Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Sogar um das schwarzgelbe Standrecht wähnten sie beneidet zu werden. "Huh!
Da draußen geht's wild her. Die wären froh, wenn unser Windischgrätz bei
Ihnen sauber machte!"--

Unbegreiflich war es den wackern Wienern, daß Deutschland nicht in Ohn¬
macht fiel*), als der vornehme Fürst Schwarzenberg es verstieß und enterbte.
Das Ministerium! aber hatte kaum die ernste Stimme Gagern's vernommen und
das Wort Bundesstaat, als es sein Programm umdeutelte: "Das ist ein Mi߬
verständnis So war es nicht gemeint. Oestreich soll ein Bundesstaat werden,
Deutschland ein Staatenbund bleiben, damit wir jeden Augenblick wie der Wall¬
fisch zwischen die Häringe fahren können." Dazu die wärmsten Versicherun¬
gen deutscher Gesinnung. Oestreich sei noch immer herablassend genug, die
erste deutsche Macht bleiben zu wollen. Man ließ sogar durchblicken, Franz
Joseph I. würde die mitteleuropäische Kaiserkrone huldvoll annehmen; denn sei
man nnr der westphälischen, pfälzischen und dänischen Fäuste gewiß, so werde man
den Geier nach dem Brummen der Magyaren, Serben, Kroaten und Ruthenen
fragen. Von Stadion kann ich speciell versichern, daß er wirklich (bureaukratisch)
deutsch gesinnt ist. Gegen das Völkergcwimmel im Osten, selbst gegen seine Origi¬
nalnationalitäten, die er aus dem Koth der Wildniß gestampft und mit k. k. gestem¬
pelt hat, ist er deutsch, d. h. er wünscht ihnen deutsche Hiebe: gegen die gebor-
nen Deutschen ist er kroatisch. --

Da rief der tapfere Heinrich, der schon als Knabe bei Waterloo für die gute
Sache geblutet: Eure bundestägliche Hoffnung wird zu Schanden werden!
Das klang, das traf. Jedes ehrliche Herz in Wien bebte vor Frende, die
"Gutgesinnten" verzogen höhnisch den Mund.

Das Ministerium ließ sich in seinem Raisonnement nicht irre machen. Wie¬
ner Zeitung, Lloyd, Oestreichischer Korrespondent, Geißel?c. sangen im Chor:
Sie sollen ihn nicht haben, den deutschen Staatenbund! Ein allmächtiges Oest¬
reich ist das erste Bedürfniß Gottes; da nun Oestreich einen deutschen Staaten-
bund nicht beherrschen könnte, so darf er nach dem Natur- und Menschenrecht nicht
zur Welt kommen. Will Italien frei und einig werden, so mache es Franz Jo¬
seph zum Kaiser, eben so Deutschland. Die einfältige Verwechselung Deutschlands
mit Italien ist so lockend für den gutgesinnten Unverstand! Der officielle Oest¬
reicher ist ein Kind mit Bart und Perrücke. Abgesehen von seiner fabelhaften Jg-



*) Es versieht sich von selbst, daß mein Tadel nur der faulen und falschen Wiener Bil¬
dung gilt. Das Volk von Ober- und Unteröstreich, das Volk der Vorstädte, mit spitzem
Ki"n, schnippischer Zunge, verwegenen Muth und trefflichen Instinkten, dies Volk ist, gleich
dem Tyroler, ein ungeschliffener Diamant: die obere Residenzlerschicht, die Bildung ist polirter
Druck. Das Volk benahm sich im October durchwegs ritterlich: die Hälfte seiner Führer war
Abfall der gebildeten Klasse . . . Auch Bach und Pipitz sind gebildet. Diese Gerechtigkeit
Der Eins. '"uß man ihnen wiederfahren lassen.
Grenzboten. II. !84S. >g

Sogar um das schwarzgelbe Standrecht wähnten sie beneidet zu werden. „Huh!
Da draußen geht's wild her. Die wären froh, wenn unser Windischgrätz bei
Ihnen sauber machte!"--

