Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band.Jahren kein Fall von einem Einbruchsdiebstahl in die dnrch bloße Holzthüren und Wir traten in ein türkisches Kaffehaus. Eine lange, schmale Stube mit kleinen Von der Gasse herein schallte vielstimmiger, kriegerischer Gesang. An den 03*
Jahren kein Fall von einem Einbruchsdiebstahl in die dnrch bloße Holzthüren und Wir traten in ein türkisches Kaffehaus. Eine lange, schmale Stube mit kleinen Von der Gasse herein schallte vielstimmiger, kriegerischer Gesang. An den 03*
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0507" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/278495"/> <p xml:id="ID_2789" prev="#ID_2788"> Jahren kein Fall von einem Einbruchsdiebstahl in die dnrch bloße Holzthüren und<lb/> leichte Schlösser geschützten Läden vorkam, und Jeder, der im Laufe des Tages<lb/> seine Börse oder Brieftasche verliert, mit einiger Sicherheit darauf rechnen kann,<lb/> selbe am andern Morgen mit ihrem ganzen Inhalt auf der fürstlichen Polizeidirec-<lb/> tion wiederzufinden. Freilich unterliegt die Verhehlung und Zueignung gefundenen<lb/> Guts derselben unnachsichtlich strengen Strafe wie der Diebstahl; auf beide steht<lb/> der Tod durch Pulver und Blei, auf Raub und gemeinen Mord — wenn ich nicht<lb/> irre — Pfählung.</p><lb/> <p xml:id="ID_2790"> Wir traten in ein türkisches Kaffehaus. Eine lange, schmale Stube mit kleinen<lb/> Fenstern und niederer Decke, ganz mit Wolken von Tabnkrauch erfüllt. Die Decke<lb/> ist ans nett gebohrten Brettern und zierlich geschnitzten Balken zusammengesetzt,<lb/> die ganze Länge der einen Wand nimmt ein riesiger brauner Schrank ein, sonst<lb/> ist gar kein Möbelstück vorhanden, weder Tisch noch Stuhl. Die Gäste saßen<lb/> theils auf dem mit wollenen Teppichen belegten Fußboden, theils aus hohen Ro߬<lb/> haarmatratzen in bunter, malerischer Gruppirung. Wir nahmen, so gut es eben<lb/> ging, auf der höchsten Matratze Platz und fanden bei einigen serbischen Kaufleuten,<lb/> die näher zu uns rückten, freundliche Ansprache. Die meisten Türken hatten sich<lb/> in einer Art von Halbzirkel um einen hübschen jungen Burschen gelagert, der auf<lb/> den Fersen hockend und mit beiden Händen lebhaft agirend in türkischer Sprache<lb/> ein Mährchen erzählte. Seine Kleidung war reicher und besser gehalten, als die<lb/> der übrigen, sein interessanter, gebrannter Kopf mit echt griechischem Profil und<lb/> überaus lebhaften Augen kontrastirte bedeutend mit den fahlen, aufgedunsenen<lb/> Gesichtern und glotzenden Augen der hiesigen türkischen Jugend. Wir erfuhren,<lb/> daß er aus Anatolien und mit seinen Mährchen bei den belgrader Türken sehr<lb/> v» voxuo sei. Tiefes Schweigen, nnr durch ein beifälliges, behagliches Schmun¬<lb/> zeln bisweilen unterbrochen, herrschte im Kreise der Hörer, welche dem Cibnk und<lb/> der Nargilje (Wasserpfeife), wie dem köstlich duftenden Mokkatrank wacker zuspra¬<lb/> chen. Der Kasse wird, jede Portion appart gekocht, in kleinen, henkellosen Näpfchen<lb/> (ti'in^im) auf metallnen Untertassen gereicht und gewöhnlich ohne Zucker, der nur<lb/> auf besonderes Verlangen dazukommt, und sammt dem Bodensätze sehr heiß getrun¬<lb/> ken. Ein Näpfchen Kasse von der besten Qualität kostet ohne Zucker fünf Para<lb/> (etwa I /, Kreuzer Conv.-Münze), mit Zucker (!<-"'->, secerlicil) sechs Para; für<lb/> einen gestopften Cibnk zahlt man acht, für eine Nargilje zehn Para.</p><lb/> <p xml:id="ID_2791" next="#ID_2792"> Von der Gasse herein schallte vielstimmiger, kriegerischer Gesang. An den<lb/> Fenstern zogen, bis an die Zähne bewaffnet, etliche vierzig Heiducken aus den<lb/> serbischen Gebirgen, geführt von ihrem Arambassa, vorüber. Diese Kämpen<lb/> hatten ihren Fclsenhorst verlassen und kamen, unter Obrist Knicanin's Fahnen sür<lb/> ihre Stammesgenossen in Oestreich zu fechten. Alles hohe, kräftige Gestalten mit<lb/> breiten Schultern und starken Nacken; keiner von ihnen maß unter sechs Schuh!<lb/> Die Gesichter wild, aber offen und ausdrucksvoll, glatt rasirt bis ans den mächtigen</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 03*</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0507]
Jahren kein Fall von einem Einbruchsdiebstahl in die dnrch bloße Holzthüren und
leichte Schlösser geschützten Läden vorkam, und Jeder, der im Laufe des Tages
seine Börse oder Brieftasche verliert, mit einiger Sicherheit darauf rechnen kann,
selbe am andern Morgen mit ihrem ganzen Inhalt auf der fürstlichen Polizeidirec-
tion wiederzufinden. Freilich unterliegt die Verhehlung und Zueignung gefundenen
Guts derselben unnachsichtlich strengen Strafe wie der Diebstahl; auf beide steht
der Tod durch Pulver und Blei, auf Raub und gemeinen Mord — wenn ich nicht
irre — Pfählung.
