Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band.Staatsbürgerrechte, der Wählbarkeit zur Volksvertretung, proscribirt! Unselige Also im Westen ging die rothe Sonue der Demokratie auf und -- wieder ' Werfen wir einen Blick nach dem Süden. Kein weltlicher Papst mehr! Staatsbürgerrechte, der Wählbarkeit zur Volksvertretung, proscribirt! Unselige Also im Westen ging die rothe Sonue der Demokratie auf und — wieder ' Werfen wir einen Blick nach dem Süden. Kein weltlicher Papst mehr! <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0400" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/278388"/> <p xml:id="ID_2444" prev="#ID_2443"> Staatsbürgerrechte, der Wählbarkeit zur Volksvertretung, proscribirt! Unselige<lb/> Verblendung, womit die abtretenden Republikaner den Legitimisten tausend blinde<lb/> Werkzeuge für ihre reactionären Pläne in die Hände geben!</p><lb/> <p xml:id="ID_2445"> Also im Westen ging die rothe Sonue der Demokratie auf und — wieder<lb/> unter. Von dort haben wir höchstens ein schwaches Wetterleuchten, aber keinen<lb/> neuen Sturm zu erwarten.</p><lb/> <p xml:id="ID_2446" next="#ID_2447"> ' Werfen wir einen Blick nach dem Süden. Kein weltlicher Papst mehr!<lb/> Römische Republik und italienische Constituante, die ganze Halbinsel soll Einen<lb/> demokratischen Staat bilden, nächstens Aufhebung der Klöster und Austreibung<lb/> der Mönche! Bei Gott, die kühnsten Träume unserer Autipaptisten, der Deutsch-<lb/> katholike», Lichtfreunde, freien Gemeinden ze. könnten nicht schöner in Erfüllung<lb/> gehen. Das Oberhaupt der katholischen Christenheit seiner weltlichen Herrschaft<lb/> entsetzt und nur als erster Bischof auf halbem Sold gnädigst beibehalten, alle<lb/> Wcihranchromantik aus der Welt verbannt, die Religion aus den dogmatischen<lb/> Fesseln befreit — wie sich nun der freie Gedanke über alle Menschenkinder mit<lb/> Blitzesschnelle verbreiten wird! — Ja, wir glauben, der alte Katholicismus hat<lb/> in der Christenheit seinen Todesstoß erhalten. Die Zeit der goldenen Bullen und<lb/> Excvmmuuicatioucn, der päpstlichen Bannstrahleu über Könige und Reiche kehrt in<lb/> Europa nicht wieder. Aber für die kindliche Phantasie des Jtalieners hat das<lb/> Gaukelspiel und Schaugepränge der alleinseligmachenden Kirche noch immer so viel<lb/> Reiz als das bunte Maskenspiel seines Karnevals. Und laßt nur erst die demokratischen<lb/> Schauspieler, welche jetzt die italienische Constituante in Scene setzen, wirklich ans<lb/> die Bühne treten vor dem gesammten europäischen Publikum, und die blitzschnel¬<lb/> len Verwandlungen aus einem „Kirchenstaat" in eine freie Republik und aus einer<lb/> päpstlichen Heerde von Unterthanen in selbstständige Staatsbürger beginnen, und<lb/> die Statisten hinter den Coulissen werden als leibhaftige Oestreicher und anderes<lb/> Kriegsvolk mit blanken Schwertern erscheinen und Volk, Bürger, Edle, Senato¬<lb/> ren , Minister, provisorische Regenten und was sonst mit auf der Bühne ist, wer¬<lb/> den in eine gräuliche Verwirrung gerathen und ^Ibort» I-r su-lew, der Juspiziaut<lb/> der italienischen Tragödie, wird klingeln, der Vorhang fällt —--„Halt,<lb/> halt!" schreien die hoffnungsreichen Radikale», welche das Stück gern zu Ende<lb/> gespielt sehen möchten, „es kömmt noch ein Oeus ex in-leimi-r, Marschall Bugeaud<lb/> mit der Alpinarmee und verkündigt mit einem schonen Tableau vou entthronten<lb/> Fürsten, aufs Haupt geschlagenen Oestreichern, unter bengalischen Feuer und Ka¬<lb/> nonendonner die einzige und untheilbare italienische Republik unter allergnädig-<lb/> sten französischem Schutz!" Meint ihr? Marschall Bugeaud, der früher so<lb/> viele Araberhäuptlinge sich zum Diner einfing und zubereiten ließ, hat plötzlich<lb/> einen Heißhunger auf rothe Republikaner bekommen. Er verspricht sich in Paris<lb/> eine sehr gute Ausbeute und wünscht ganz Frankreich durch seine Armee von die¬<lb/> sen rothen Füchsen zu säubern. Der dicke General nennt das: Ruhe und Ort-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0400]
Staatsbürgerrechte, der Wählbarkeit zur Volksvertretung, proscribirt! Unselige
Verblendung, womit die abtretenden Republikaner den Legitimisten tausend blinde
Werkzeuge für ihre reactionären Pläne in die Hände geben!
