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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band.

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eben, Slovenen, Krämern, Frianlernzc. ähnliche Berechnungen und constitutionelle
Beschlußnahmen beliebt werden, so gilt Palacky's hartnäckige Behauptung von
Böhmens deutscher Minorität offenbar gegen ihn selbst -- um zu schweigen von
einer Nation Oestreichs, welche so sehr fürchtet zur Gleichberechtigung zu gelan¬
gen, nämlich von den Juden, deren Anzahl so beträchtlich ist, als manche östrei¬
chische Majorität.

Kehren wir nun zum Ernst zurück, so haben wir herausgebracht, daß die,
Art und Richtung der gegen die Magyaren sich erhebenden Volksstimme weder
ihre Consequenzen erschöpft, noch auch ihre Klarheit erlaugt hat. Der magyarische
Geist scheint gedemüthigt und doch täuschen wir uns nicht -- er kommt eben erst
zum Vorschein. Kossuth ist der Träger dieses über die ungarischen Minoritäten
herrschen wollenden Magyansmns gewesen, ohne irgend einen andern denselben
beigemischten Zug -- die Erhebung gegen die Krone ausgenommen, welchen sich
der altmagyarische aristokratische Geist, der nun in jedem neuen Schritte der un¬
garischen Administration erwacht, ersparen und mit anderem Widerstande ersetzen
wird. Das Ende von diesem Volksgeiste können wir eben so wenig bestimmen,
als es dem Ministerium gelingen wird, alle aufgezählten Nationen zu berechtigen
-- so sehr wir und gewiß jeder liberale Mann mit uns es wünschen mögen.

Italien kann unmöglich einen Grund angeben, aus welchem es den im März
1848 gethanen offenen Schritt durch ernstliche Besserung gutmachen möchte, und.
wir müssen überdies auf die Eingangs abgegebene Verwahrung verweisen, daß
uns hierüber überhaupt keine Aeußerungen zukommen und wir daher ans unser
schlußfähiges Urtheil lediglich angewiesen sind.

Wir stehen am Rande der Dinge, indem wir Deutsche und Czechen gegen-
überstellen; denn der Pole will eine Föderation und wird die Schwächung Oest¬
reichs eher zugeben, als daß er sich die Erhaltung desselben zur Aufgabe machte,
wie dies bekanntlich einige Völker exclusiv thun und darob sich rühmen. Der
Slovene hat keinerlei besondere Manöver angestellt.

Der Deutsche will aber deu Anschluß an Deutschland nicht blos weil
das deutsche Lied gesungen und mit Jubel aufgenommen wird, sondern auch aus
dem Grunde, um Oestreich zu erhalten und dessen Macht zu erhöhen, wenn wir
nämlich die frommen Wünsche nach gesitteter Freiheit und steigendem Wohl¬
stande als nicht zur höhern Politik gehörig nach hiesigen Begriffen bei Seite
lassen. Der Deutsche meint, daß die Behauptungen von Gernbeisammenbleiben
freier Völker zwar sehr wahr sind, aber warum sollte nicht auch ein freies Volk
lieber wo anders hin wollen? Es ist also, wie Sie sehen, die deutsche Sympathie
durch höhere politische Grüude würdig gemacht worden, ein Wort drein zu reden.
Der Deutsche läßt sich im Gefühle dieser Weisheit nicht irre machen, wenn man
ihm die Unfähigkeit vorwirft Eins zu werden, da wir östreichische Deutsche stünd¬
lich das bange Gefühl empfinden, wie wir selber noch kein Oestreich zu Stande


eben, Slovenen, Krämern, Frianlernzc. ähnliche Berechnungen und constitutionelle
Beschlußnahmen beliebt werden, so gilt Palacky's hartnäckige Behauptung von
Böhmens deutscher Minorität offenbar gegen ihn selbst — um zu schweigen von
einer Nation Oestreichs, welche so sehr fürchtet zur Gleichberechtigung zu gelan¬
gen, nämlich von den Juden, deren Anzahl so beträchtlich ist, als manche östrei¬
chische Majorität.

Kehren wir nun zum Ernst zurück, so haben wir herausgebracht, daß die,
Art und Richtung der gegen die Magyaren sich erhebenden Volksstimme weder
ihre Consequenzen erschöpft, noch auch ihre Klarheit erlaugt hat. Der magyarische
Geist scheint gedemüthigt und doch täuschen wir uns nicht — er kommt eben erst
zum Vorschein. Kossuth ist der Träger dieses über die ungarischen Minoritäten
herrschen wollenden Magyansmns gewesen, ohne irgend einen andern denselben
beigemischten Zug — die Erhebung gegen die Krone ausgenommen, welchen sich
der altmagyarische aristokratische Geist, der nun in jedem neuen Schritte der un¬
garischen Administration erwacht, ersparen und mit anderem Widerstande ersetzen
wird. Das Ende von diesem Volksgeiste können wir eben so wenig bestimmen,
als es dem Ministerium gelingen wird, alle aufgezählten Nationen zu berechtigen
— so sehr wir und gewiß jeder liberale Mann mit uns es wünschen mögen.