Unbegreiflich war es den wackern Wienern, daß Deutschland nicht in Ohn¬
macht fiel*), als der vornehme Fürst Schwarzenberg es verstieß und enterbte.
Das Ministerium! aber hatte kaum die ernste Stimme Gagern's vernommen und
das Wort Bundesstaat, als es sein Programm umdeutelte: „Das ist ein Mi߬
verständnis So war es nicht gemeint. Oestreich soll ein Bundesstaat werden,
Deutschland ein Staatenbund bleiben, damit wir jeden Augenblick wie der Wall¬
fisch zwischen die Häringe fahren können." Dazu die wärmsten Versicherun¬
gen deutscher Gesinnung. Oestreich sei noch immer herablassend genug, die
erste deutsche Macht bleiben zu wollen. Man ließ sogar durchblicken, Franz
Joseph I. würde die mitteleuropäische Kaiserkrone huldvoll annehmen; denn sei
man nnr der westphälischen, pfälzischen und dänischen Fäuste gewiß, so werde man
den Geier nach dem Brummen der Magyaren, Serben, Kroaten und Ruthenen
fragen. Von Stadion kann ich speciell versichern, daß er wirklich (bureaukratisch)
deutsch gesinnt ist. Gegen das Völkergcwimmel im Osten, selbst gegen seine Origi¬
nalnationalitäten, die er aus dem Koth der Wildniß gestampft und mit k. k. gestem¬
pelt hat, ist er deutsch, d. h. er wünscht ihnen deutsche Hiebe: gegen die gebor-
nen Deutschen ist er kroatisch. —

Da rief der tapfere Heinrich, der schon als Knabe bei Waterloo für die gute
Sache geblutet: Eure bundestägliche Hoffnung wird zu Schanden werden!
Das klang, das traf. Jedes ehrliche Herz in Wien bebte vor Frende, die
„Gutgesinnten" verzogen höhnisch den Mund.

Das Ministerium ließ sich in seinem Raisonnement nicht irre machen. Wie¬
ner Zeitung, Lloyd, Oestreichischer Korrespondent, Geißel?c. sangen im Chor:
Sie sollen ihn nicht haben, den deutschen Staatenbund! Ein allmächtiges Oest¬
reich ist das erste Bedürfniß Gottes; da nun Oestreich einen deutschen Staaten-
bund nicht beherrschen könnte, so darf er nach dem Natur- und Menschenrecht nicht
zur Welt kommen. Will Italien frei und einig werden, so mache es Franz Jo¬
seph zum Kaiser, eben so Deutschland. Die einfältige Verwechselung Deutschlands
mit Italien ist so lockend für den gutgesinnten Unverstand! Der officielle Oest¬
reicher ist ein Kind mit Bart und Perrücke. Abgesehen von seiner fabelhaften Jg-



