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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.

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Felsen baut das gutgesinnte Wien jetzt auf die Unentschlossenheit des Königs
von Preußen und vermuthlich, um ihn in seinem Schwanken zu befestigen, schlen¬
derte Schwarzenberg seine letzten Monstrenoten nach Berlin und Frankfurt, Deut¬
lich steht darin geschrieben, daß Oestreich mit seinem Plane, Frankfurt zu krcm-
sicrisiren, von Preußen abgewiesen wurde und dann erst mit der Paulskirche sich
von Neuem verständigen wollte. Als dies nicht gelang, nahm es die durchsichtige
Larve ganz ab. Es beruft sich auf den Wiener Kongreß, weckt den todten Bun¬
destag auf, erklärt das Parlament für ungesetzlich, den vom Parlament berufenen
Erzherzog Johann will es als absolutistischen Reichsverweser bestätigen, endlich
spricht es im Namen der Regierungen, also auch Preußens, gegen die
Reichsverfassung!----

Deutschland verdient, das ewige Gespött der Welt zu bleiben, wenn es dem
Wiener Cabinet diese frechen Note" nicht zerrissen vor die Füße wirst.







Wenn Sie ein interessantes Schauspiel mit ansehen wollen, so eilen Sie so
rasch als möglich nach Wien; unsere Bclagernngs-Nebukadnezare werden wahr¬
scheinlich nächstens auf offenem Markte Gras zu fressen anfangen, wenigstens haben
sie schon die Vorstudien gemacht und die Gemüther hinlänglich vorbereitet. Viel¬
leicht haben Sie zufällig in irgend einem Wiener Blatte eine Proklamation von
unserem bisherigen Civil- und Militärgonverneur Melden gelesen, in der er dem
Publikum in seiner bekannten Weise die Entdeckung mittheilt, daß einige freche
Buben sich erfrecht hätten, freche rothe Abzeichen zu tragen, und daß er sich des¬
halb bemüßigt sehe, besagte freche Abzeichen kriegsrechtlich zu untersagen. Was
dieser neue Geniestreich eigentlich zu bedeuten hatte, weiß Niemand, ist auch unnütz,
danach zu fragen; vielleicht sollten dadurch blos die rothen Scrcssaner, die jetzt
das treue Wien bewachen, ein desto besseres Relief erhalten. Genug, der Befehl
Kar da, die Elasticität der Kategorie "freche Buben" kannte man ans Erfahrung
hinlänglich, und alle rothen Bänder, Halstücher, Schnupftücher u. s. w. verschwan¬
den alsogleich; aber unsere Polizei, die sogenannten Cicherheitsmänncr, die herum¬
gehen wie brüllende Ochsen und suchen, was sie denunziren und "einführen" d. h.
arretiren können, wußten Rath: sie arretirten -- ich erzähle Ihnen wahre, ver¬
bürgte Geschichten -- einen Mann, der das rothe Bändchen der goldnen Ver¬
dienstmedaille im Knopfloche trug; aber das ist noch nichts, sie rissen einem Mäd¬
chen die rothen Korallen ab, die es in den Ohrgehängen trug; aber das ist noch
nichts sie gaben einem Kindermädchen, das einen Säugling auf der Bastei spatzieren


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Felsen baut das gutgesinnte Wien jetzt auf die Unentschlossenheit des Königs
von Preußen und vermuthlich, um ihn in seinem Schwanken zu befestigen, schlen¬
derte Schwarzenberg seine letzten Monstrenoten nach Berlin und Frankfurt, Deut¬
lich steht darin geschrieben, daß Oestreich mit seinem Plane, Frankfurt zu krcm-
sicrisiren, von Preußen abgewiesen wurde und dann erst mit der Paulskirche sich
von Neuem verständigen wollte. Als dies nicht gelang, nahm es die durchsichtige
Larve ganz ab. Es beruft sich auf den Wiener Kongreß, weckt den todten Bun¬
destag auf, erklärt das Parlament für ungesetzlich, den vom Parlament berufenen
Erzherzog Johann will es als absolutistischen Reichsverweser bestätigen, endlich
spricht es im Namen der Regierungen, also auch Preußens, gegen die
Reichsverfassung!----

Deutschland verdient, das ewige Gespött der Welt zu bleiben, wenn es dem
Wiener Cabinet diese frechen Note» nicht zerrissen vor die Füße wirst.







