschäf¬
tigt. Später half er, von einem der eifrigsten serbischen Agitatoren, dem Proto-
presbyter Paul Stamatovic erweckt, die letzte serbische Bewegung, deren Hauptheerd
eigentlich Neusatz war, eifrigst mit vorbereiten. Stratimirovic's erstes öffentliches
Auftreten war bei den Nensatzer Unruhen im April 1848, sein erster wichtiger
Schritt die Aufsetzung und Einbringung jenes bekannten nachdrücklichen Protestes
der Stadt Neusatz an den ungarischen Reichstag, gegen den vom Buda-Pesther
Ministerium über alle von Serben bewohnte Ortschaften verhängten Belagerungs¬
zustand; ein Akt, dem sich alsbald auch die übrigen serbischen Städte anschlössen.
Stratimirovic wurde als Deputirter an den ungarischen Reichstag gesandt; hier
führte er energisch das Wort und er war es, zu dem Kossuth nach langem, hefti¬
gen Debattiren die inhaltsschweren, verhängnißvollen Worte sprach: „Nun wohlan,
wenn Sie so kommen, mögen denn unsere Schwerter in die Wage fallen. Zwischen
uns und den Serben kann nnr das Schwert entscheiden!" —

Georg v. Stratimirovic erschien als Abgeordneter von Neusatz in der serbischen
Metropole zu Karlvvic, als daselbst im Mai des vorige« Jahres die Vertreter des
Volkes tagten, um nach ihren alten, seit Leopold I. von allen östreichischen Kaisern
als Königen von Ungarn garantirten Rechten und Privilegien, einen Patriarchen
und einen Woywoden zu wählen. Patriarch ward der greise Karlowitzer Erzbischof
Joseph Najacic, Woywode (d. i. freigewählter Civil- und Militärgonverneur) der
k. k. Generalmajor Stephan Snplikac de Vitjez. Bei jener Versammlung war es
vornehmlich Stratimirovic, welcher die bekannten Petitionspunkte an den Kaiser
durchführen half. Selfgouveruemeut von Serbien scheint von Anbeginn seine
Haupttendenz gewesen zu sein. Das provisorische Centralregierungskomite (oelbor)
zu Karlowitz konstituirte sich sofort; da aber dessen eigentlicher Präsident, der neu-
gewählte Wojwode, damals noch bei Marschall Radetzky's Armeekorps in Italien
eine Befehlshaberstelle bekleidete, ward Stratimirovic sein Stellvertreter und Vice-
präsident im Karlowitzer Ceutralkomit«, dessen erste energische Schritte zum großen
Theile sein Werk sind.

Ehe noch die an den Kaiserhof zu Innspruck entsendete Deputation zurück-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_278509/168>, abgerufen am 15.01.2025.