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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band.

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herabhängenden Schnurrbart, die malerische Kleidung reich und zierlich, dabei
männlich und nicht überlade", nach dem ältesten nationalen Schnitt, so daß wir
Krieger aus den Tagen Kaiser Lazar, des MiloS Odilia und Marko Kraljevic
vor uns zu sehen träumten. Die serbischen Heiducken sind die letzten Ritter der
südslavischen Welt, lebende Reste der mittelalterlichen Romantik. In deutsche Prosa
übersetzt gibt es leider keinen andern Namen für sie als -- "Räuber." -- Die
serbischen Heiducken rauben und leben vom Raube; doch der Raub den sie treiben
ist nach ihren Begriffen nicht uur ein erlaubter, sondern sogar ein edler und ge¬
heiligter. Ihre Raubzüge siud nämlich lediglich gegen die Türken gerichtet, welche
-- wie die Heiducken sagen -- ungläubig siud und voll Trug, deren ganzes Eigen¬
thum Diebstahl, denn alle Schätze und Reichthümer, welche die Türken in Europa
besitzen, haben sie den Christen gestohlen, den Serben sogar Land und Freiheit.
Die Heiducken leben ans den höchsten Grenzgebirgen zwischen Serbien und der
Türkei in freier, ungebundener Gemeinschaft zu 3V bis 50 und l00 Köpfen, keinen
Gebieter über sich erkennend, als ihren selbstgewählten Führer (^r-imbiiss"), um
keine Negierung sich kümmernd, habe dieselbe ihren Sitz zu Belgrad oder Constan-
tinopel. Von den Gebirgsklippen herab spähen die wilden Gesellen Tag und Nacht
nach willkommener Beute. Ziehen türkische Kaufleute mit beladenen Saumthieren
oder großherrliche Beamte mit deu Steuergeldern der Bassa's uuter noch so starkem
Schutz die Straße in ihrem Bereiche entlang, so stürzen die Heiducken wie Wölfe
aus dem Hinterhalt auf sie herab, berauben und erschlage" sie; der christliche
Reisende aber hat von den wilden Söhnen der Klüfte nichts zu fürchten, ja, er
wird von ihnen oft eine große Strecke Weges geleitet und tapfer gegen die An¬
griffe türkischer Naubhorden vertheidigt. Für solche ritterliche Dienste nehme" sie
durchaus keine Bezahlung, halten sich aber in der Regel auf dem Rückwege in
türkischen Dörfern durch Plünderung und Brandschatzung für die gehabte Mühe
schadlos. Kommen lange keine Türken a" ihren Felsennestern vorbei, unternehmen
die Heiducken Raubzüge tief i" das türkische Gebiet. So leben sie in fortwähren¬
dem Guerillakriege mit den Türken, welche ihnen in ihren unersteiglichen Schlupf¬
winkeln selten etwas anhaben können. Nicht so sehr Gelddnrst und Habgier, wie
Sucht nach Abenteuern und Ruhm treibt sie in dieses Räuberleben. Sie rekru-
tiren sich aus deu gewandtesten, stärksten und kühnsten Burschen der serbischen
Dörfer, denen das abenteuerliche Heiduckenthum als der Gipfel des Ruhms und
Glückes erscheint; politische Flüchtlinge werden von thue" gern angenommen, ge¬
meine Verbrecher niemals. Die kühnen Handstreiche dieses interessante" Völkleins
gehören u"ter die LiebliiigSthemata der Hcldengesänge des serbischen Volkes. Der
berühmteste Heiduck in der neuern Zeit ist Weliko aus Zrnarcka, der zuletzt in dem
großartigen Befreiungskriege als Feldherr und Woywode von Baum eine wichtige
Rolle spielte. Sieger bei Podgorac, Baltia, Negotin, Kladovo n. a. in. starb er
zu Negotin einen rühmlichen Kriegertod. Von einer großen türkischen Uebermacht


herabhängenden Schnurrbart, die malerische Kleidung reich und zierlich, dabei
männlich und nicht überlade», nach dem ältesten nationalen Schnitt, so daß wir
Krieger aus den Tagen Kaiser Lazar, des MiloS Odilia und Marko Kraljevic
vor uns zu sehen träumten. Die serbischen Heiducken sind die letzten Ritter der
südslavischen Welt, lebende Reste der mittelalterlichen Romantik. In deutsche Prosa
übersetzt gibt es leider keinen andern Namen für sie als — „Räuber." — Die
serbischen Heiducken rauben und leben vom Raube; doch der Raub den sie treiben
ist nach ihren Begriffen nicht uur ein erlaubter, sondern sogar ein edler und ge¬
heiligter. Ihre Raubzüge siud nämlich lediglich gegen die Türken gerichtet, welche
— wie die Heiducken sagen — ungläubig siud und voll Trug, deren ganzes Eigen¬
thum Diebstahl, denn alle Schätze und Reichthümer, welche die Türken in Europa
besitzen, haben sie den Christen gestohlen, den Serben sogar Land und Freiheit.