Wenn Sie ein interessantes Schauspiel mit ansehen wollen, so eilen Sie so
rasch als möglich nach Wien; unsere Bclagernngs-Nebukadnezare werden wahr¬
scheinlich nächstens auf offenem Markte Gras zu fressen anfangen, wenigstens haben
sie schon die Vorstudien gemacht und die Gemüther hinlänglich vorbereitet. Viel¬
leicht haben Sie zufällig in irgend einem Wiener Blatte eine Proklamation von
unserem bisherigen Civil- und Militärgonverneur Melden gelesen, in der er dem
Publikum in seiner bekannten Weise die Entdeckung mittheilt, daß einige freche
Buben sich erfrecht hätten, freche rothe Abzeichen zu tragen, und daß er sich des¬
halb bemüßigt sehe, besagte freche Abzeichen kriegsrechtlich zu untersagen. Was
dieser neue Geniestreich eigentlich zu bedeuten hatte, weiß Niemand, ist auch unnütz,
danach zu fragen; vielleicht sollten dadurch blos die rothen Scrcssaner, die jetzt
das treue Wien bewachen, ein desto besseres Relief erhalten. Genug, der Befehl
Kar da, die Elasticität der Kategorie „freche Buben" kannte man ans Erfahrung
hinlänglich, und alle rothen Bänder, Halstücher, Schnupftücher u. s. w. verschwan¬
den alsogleich; aber unsere Polizei, die sogenannten Cicherheitsmänncr, die herum¬
gehen wie brüllende Ochsen und suchen, was sie denunziren und „einführen" d. h.
arretiren können, wußten Rath: sie arretirten — ich erzähle Ihnen wahre, ver¬
bürgte Geschichten — einen Mann, der das rothe Bändchen der goldnen Ver¬
dienstmedaille im Knopfloche trug; aber das ist noch nichts, sie rissen einem Mäd¬
chen die rothen Korallen ab, die es in den Ohrgehängen trug; aber das ist noch
nichts sie gaben einem Kindermädchen, das einen Säugling auf der Bastei spatzieren


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[0147] Felsen baut das gutgesinnte Wien jetzt auf die Unentschlossenheit des Königs von Preußen und vermuthlich, um ihn in seinem Schwanken zu befestigen, schlen¬ derte Schwarzenberg seine letzten Monstrenoten nach Berlin und Frankfurt, Deut¬ lich steht darin geschrieben, daß Oestreich mit seinem Plane, Frankfurt zu krcm- sicrisiren, von Preußen abgewiesen wurde und dann erst mit der Paulskirche sich von Neuem verständigen wollte. Als dies nicht gelang, nahm es die durchsichtige Larve ganz ab. Es beruft sich auf den Wiener Kongreß, weckt den todten Bun¬ destag auf, erklärt das Parlament für ungesetzlich, den vom Parlament berufenen Erzherzog Johann will es als absolutistischen Reichsverweser bestätigen, endlich spricht es im Namen der Regierungen, also auch Preußens, gegen die Reichsverfassung!---- Deutschland verdient, das ewige Gespött der Welt zu bleiben, wenn es dem Wiener Cabinet diese frechen Note» nicht zerrissen vor die Füße wirst. Wenn Sie ein interessantes Schauspiel mit ansehen wollen, so eilen Sie so rasch als möglich nach Wien; unsere Bclagernngs-Nebukadnezare werden wahr¬ scheinlich nächstens auf offenem Markte Gras zu fressen anfangen, wenigstens haben sie schon die Vorstudien gemacht und die Gemüther hinlänglich vorbereitet. Viel¬ leicht haben Sie zufällig in irgend einem Wiener Blatte eine Proklamation von unserem bisherigen Civil- und Militärgonverneur Melden gelesen, in der er dem Publikum in seiner bekannten Weise die Entdeckung mittheilt, daß einige freche Buben sich erfrecht hätten, freche rothe Abzeichen zu tragen, und daß er sich des¬ halb bemüßigt sehe, besagte freche Abzeichen kriegsrechtlich zu untersagen. Was dieser neue Geniestreich eigentlich zu bedeuten hatte, weiß Niemand, ist auch unnütz, danach zu fragen; vielleicht sollten dadurch blos die rothen Scrcssaner, die jetzt das treue Wien bewachen, ein desto besseres Relief erhalten. Genug, der Befehl Kar da, die Elasticität der Kategorie „freche Buben" kannte man ans Erfahrung hinlänglich, und alle rothen Bänder, Halstücher, Schnupftücher u. s. w. verschwan¬ den alsogleich; aber unsere Polizei, die sogenannten Cicherheitsmänncr, die herum¬ gehen wie brüllende Ochsen und suchen, was sie denunziren und „einführen" d. h. arretiren können, wußten Rath: sie arretirten — ich erzähle Ihnen wahre, ver¬ bürgte Geschichten — einen Mann, der das rothe Bändchen der goldnen Ver¬ dienstmedaille im Knopfloche trug; aber das ist noch nichts, sie rissen einem Mäd¬ chen die rothen Korallen ab, die es in den Ohrgehängen trug; aber das ist noch nichts sie gaben einem Kindermädchen, das einen Säugling auf der Bastei spatzieren 1ö*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_278509/147>, abgerufen am 15.01.2025.