*) Es versieht sich von selbst, daß mein Tadel nur der faulen und falschen Wiener Bil¬
dung gilt. Das Volk von Ober- und Unteröstreich, das Volk der Vorstädte, mit spitzem
Ki»n, schnippischer Zunge, verwegenen Muth und trefflichen Instinkten, dies Volk ist, gleich
dem Tyroler, ein ungeschliffener Diamant: die obere Residenzlerschicht, die Bildung ist polirter
Druck. Das Volk benahm sich im October durchwegs ritterlich: die Hälfte seiner Führer war
Abfall der gebildeten Klasse . . . Auch Bach und Pipitz sind gebildet. Diese Gerechtigkeit
Der Eins. '"uß man ihnen wiederfahren lassen.
Grenzboten. II. !84S. >g
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0145" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/278655"/>
          <p xml:id="ID_422" prev="#ID_421"> Sogar um das schwarzgelbe Standrecht wähnten sie beneidet zu werden. &#x201E;Huh!<lb/>
Da draußen geht's wild her. Die wären froh, wenn unser Windischgrätz bei<lb/>
Ihnen sauber machte!"--</p><lb/>
          <p xml:id="ID_423"> Unbegreiflich war es den wackern Wienern, daß Deutschland nicht in Ohn¬<lb/>
macht fiel*), als der vornehme Fürst Schwarzenberg es verstieß und enterbte.<lb/>
Das Ministerium! aber hatte kaum die ernste Stimme Gagern's vernommen und<lb/>
das Wort Bundesstaat, als es sein Programm umdeutelte: &#x201E;Das ist ein Mi߬<lb/>
verständnis So war es nicht gemeint. Oestreich soll ein Bundesstaat werden,<lb/>
Deutschland ein Staatenbund bleiben, damit wir jeden Augenblick wie der Wall¬<lb/>
fisch zwischen die Häringe fahren können." Dazu die wärmsten Versicherun¬<lb/>
gen deutscher Gesinnung. Oestreich sei noch immer herablassend genug, die<lb/>
erste deutsche Macht bleiben zu wollen. Man ließ sogar durchblicken, Franz<lb/>
Joseph I. würde die mitteleuropäische Kaiserkrone huldvoll annehmen; denn sei<lb/>
man nnr der westphälischen, pfälzischen und dänischen Fäuste gewiß, so werde man<lb/>
den Geier nach dem Brummen der Magyaren, Serben, Kroaten und Ruthenen<lb/>
fragen. Von Stadion kann ich speciell versichern, daß er wirklich (bureaukratisch)<lb/>
deutsch gesinnt ist. Gegen das Völkergcwimmel im Osten, selbst gegen seine Origi¬<lb/>
nalnationalitäten, die er aus dem Koth der Wildniß gestampft und mit k. k. gestem¬<lb/>
pelt hat, ist er deutsch, d. h. er wünscht ihnen deutsche Hiebe: gegen die gebor-<lb/>
nen Deutschen ist er kroatisch. &#x2014;</p><lb/>
          <p xml:id="ID_424"> Da rief der tapfere Heinrich, der schon als Knabe bei Waterloo für die gute<lb/>
Sache geblutet: Eure bundestägliche Hoffnung wird zu Schanden werden!<lb/>
Das klang, das traf. Jedes ehrliche Herz in Wien bebte vor Frende, die<lb/>
&#x201E;Gutgesinnten" verzogen höhnisch den Mund.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_425" next="#ID_426"> Das Ministerium ließ sich in seinem Raisonnement nicht irre machen. Wie¬<lb/>
ner Zeitung, Lloyd, Oestreichischer Korrespondent, Geißel?c. sangen im Chor:<lb/>
Sie sollen ihn nicht haben, den deutschen Staatenbund! Ein allmächtiges Oest¬<lb/>
reich ist das erste Bedürfniß Gottes; da nun Oestreich einen deutschen Staaten-<lb/>
bund nicht beherrschen könnte, so darf er nach dem Natur- und Menschenrecht nicht<lb/>
zur Welt kommen. Will Italien frei und einig werden, so mache es Franz Jo¬<lb/>
seph zum Kaiser, eben so Deutschland. Die einfältige Verwechselung Deutschlands<lb/>
mit Italien ist so lockend für den gutgesinnten Unverstand! Der officielle Oest¬<lb/>
reicher ist ein Kind mit Bart und Perrücke. Abgesehen von seiner fabelhaften Jg-</p><lb/>
          <note xml:id="FID_8" place="foot"> *) Es versieht sich von selbst, daß mein Tadel nur der faulen und falschen Wiener Bil¬<lb/>
dung gilt. Das Volk von Ober- und Unteröstreich, das Volk der Vorstädte, mit spitzem<lb/>