Die Heiducken leben ans den höchsten Grenzgebirgen zwischen Serbien und der
Türkei in freier, ungebundener Gemeinschaft zu 3V bis 50 und l00 Köpfen, keinen
Gebieter über sich erkennend, als ihren selbstgewählten Führer (^r-imbiiss»), um
keine Negierung sich kümmernd, habe dieselbe ihren Sitz zu Belgrad oder Constan-
tinopel. Von den Gebirgsklippen herab spähen die wilden Gesellen Tag und Nacht
nach willkommener Beute. Ziehen türkische Kaufleute mit beladenen Saumthieren
oder großherrliche Beamte mit deu Steuergeldern der Bassa's uuter noch so starkem
Schutz die Straße in ihrem Bereiche entlang, so stürzen die Heiducken wie Wölfe
aus dem Hinterhalt auf sie herab, berauben und erschlage» sie; der christliche
Reisende aber hat von den wilden Söhnen der Klüfte nichts zu fürchten, ja, er
wird von ihnen oft eine große Strecke Weges geleitet und tapfer gegen die An¬
griffe türkischer Naubhorden vertheidigt. Für solche ritterliche Dienste nehme» sie
durchaus keine Bezahlung, halten sich aber in der Regel auf dem Rückwege in
türkischen Dörfern durch Plünderung und Brandschatzung für die gehabte Mühe
schadlos. Kommen lange keine Türken a» ihren Felsennestern vorbei, unternehmen
die Heiducken Raubzüge tief i» das türkische Gebiet. So leben sie in fortwähren¬
dem Guerillakriege mit den Türken, welche ihnen in ihren unersteiglichen Schlupf¬
winkeln selten etwas anhaben können. Nicht so sehr Gelddnrst und Habgier, wie
Sucht nach Abenteuern und Ruhm treibt sie in dieses Räuberleben. Sie rekru-
tiren sich aus deu gewandtesten, stärksten und kühnsten Burschen der serbischen
Dörfer, denen das abenteuerliche Heiduckenthum als der Gipfel des Ruhms und
Glückes erscheint; politische Flüchtlinge werden von thue» gern angenommen, ge¬
meine Verbrecher niemals. Die kühnen Handstreiche dieses interessante» Völkleins
gehören u»ter die LiebliiigSthemata der Hcldengesänge des serbischen Volkes. Der
berühmteste Heiduck in der neuern Zeit ist Weliko aus Zrnarcka, der zuletzt in dem
großartigen Befreiungskriege als Feldherr und Woywode von Baum eine wichtige
Rolle spielte. Sieger bei Podgorac, Baltia, Negotin, Kladovo n. a. in. starb er
zu Negotin einen rühmlichen Kriegertod. Von einer großen türkischen Uebermacht


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[0508] herabhängenden Schnurrbart, die malerische Kleidung reich und zierlich, dabei männlich und nicht überlade», nach dem ältesten nationalen Schnitt, so daß wir Krieger aus den Tagen Kaiser Lazar, des MiloS Odilia und Marko Kraljevic vor uns zu sehen träumten. Die serbischen Heiducken sind die letzten Ritter der südslavischen Welt, lebende Reste der mittelalterlichen Romantik. In deutsche Prosa übersetzt gibt es leider keinen andern Namen für sie als — „Räuber." — Die serbischen Heiducken