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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band.

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regung nicht geringer. Schon damals, als Jellachich in seinem Grenzgebiet ge¬
gen die Ungarn rüstete, kam eines Tages ein Haufe türkischer Paschas, Grenz¬
häuptlinge und Baudenführer über größere und kleinere Horden, vor seine Woh¬
nung. Sie setzten sich feierlich auf die Polster nieder, die türkische Friedenspfeife
wurde geraucht, der Aelteste strich seinen grauen Bart und forderte von dem Borns
Auskunft über die Rüstungen gegen die Ungarn, welche ihre Freunde und guten
Nachbarn seien. Als Jellachich ihnen aber auseinandergesetzt hatte, daß die Un¬
garn als Feinde seines Kaisers die Freiheit der Grenze unterdrücken wollten, da
erboten sich die gesammten Bandensührer einstimmig, mit ihren Truppen zu ihm
zu stoße" und sür das Kaiserhaus zu kämpfen. Noch mehr, der Vladika von Mon¬
tenegro, jener gebildete Abenteurer, welcher in den Salons von Paris und im
Czaareupalast zu Se. Petersburg als eine Art von Monte Christo Aussehn gemacht
hat, schrieb damals brüderlich an den Baums, erbot sich mit 50,000 Mann zu ihm
zu stoßen. Jellachich machte zwar sein Fragezeichen zu der offerirten Truppcuzahl,
aber ihm und unsern Politikern mußte seit dem vorigen Sommer klar sein, daß
eine heftige Erregung in die südlichen Grenzlande gekommen sei, welche sich bei
wilden Stämmen, wie bei Vulkanen, nie ohne Eruption verliert und welche bei
geringer Nachhilfe entweder Oestreichs Herrschaft über das Donaugebiet sichern
und "auch Leben auf rohem Boden entwickeln, oder dem Kaiserstaat selbst tödt-
liche Wunden schlagen mußte.

Seit vorigem October war der östreichischen Regierung ihr Weg deutlich vor¬
gezeichnet, sie mußte mit selbstständiger Kraft, ohne herauszufordern, gegen Ru߬
land Front Machen, sie mußte gegen die Besetzung der Fürstenthümer protestiren,
mußte Ungarn mit Energie zerschlagen und die einfachen Grundzüge einer födera¬
tivem Verfassung für die auftauchenden slavischen Stämme und die ungarischen Theile
ohne Weiteres octroviren. Sie hat das nicht gewagt, wegen Italien nicht, wegen
ihrer Finanznoth nicht, vor Allein nicht, weil es ihr an Kraft fehlte. Es ist unnütz,
über Vergangenes Worte zu verlieren.

Statt dessen aber was hat sie gethan, was thut sie noch? Sie hat ihren
Stützpunkt außer sich in der Freundschaft mit Rußland gesucht und dadurch ist sie
schrittweise von ihrem ersten Programm ab, zu einem schwächlichen Despotismus
getrieben worden, und dadurch hat sie, die Regierung, dasselbe verschuldet, was
im vorigen Herbst eine kindische Demokratie in Wien gewagt hat; sie hat den
Kaiserstaat zum Abgrund, zur Auflösung gebracht.

Das läßt sich beweisen. Die Svmptome des Verfalls werden deutlicher.
Fürchtet nicht, ihr Herren in Olmütz, daß es ein plötzlicher Schlagfluß sein wird,
der unser Leben endet, das widerliche Loos, welches auf Eurem Wege uns er¬
wartet, ist ein langsames Dahinsiechen. Wir werden Armeen halten, um lästige
Forderungen unbescheidener Nationalitäten zu unterdrücken, Handel und Verkehr
werden dabei immer mehr verkümmern, die Finanzen, das Herzblut des Staa-


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regung nicht geringer. Schon damals, als Jellachich in seinem Grenzgebiet ge¬
gen die Ungarn rüstete, kam eines Tages ein Haufe türkischer Paschas, Grenz¬
häuptlinge und Baudenführer über größere und kleinere Horden, vor seine Woh¬
nung. Sie setzten sich feierlich auf die Polster nieder, die türkische Friedenspfeife
wurde geraucht, der Aelteste strich seinen grauen Bart und forderte von dem Borns
Auskunft über die Rüstungen gegen die Ungarn, welche ihre Freunde und guten
Nachbarn seien. Als Jellachich ihnen aber auseinandergesetzt hatte, daß die Un¬
garn als Feinde seines Kaisers die Freiheit der Grenze unterdrücken wollten, da
erboten sich die gesammten Bandensührer einstimmig, mit ihren Truppen zu ihm
zu stoße« und sür das Kaiserhaus zu kämpfen. Noch mehr, der Vladika von Mon¬
tenegro, jener gebildete Abenteurer, welcher in den Salons von Paris und im
Czaareupalast zu Se. Petersburg als eine Art von Monte Christo Aussehn gemacht
hat, schrieb damals brüderlich an den Baums, erbot sich mit 50,000 Mann zu ihm
zu stoßen. Jellachich machte zwar sein Fragezeichen zu der offerirten Truppcuzahl,
aber ihm und unsern Politikern mußte seit dem vorigen Sommer klar sein, daß
eine heftige Erregung in die südlichen Grenzlande gekommen sei, welche sich bei
wilden Stämmen, wie bei Vulkanen, nie ohne Eruption verliert und welche bei
geringer Nachhilfe entweder Oestreichs Herrschaft über das Donaugebiet sichern
und »auch Leben auf rohem Boden entwickeln, oder dem Kaiserstaat selbst tödt-
liche Wunden schlagen mußte.