Italien kann unmöglich einen Grund angeben, aus welchem es den im März
1848 gethanen offenen Schritt durch ernstliche Besserung gutmachen möchte, und.
wir müssen überdies auf die Eingangs abgegebene Verwahrung verweisen, daß
uns hierüber überhaupt keine Aeußerungen zukommen und wir daher ans unser
schlußfähiges Urtheil lediglich angewiesen sind.

Wir stehen am Rande der Dinge, indem wir Deutsche und Czechen gegen-
überstellen; denn der Pole will eine Föderation und wird die Schwächung Oest¬
reichs eher zugeben, als daß er sich die Erhaltung desselben zur Aufgabe machte,
wie dies bekanntlich einige Völker exclusiv thun und darob sich rühmen. Der
Slovene hat keinerlei besondere Manöver angestellt.

Der Deutsche will aber deu Anschluß an Deutschland nicht blos weil
das deutsche Lied gesungen und mit Jubel aufgenommen wird, sondern auch aus
dem Grunde, um Oestreich zu erhalten und dessen Macht zu erhöhen, wenn wir
nämlich die frommen Wünsche nach gesitteter Freiheit und steigendem Wohl¬
stande als nicht zur höhern Politik gehörig nach hiesigen Begriffen bei Seite
lassen. Der Deutsche meint, daß die Behauptungen von Gernbeisammenbleiben
freier Völker zwar sehr wahr sind, aber warum sollte nicht auch ein freies Volk
lieber wo anders hin wollen? Es ist also, wie Sie sehen, die deutsche Sympathie
durch höhere politische Grüude würdig gemacht worden, ein Wort drein zu reden.
Der Deutsche läßt sich im Gefühle dieser Weisheit nicht irre machen, wenn man
ihm die Unfähigkeit vorwirft Eins zu werden, da wir östreichische Deutsche stünd¬
lich das bange Gefühl empfinden, wie wir selber noch kein Oestreich zu Stande


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[0416] eben, Slovenen, Krämern, Frianlernzc. ähnliche Berechnungen und constitutionelle Beschlußnahmen beliebt werden, so gilt Palacky's hartnäckige Behauptung von Böhmens deutscher Minorität offenbar gegen ihn selbst — um zu schweigen von einer Nation Oestreichs, welche so sehr fürchtet zur Gleichberechtigung zu gelan¬ gen, nämlich von den Juden, deren Anzahl so beträchtlich ist, als manche östrei¬ chische Majorität. Kehren wir nun zum Ernst zurück, so haben wir herausgebracht, daß die, Art und Richtung der gegen die Magyaren sich erhebenden Volksstimme weder ihre Consequenzen erschöpft, noch auch ihre Klarheit erlaugt hat. Der magyarische Geist scheint gedemüthigt und doch täuschen wir uns nicht — er kommt eben erst zum Vorschein. Kossuth ist der Träger dieses über die ungarischen Minoritäten herrschen wollenden Magyansmns gewesen, ohne irgend einen andern denselben beigemischten Zug — die Erhebung gegen die Krone ausgenommen, welchen sich der altmagyarische aristokratische Geist, der nun in jedem neuen Schritte der un¬ garischen Administration erwacht, ersparen und mit anderem Widerstande ersetzen wird. Das Ende von diesem Volksgeiste können wir eben so wenig bestimmen, als es dem Ministerium gelingen wird, alle aufgezählten Nationen zu berechtigen — so sehr wir und gewiß jeder liberale Mann mit uns es wünschen mögen. Italien kann unmöglich einen Grund angeben, aus welchem es den im März 1848 gethanen offenen Schritt durch ernstliche Besserung gutmachen möchte, und. wir müssen überdies auf die Eingangs abgegebene Verwahrung verweisen, daß uns hierüber überhaupt keine Aeußerungen zukommen und wir daher ans unser schlußfähiges Urtheil lediglich angewiesen sind. Wir stehen am Rande der Dinge, indem wir Deutsche und Czechen gegen- überstellen; denn der Pole will eine Föderation und wird die Schwächung Oest¬ reichs eher zugeben, als daß er sich die Erhaltung desselben zur Aufgabe machte, wie dies bekanntlich einige Völker exclusiv thun und darob sich rühmen. Der Slovene hat keinerlei besondere Manöver angestellt. Der Deutsche will aber deu Anschluß an Deutschland nicht blos weil das deutsche Lied gesungen und mit Jubel aufgenommen wird, sondern auch aus dem Grunde, um Oestreich zu erhalten und dessen Macht zu erhöhen, wenn wir nämlich die frommen Wünsche nach gesitteter Freiheit und steigendem Wohl¬ stande als nicht zur höhern Politik gehörig nach hiesigen Begriffen bei Seite lassen. Der Deutsche meint, daß die Behauptungen von Gernbeisammenbleiben freier Völker zwar sehr wahr sind, aber warum sollte nicht auch ein freies Volk lieber wo anders hin wollen? Es ist also, wie Sie sehen, die deutsche Sympathie durch höhere politische Grüude würdig gemacht worden, ein Wort drein zu reden. Der Deutsche läßt sich im Gefühle dieser Weisheit nicht irre machen, wenn man ihm die Unfähigkeit vorwirft Eins zu werden, da wir östreichische Deutsche stünd¬ lich das bange Gefühl empfinden, wie wir selber noch kein Oestreich zu Stande

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_277987/416>, abgerufen am 23.07.2024.