rauben und leben vom Raube; doch der Raub den sie treiben ist nach ihren Begriffen nicht uur ein erlaubter, sondern sogar ein edler und ge¬ heiligter. Ihre Raubzüge siud nämlich lediglich gegen die Türken gerichtet, welche — wie die Heiducken sagen — ungläubig siud und voll Trug, deren ganzes Eigen¬ thum Diebstahl, denn alle Schätze und Reichthümer, welche die Türken in Europa besitzen, haben sie den Christen gestohlen, den Serben sogar Land und Freiheit. Die Heiducken leben ans den höchsten Grenzgebirgen zwischen Serbien und der Türkei in freier, ungebundener Gemeinschaft zu 3V bis 50 und l00 Köpfen, keinen Gebieter über sich erkennend, als ihren selbstgewählten Führer (^r-imbiiss»), um keine Negierung sich kümmernd, habe dieselbe ihren Sitz zu Belgrad oder Constan- tinopel. Von den Gebirgsklippen herab spähen die wilden Gesellen Tag und Nacht nach willkommener Beute. Ziehen türkische Kaufleute mit beladenen Saumthieren oder großherrliche Beamte mit deu Steuergeldern der Bassa's uuter noch so starkem Schutz die Straße in ihrem Bereiche entlang, so stürzen die Heiducken wie Wölfe aus dem Hinterhalt auf sie herab, berauben und erschlage» sie; der christliche Reisende aber hat von den wilden Söhnen der Klüfte nichts zu fürchten, ja, er wird von ihnen oft eine große Strecke Weges geleitet und tapfer gegen die An¬ griffe türkischer Naubhorden vertheidigt. Für solche ritterliche Dienste nehme» sie durchaus keine Bezahlung, halten sich aber in der Regel auf dem Rückwege in türkischen Dörfern durch Plünderung und Brandschatzung für die gehabte Mühe schadlos. Kommen lange keine Türken a» ihren Felsennestern vorbei, unternehmen die Heiducken Raubzüge tief i» das türkische Gebiet. So leben sie in fortwähren¬ dem Guerillakriege mit den Türken, welche ihnen in ihren unersteiglichen Schlupf¬ winkeln selten etwas anhaben können. Nicht so sehr Gelddnrst und Habgier, wie Sucht nach Abenteuern und Ruhm treibt sie in dieses Räuberleben. Sie rekru- tiren sich aus deu gewandtesten, stärksten und kühnsten Burschen der serbischen Dörfer, denen das abenteuerliche Heiduckenthum als der Gipfel des Ruhms und Glückes erscheint; politische Flüchtlinge werden von thue» gern angenommen, ge¬ meine Verbrecher niemals. Die kühnen Handstreiche dieses interessante» Völkleins gehören u»ter die LiebliiigSthemata der Hcldengesänge des serbischen Volkes. Der berühmteste Heiduck in der neuern Zeit ist Weliko aus Zrnarcka, der zuletzt in dem großartigen Befreiungskriege als Feldherr und Woywode von Baum eine wichtige Rolle spielte. Sieger bei Podgorac, Baltia, Negotin, Kladovo n. a. in. starb er zu Negotin einen rühmlichen Kriegertod. Von einer großen türkischen Uebermacht

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_277987/508>, abgerufen am 28.11.2024.