Seit vorigem October war der östreichischen Regierung ihr Weg deutlich vor¬
gezeichnet, sie mußte mit selbstständiger Kraft, ohne herauszufordern, gegen Ru߬
land Front Machen, sie mußte gegen die Besetzung der Fürstenthümer protestiren,
mußte Ungarn mit Energie zerschlagen und die einfachen Grundzüge einer födera¬
tivem Verfassung für die auftauchenden slavischen Stämme und die ungarischen Theile
ohne Weiteres octroviren. Sie hat das nicht gewagt, wegen Italien nicht, wegen
ihrer Finanznoth nicht, vor Allein nicht, weil es ihr an Kraft fehlte. Es ist unnütz,
über Vergangenes Worte zu verlieren.

Statt dessen aber was hat sie gethan, was thut sie noch? Sie hat ihren
Stützpunkt außer sich in der Freundschaft mit Rußland gesucht und dadurch ist sie
schrittweise von ihrem ersten Programm ab, zu einem schwächlichen Despotismus
getrieben worden, und dadurch hat sie, die Regierung, dasselbe verschuldet, was
im vorigen Herbst eine kindische Demokratie in Wien gewagt hat; sie hat den
Kaiserstaat zum Abgrund, zur Auflösung gebracht.

Das läßt sich beweisen. Die Svmptome des Verfalls werden deutlicher.
Fürchtet nicht, ihr Herren in Olmütz, daß es ein plötzlicher Schlagfluß sein wird,
der unser Leben endet, das widerliche Loos, welches auf Eurem Wege uns er¬
wartet, ist ein langsames Dahinsiechen. Wir werden Armeen halten, um lästige
Forderungen unbescheidener Nationalitäten zu unterdrücken, Handel und Verkehr
werden dabei immer mehr verkümmern, die Finanzen, das Herzblut des Staa-


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[0395] regung nicht geringer. Schon damals, als Jellachich in seinem Grenzgebiet ge¬ gen die Ungarn rüstete, kam eines Tages ein Haufe türkischer Paschas, Grenz¬ häuptlinge und Baudenführer über größere und kleinere Horden, vor seine Woh¬ nung. Sie setzten sich feierlich auf die Polster nieder, die türkische Friedenspfeife wurde geraucht, der Aelteste strich seinen grauen Bart und forderte von dem Borns Auskunft über die Rüstungen gegen die Ungarn, welche ihre Freunde und guten Nachbarn seien. Als Jellachich ihnen aber auseinandergesetzt hatte, daß die Un¬ garn als Feinde seines Kaisers die Freiheit der Grenze unterdrücken wollten, da erboten sich die gesammten Bandensührer einstimmig, mit ihren Truppen zu ihm zu stoße« und sür das Kaiserhaus zu kämpfen. Noch mehr, der Vladika von Mon¬ tenegro, jener gebildete Abenteurer, welcher in den Salons von Paris und im Czaareupalast zu Se. Petersburg als eine Art von Monte Christo Aussehn gemacht hat, schrieb damals brüderlich an den Baums, erbot sich mit 50,000 Mann zu ihm zu stoßen. Jellachich machte zwar sein Fragezeichen zu der offerirten Truppcuzahl, aber ihm und unsern Politikern mußte seit dem vorigen Sommer klar sein, daß eine heftige Erregung in die südlichen Grenzlande gekommen sei, welche sich bei wilden Stämmen, wie bei Vulkanen, nie ohne Eruption verliert und welche bei geringer Nachhilfe entweder Oestreichs Herrschaft über das Donaugebiet sichern und »auch Leben auf rohem Boden entwickeln, oder dem Kaiserstaat selbst tödt- liche Wunden schlagen mußte. Seit vorigem October war der östreichischen Regierung ihr Weg deutlich vor¬ gezeichnet, sie mußte mit selbstständiger Kraft, ohne herauszufordern, gegen Ru߬ land Front Machen, sie mußte gegen die Besetzung der Fürstenthümer protestiren, mußte Ungarn mit Energie zerschlagen und die einfachen Grundzüge einer födera¬ tivem Verfassung für die auftauchenden slavischen Stämme und die ungarischen Theile ohne Weiteres octroviren. Sie hat das nicht gewagt, wegen Italien nicht, wegen ihrer Finanznoth nicht, vor Allein nicht, weil es ihr an Kraft fehlte. Es ist unnütz, über Vergangenes Worte zu verlieren. Statt dessen aber was hat sie gethan, was thut sie noch? Sie hat ihren Stützpunkt außer sich in der Freundschaft mit Rußland gesucht und dadurch ist sie schrittweise von ihrem ersten Programm ab, zu einem schwächlichen Despotismus getrieben worden, und dadurch hat sie, die Regierung, dasselbe verschuldet, was im vorigen Herbst eine kindische Demokratie in Wien gewagt hat; sie hat den Kaiserstaat zum Abgrund, zur Auflösung gebracht. Das läßt sich beweisen. Die Svmptome des Verfalls werden deutlicher. Fürchtet nicht, ihr Herren in Olmütz, daß es ein plötzlicher Schlagfluß sein wird, der unser Leben endet, das widerliche Loos, welches auf Eurem Wege uns er¬ wartet, ist ein langsames Dahinsiechen. Wir werden Armeen halten, um lästige Forderungen unbescheidener Nationalitäten zu unterdrücken, Handel und Verkehr werden dabei immer mehr verkümmern, die Finanzen, das Herzblut des Staa- 49*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_277987/395>, abgerufen am 23.12.2024.