Also im Westen ging die rothe Sonue der Demokratie auf und — wieder
unter. Von dort haben wir höchstens ein schwaches Wetterleuchten, aber keinen
neuen Sturm zu erwarten.
' Werfen wir einen Blick nach dem Süden. Kein weltlicher Papst mehr!
Römische Republik und italienische Constituante, die ganze Halbinsel soll Einen
demokratischen Staat bilden, nächstens Aufhebung der Klöster und Austreibung
der Mönche! Bei Gott, die kühnsten Träume unserer Autipaptisten, der Deutsch-
katholike», Lichtfreunde, freien Gemeinden ze. könnten nicht schöner in Erfüllung
gehen. Das Oberhaupt der katholischen Christenheit seiner weltlichen Herrschaft
entsetzt und nur als erster Bischof auf halbem Sold gnädigst beibehalten, alle
Wcihranchromantik aus der Welt verbannt, die Religion aus den dogmatischen
Fesseln befreit — wie sich nun der freie Gedanke über alle Menschenkinder mit
Blitzesschnelle verbreiten wird! — Ja, wir glauben, der alte Katholicismus hat
in der Christenheit seinen Todesstoß erhalten. Die Zeit der goldenen Bullen und
Excvmmuuicatioucn, der päpstlichen Bannstrahleu über Könige und Reiche kehrt in
Europa nicht wieder. Aber für die kindliche Phantasie des Jtalieners hat das
Gaukelspiel und Schaugepränge der alleinseligmachenden Kirche noch immer so viel
Reiz als das bunte Maskenspiel seines Karnevals. Und laßt nur erst die demokratischen
Schauspieler, welche jetzt die italienische Constituante in Scene setzen, wirklich ans
die Bühne treten vor dem gesammten europäischen Publikum, und die blitzschnel¬
len Verwandlungen aus einem „Kirchenstaat" in eine freie Republik und aus einer
päpstlichen Heerde von Unterthanen in selbstständige Staatsbürger beginnen, und
die Statisten hinter den Coulissen werden als leibhaftige Oestreicher und anderes
Kriegsvolk mit blanken Schwertern erscheinen und Volk, Bürger, Edle, Senato¬
ren , Minister, provisorische Regenten und was sonst mit auf der Bühne ist, wer¬
den in eine gräuliche Verwirrung gerathen und ^Ibort» I-r su-lew, der Juspiziaut
der italienischen Tragödie, wird klingeln, der Vorhang fällt —--„Halt,
halt!" schreien die hoffnungsreichen Radikale», welche das Stück gern zu Ende
gespielt sehen möchten, „es kömmt noch ein Oeus ex in-leimi-r, Marschall Bugeaud
mit der Alpinarmee und verkündigt mit einem schonen Tableau vou entthronten
Fürsten, aufs Haupt geschlagenen Oestreichern, unter bengalischen Feuer und Ka¬
nonendonner die einzige und untheilbare italienische Republik unter allergnädig-
sten französischem Schutz!" Meint ihr? Marschall Bugeaud, der früher so
viele Araberhäuptlinge sich zum Diner einfing und zubereiten ließ, hat plötzlich
einen Heißhunger auf rothe Republikaner bekommen. Er verspricht sich in Paris
eine sehr gute Ausbeute und wünscht ganz Frankreich durch seine Armee von die¬
sen rothen Füchsen zu säubern. Der dicke General nennt das: Ruhe und Ort-
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