Ki»n, schnippischer Zunge, verwegenen Muth und trefflichen Instinkten, dies Volk ist, gleich<lb/>
dem Tyroler, ein ungeschliffener Diamant: die obere Residenzlerschicht, die Bildung ist polirter<lb/>
Druck. Das Volk benahm sich im October durchwegs ritterlich: die Hälfte seiner Führer war<lb/>
Abfall der gebildeten Klasse . . . Auch Bach und Pipitz sind gebildet. Diese Gerechtigkeit<lb/><note type="byline"> Der Eins.</note> '"uß man ihnen wiederfahren lassen. </note><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten. II. !84S. &gt;g</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0145] Sogar um das schwarzgelbe Standrecht wähnten sie beneidet zu werden. „Huh! Da draußen geht's wild her. Die wären froh, wenn unser Windischgrätz bei Ihnen sauber machte!"-- Unbegreiflich war es den wackern Wienern, daß Deutschland nicht in Ohn¬ macht fiel*), als der vornehme Fürst Schwarzenberg es verstieß und enterbte. Das Ministerium! aber hatte kaum die ernste Stimme Gagern's vernommen und das Wort Bundesstaat, als es sein Programm umdeutelte: „Das ist ein Mi߬ verständnis So war es nicht gemeint. Oestreich soll ein Bundesstaat werden, Deutschland ein Staatenbund bleiben, damit wir jeden Augenblick wie der Wall¬ fisch zwischen die Häringe fahren können." Dazu die wärmsten Versicherun¬ gen deutscher Gesinnung. Oestreich sei noch immer herablassend genug, die erste deutsche Macht bleiben zu wollen. Man ließ sogar durchblicken, Franz Joseph I. würde die mitteleuropäische Kaiserkrone huldvoll annehmen; denn sei man nnr der westphälischen, pfälzischen und dänischen Fäuste gewiß, so werde man den Geier nach dem Brummen der Magyaren, Serben, Kroaten und Ruthenen fragen. Von Stadion kann ich speciell versichern, daß er wirklich (bureaukratisch) deutsch gesinnt ist. Gegen das Völkergcwimmel im Osten, selbst gegen seine Origi¬ nalnationalitäten, die er aus dem Koth der Wildniß gestampft und mit k. k. gestem¬ pelt hat, ist er deutsch, d. h. er wünscht ihnen deutsche Hiebe: gegen die gebor- nen Deutschen ist er kroatisch. — Da rief der tapfere Heinrich, der schon als Knabe bei Waterloo für die gute Sache geblutet: Eure bundestägliche Hoffnung wird zu Schanden werden! Das klang, das traf. Jedes ehrliche Herz in Wien bebte vor Frende, die „Gutgesinnten" verzogen höhnisch den Mund. Das Ministerium ließ sich in seinem Raisonnement nicht irre machen. Wie¬ ner Zeitung, Lloyd, Oestreichischer Korrespondent, Geißel?c. sangen im Chor: Sie sollen ihn nicht haben, den deutschen Staatenbund! Ein allmächtiges Oest¬ reich ist das erste Bedürfniß Gottes; da nun Oestreich einen deutschen Staaten- bund nicht beherrschen könnte, so darf er nach dem Natur- und Menschenrecht nicht zur Welt kommen. Will Italien frei und einig werden, so mache es Franz Jo¬ seph zum Kaiser, eben so Deutschland. Die einfältige Verwechselung Deutschlands mit Italien ist so lockend für den gutgesinnten Unverstand! Der officielle Oest¬ reicher ist ein Kind mit Bart und Perrücke. Abgesehen von seiner fabelhaften Jg- *) Es versieht sich von selbst, daß mein Tadel nur der faulen und falschen Wiener Bil¬ dung gilt. Das Volk von Ober- und Unteröstreich, das Volk der Vorstädte, mit spitzem Ki»n, schnippischer Zunge, verwegenen Muth und trefflichen Instinkten, dies Volk ist, gleich dem Tyroler, ein ungeschliffener Diamant: die obere Residenzlerschicht, die Bildung ist polirter Druck. Das Volk benahm sich im October durchwegs ritterlich: die Hälfte seiner Führer war Abfall der gebildeten Klasse . . . Auch Bach und Pipitz sind gebildet. Diese Gerechtigkeit Der Eins. '"uß man ihnen wiederfahren lassen. Grenzboten. II. !84S. >g

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_278509
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_278509/145
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_278509/145>, abgerufen am 15.01.2025.