Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band.Muth, ihr Männer! Der März wird kommen und die verjüngte Natur soll Werfet ein Ange ans die Früchte, welche der vorjährige "Völkerfrühling" Also im Westen in Frankreich ging die rothe Sonne der Demokratie auf. Muth, ihr Männer! Der März wird kommen und die verjüngte Natur soll Werfet ein Ange ans die Früchte, welche der vorjährige „Völkerfrühling" Also im Westen in Frankreich ging die rothe Sonne der Demokratie auf. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0399" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/278387"/> <p xml:id="ID_2441"> Muth, ihr Männer! Der März wird kommen und die verjüngte Natur soll<lb/> auch uns verjüngt und rüstig finden. Nur nicht gleich den Kopf hängen lassen und<lb/> die Augen zuschließen. „Ja, aber die Revolution! die Demokraten!" ruft ihr<lb/> uns zu. Nun, der Herr hat sie gegeben, der Herr hat sie genommen, der Name des<lb/> Herrn sei gelobt! Oder um euch mir einem andern Bibelspruch zu trösten: An<lb/> ihren Früchten sollt ihr sie erkennen.</p><lb/> <p xml:id="ID_2442"> Werfet ein Ange ans die Früchte, welche der vorjährige „Völkerfrühling"<lb/> der Welt getragen hat. Die Radicalen behaupten zwar, sie seien noch nicht reif<lb/> und man warte nur einen neuen März ab, um sie vom Baume zu schütteln. Auch<lb/> wir glauben, sie seien noch nicht alle reif. Aber ein kluger Gärtner sieht fleißig<lb/> nach, daß nicht plötzlicher Frost oder eine unnatürliche Hitze sie ihm gänzlich verdirbt.</p><lb/> <p xml:id="ID_2443" next="#ID_2444"> Also im Westen in Frankreich ging die rothe Sonne der Demokratie auf.<lb/> Und wie sieht's jetzt nach einem Jahr ans im gelobten Land der Republikaner?<lb/> I-<ir l»eI1«z l'i-iuico liegt erschöpft und zerrüttet vom wildem Tanze und wirft schmach¬<lb/> tende Blicke nach den verstoßenen Geliebten mit der güldenen Krone! Die herz¬<lb/> losen Don Juan's der Februarrevolution haben In belle ir-nov um ihren guten<lb/> Ruf gebracht bei allen Banquiers dieser Erde und bei allen begeisterten Anbetern<lb/> der gesetzlichen Freiheit. Kein Demokrat von ehrbarer Gesinnung baut jetzt mehr<lb/> seine Hoffnungen auf die Gunst oder Laune der französischen Nation. Und die<lb/> Kinder dieser edlen Nation selbst haben sich unter den kleinen Hut eines großen<lb/> Mannes versteckt, weil sie sich vor dem Wauwau des Socialismus fürchteten.<lb/> Aber dieser Wauwau ist uicht so arg, als er aussieht. Fragt nur Louis Blanc,<lb/> den Knecht Ruprecht aus den Tagen der provisorischen Regierung, der seine ar¬<lb/> beitenden Brüder in den Nationalwerkstätten so gut zu versorge» wußte und<lb/> dem Staate ein so ansehnliches Deficit bescheerte, er wird euch jetzt unter Seuf¬<lb/> zern gestehen, daß es in der Republik eben so arme Schlucker geben könne als<lb/> in der Monarchie, trotzdem er das Gegentheil in seiner 4 bändigen Geschichte der<lb/> letzten zehn Jahre bewiesen hat. Und Proudhon, der französische Philosoph n-^r<lb/> excvljence, hat eben eine Volksbank begründet, welche er nach dem obersten Prin¬<lb/> cipe des gegenwärtigen Zeitalters construirt, nämlich, wie er eben entdeckt hat,<lb/> nach der einfachen mathematischen Formel: ^ ----- n, der Formel der allgemeinen<lb/> Gleichheit und Brüderlichkeit. Ihr gründlichen Deutschen! Mühe euch ab, aus<lb/> dem langweiligen Wege der Gewerbs - und Handelsstatistik, der Nationalökonomie<lb/> und Gesetzgebung die socialen Zustände zu verbessern, während der französische<lb/> Philosoph des Elends das Elend der deutschen Philosophie recht klar an den<lb/> Tag legt, indem ihm die einfache Formel ^ -t genügt, die Welt zu beglücken.<lb/> Ledru Nollin hat die Schwindsucht, Lamartine ist nur mehr „der Schatten seiner<lb/> ^'lbst", und die souveräne Nationalversammlung, diese letzte Stütze der honetten<lb/> Republikaner, rächt sich eben vor ihrer erzwungenen Auflösung wie ein Kind an<lb/> jetzt herrschenden Regierung, indem sie alle Beamte des Reiches vom ersten</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0399]
Muth, ihr Männer! Der März wird kommen und die verjüngte Natur soll
auch uns verjüngt und rüstig finden. Nur nicht gleich den Kopf hängen lassen und
die Augen zuschließen. „Ja, aber die Revolution! die Demokraten!" ruft ihr
uns zu. Nun, der Herr hat sie gegeben, der Herr hat sie genommen, der Name des
Herrn sei gelobt! Oder um euch mir einem andern Bibelspruch zu trösten: An
ihren Früchten sollt ihr sie erkennen.