Wir traten in ein türkisches Kaffehaus. Eine lange, schmale Stube mit kleinen
Fenstern und niederer Decke, ganz mit Wolken von Tabnkrauch erfüllt. Die Decke
ist ans nett gebohrten Brettern und zierlich geschnitzten Balken zusammengesetzt,
die ganze Länge der einen Wand nimmt ein riesiger brauner Schrank ein, sonst
ist gar kein Möbelstück vorhanden, weder Tisch noch Stuhl. Die Gäste saßen
theils auf dem mit wollenen Teppichen belegten Fußboden, theils aus hohen Ro߬
haarmatratzen in bunter, malerischer Gruppirung. Wir nahmen, so gut es eben
ging, auf der höchsten Matratze Platz und fanden bei einigen serbischen Kaufleuten,
die näher zu uns rückten, freundliche Ansprache. Die meisten Türken hatten sich
in einer Art von Halbzirkel um einen hübschen jungen Burschen gelagert, der auf
den Fersen hockend und mit beiden Händen lebhaft agirend in türkischer Sprache
ein Mährchen erzählte. Seine Kleidung war reicher und besser gehalten, als die
der übrigen, sein interessanter, gebrannter Kopf mit echt griechischem Profil und
überaus lebhaften Augen kontrastirte bedeutend mit den fahlen, aufgedunsenen
Gesichtern und glotzenden Augen der hiesigen türkischen Jugend. Wir erfuhren,
daß er aus Anatolien und mit seinen Mährchen bei den belgrader Türken sehr
v» voxuo sei. Tiefes Schweigen, nnr durch ein beifälliges, behagliches Schmun¬
zeln bisweilen unterbrochen, herrschte im Kreise der Hörer, welche dem Cibnk und
der Nargilje (Wasserpfeife), wie dem köstlich duftenden Mokkatrank wacker zuspra¬
chen. Der Kasse wird, jede Portion appart gekocht, in kleinen, henkellosen Näpfchen
(ti'in^im) auf metallnen Untertassen gereicht und gewöhnlich ohne Zucker, der nur
auf besonderes Verlangen dazukommt, und sammt dem Bodensätze sehr heiß getrun¬
ken. Ein Näpfchen Kasse von der besten Qualität kostet ohne Zucker fünf Para
(etwa I /, Kreuzer Conv.-Münze), mit Zucker (!<-"'->, secerlicil) sechs Para; für
einen gestopften Cibnk zahlt man acht, für eine Nargilje zehn Para.
Von der Gasse herein schallte vielstimmiger, kriegerischer Gesang. An den
Fenstern zogen, bis an die Zähne bewaffnet, etliche vierzig Heiducken aus den
serbischen Gebirgen, geführt von ihrem Arambassa, vorüber. Diese Kämpen
hatten ihren Fclsenhorst verlassen und kamen, unter Obrist Knicanin's Fahnen sür
ihre Stammesgenossen in Oestreich zu fechten. Alles hohe, kräftige Gestalten mit
breiten Schultern und starken Nacken; keiner von ihnen maß unter sechs Schuh!
Die Gesichter wild, aber offen und ausdrucksvoll, glatt rasirt bis ans den mächtigen
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