Werfet ein Ange ans die Früchte, welche der vorjährige „Völkerfrühling"
der Welt getragen hat. Die Radicalen behaupten zwar, sie seien noch nicht reif
und man warte nur einen neuen März ab, um sie vom Baume zu schütteln. Auch
wir glauben, sie seien noch nicht alle reif. Aber ein kluger Gärtner sieht fleißig
nach, daß nicht plötzlicher Frost oder eine unnatürliche Hitze sie ihm gänzlich verdirbt.
Also im Westen in Frankreich ging die rothe Sonne der Demokratie auf.
Und wie sieht's jetzt nach einem Jahr ans im gelobten Land der Republikaner?
I-<ir l»eI1«z l'i-iuico liegt erschöpft und zerrüttet vom wildem Tanze und wirft schmach¬
tende Blicke nach den verstoßenen Geliebten mit der güldenen Krone! Die herz¬
losen Don Juan's der Februarrevolution haben In belle ir-nov um ihren guten
Ruf gebracht bei allen Banquiers dieser Erde und bei allen begeisterten Anbetern
der gesetzlichen Freiheit. Kein Demokrat von ehrbarer Gesinnung baut jetzt mehr
seine Hoffnungen auf die Gunst oder Laune der französischen Nation. Und die
Kinder dieser edlen Nation selbst haben sich unter den kleinen Hut eines großen
Mannes versteckt, weil sie sich vor dem Wauwau des Socialismus fürchteten.
Aber dieser Wauwau ist uicht so arg, als er aussieht. Fragt nur Louis Blanc,
den Knecht Ruprecht aus den Tagen der provisorischen Regierung, der seine ar¬
beitenden Brüder in den Nationalwerkstätten so gut zu versorge» wußte und
dem Staate ein so ansehnliches Deficit bescheerte, er wird euch jetzt unter Seuf¬
zern gestehen, daß es in der Republik eben so arme Schlucker geben könne als
in der Monarchie, trotzdem er das Gegentheil in seiner 4 bändigen Geschichte der
letzten zehn Jahre bewiesen hat. Und Proudhon, der französische Philosoph n-^r
excvljence, hat eben eine Volksbank begründet, welche er nach dem obersten Prin¬
cipe des gegenwärtigen Zeitalters construirt, nämlich, wie er eben entdeckt hat,
nach der einfachen mathematischen Formel: ^ ----- n, der Formel der allgemeinen
Gleichheit und Brüderlichkeit. Ihr gründlichen Deutschen! Mühe euch ab, aus
dem langweiligen Wege der Gewerbs - und Handelsstatistik, der Nationalökonomie
und Gesetzgebung die socialen Zustände zu verbessern, während der französische
Philosoph des Elends das Elend der deutschen Philosophie recht klar an den
Tag legt, indem ihm die einfache Formel ^ -t genügt, die Welt zu beglücken.
Ledru Nollin hat die Schwindsucht, Lamartine ist nur mehr „der Schatten seiner
^'lbst", und die souveräne Nationalversammlung, diese letzte Stütze der honetten
Republikaner, rächt sich eben vor ihrer erzwungenen Auflösung wie ein Kind an
jetzt herrschenden Regierung, indem sie alle Beamte des Reiches vom ersten
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