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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band.

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Wald,
(allein, schenkt sich Wein in das Glas.)

Umsonst, auch der Wein

widert mich an. Jeder Genuß wandelt sich vor meinen Lippen in das Gegentheil.
Wie Tantalus stehe ich mitten in der Fluth, und die Wasser gurgeln zur Tiefe
rings um meinen dürstenden Mund, und die Früchte über meinem Haupt schnellen
in die Höh, so oft ich darnach greife. Das wird mir unheimlich! Zuerst erhalte
ich statt eines Rendezvous einen Messerstich; ich trete von da hinein in das ruhige
Glück ehrlicher Leute, und meine bloße Gegenwart drinn,t ihnen Schmerzen, Elend
und Schande; ich gewinne ein Mädchen lieb, nicht mit den Augen, sondern end¬
lich einmal recht schlechtweg von Herzen, und dasselbe Geschöpf Gottes flucht mir
augenblicklich dafür und jagt mich von sich, wie man einen Hund von der
Schwelle jagt, und wie ein Hund gehe ich auch. Das ist sehr seltsam! -- Bah!
Albernheit ist's, Blödsinn, krankhafte Schwäche! Und wer ist sie, das arme, un¬
wissende Ding, diese Gärtnerstochtcr? Könnte ich sie nur verachten, mir würde
besser. -- Ich kann nicht, ich kaun nichl! Die klare, sichere Empfindung, ihr
jungfiänliches Vertrauen, es hat mich gefesselt an Arm und Bein, ich stecke in
der Schlinge, wie eine erwürgte Drossel. -- Ich will zu ihr -- ich kann nicht
beten, nickt schwören, nickt die Hände ringen, aber ich kann ihr sagen, daß mir
in der Welt an nichts mehr Etwas gelegen ist, nur an ihrer Vergebung. --
(kommt zurück) Thor, selbstsüchtiger Thor! Deine Nähe vergiftet, Dein Gruß bringt
ihr Verderben! Und kann selbst sie mich gesund machen? Ich wette, sie kann's
nicht. Der Hauch ihres Mundes hat uur zusammengeblascn, was von todter
Asche in mir lag, und jetzt drückt der ganze Wust des verkohlten Lebens auf mein
Herz. -- Dafür gibt'ö keine Hilfe, auf Erden keine, keine, (stützt sich aus den
Divan). -- Holla, wer kommt? herein, Du später Gast, Du wirst einen wun¬
derlichen Gesellschafter finden.

Georgine (durch die Tapetenthür links).

Wald.

Werda! Kater oder Katze? -- Frau Fürstin!


Georg.

Vergessen Sie heut, mein Graf, daß Georgine Udaschkin ein Weib

ist, denken Sie, ich sei ein Manu, ein alter Freund; welcher kommt, seiue Freun¬
desrechte in Anspruch zu nehmen. Was die Welt Rücksichten nennt, zwischen uns
darf das jetzt uicht gelten. Sie haben mich einst Ihre Freundin genannt, dies
Zeichen des Vertrauens (den Schlüssel zeigend), ich habe es bewahrt! Ich komme
zu Ihnen, um Vertraue,: und Mittheilung zu fordern, von einem Kranken zu
fordern, der sich selbst verloren hat.


Wald.

Bei Gott, ein hochherziges Weib, und von ihr habe ich das nicht

verdient.

Ohne Umstände , lieber Graf, (ihn zum Sitzen auf den


Georg,
(launig).

Divan einladend und sich komisch auf eine Fußbank kauernd) ich heiße diesen Abend
George und bin Ihr Trinkbruder, ohne Umstände, setzen Sie sich. -- Sie rühm¬
ten einst meine fröhliche Laune, ich komme, sie Ihnen zu beweisen. Einen An-


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Wald,
(allein, schenkt sich Wein in das Glas.)

Umsonst, auch der Wein

widert mich an. Jeder Genuß wandelt sich vor meinen Lippen in das Gegentheil.
Wie Tantalus stehe ich mitten in der Fluth, und die Wasser gurgeln zur Tiefe
rings um meinen dürstenden Mund, und die Früchte über meinem Haupt schnellen
in die Höh, so oft ich darnach greife. Das wird mir unheimlich! Zuerst erhalte
ich statt eines Rendezvous einen Messerstich; ich trete von da hinein in das ruhige
Glück ehrlicher Leute, und meine bloße Gegenwart drinn,t ihnen Schmerzen, Elend
und Schande; ich gewinne ein Mädchen lieb, nicht mit den Augen, sondern end¬
lich einmal recht schlechtweg von Herzen, und dasselbe Geschöpf Gottes flucht mir
augenblicklich dafür und jagt mich von sich, wie man einen Hund von der
Schwelle jagt, und wie ein Hund gehe ich auch. Das ist sehr seltsam! — Bah!
Albernheit ist's, Blödsinn, krankhafte Schwäche! Und wer ist sie, das arme, un¬
wissende Ding, diese Gärtnerstochtcr? Könnte ich sie nur verachten, mir würde
besser. — Ich kann nicht, ich kaun nichl! Die klare, sichere Empfindung, ihr
jungfiänliches Vertrauen, es hat mich gefesselt an Arm und Bein, ich stecke in
der Schlinge, wie eine erwürgte Drossel. — Ich will zu ihr — ich kann nicht
beten, nickt schwören, nickt die Hände ringen, aber ich kann ihr sagen, daß mir
in der Welt an nichts mehr Etwas gelegen ist, nur an ihrer Vergebung. —
(kommt zurück) Thor, selbstsüchtiger Thor! Deine Nähe vergiftet, Dein Gruß bringt
ihr Verderben! Und kann selbst sie mich gesund machen? Ich wette, sie kann's
nicht. Der Hauch ihres Mundes hat uur zusammengeblascn, was von todter
Asche in mir lag, und jetzt drückt der ganze Wust des verkohlten Lebens auf mein
Herz. — Dafür gibt'ö keine Hilfe, auf Erden keine, keine, (stützt sich aus den
Divan). — Holla, wer kommt? herein, Du später Gast, Du wirst einen wun¬
derlichen Gesellschafter finden.

Georgine (durch die Tapetenthür links).

Wald.

Werda! Kater oder Katze? — Frau Fürstin!


Georg.

Vergessen Sie heut, mein Graf, daß Georgine Udaschkin ein Weib

ist, denken Sie, ich sei ein Manu, ein alter Freund; welcher kommt, seiue Freun¬
desrechte in Anspruch zu nehmen. Was die Welt Rücksichten nennt, zwischen uns
darf das jetzt uicht gelten. Sie haben mich einst Ihre Freundin genannt, dies
Zeichen des Vertrauens (den Schlüssel zeigend), ich habe es bewahrt! Ich komme
zu Ihnen, um Vertraue,: und Mittheilung zu fordern, von einem Kranken zu
fordern, der sich selbst verloren hat.


Wald.

Bei Gott, ein hochherziges Weib, und von ihr habe ich das nicht

verdient.

Ohne Umstände , lieber Graf, (ihn zum Sitzen auf den


Georg,
(launig).

Divan einladend und sich komisch auf eine Fußbank kauernd) ich heiße diesen Abend
George und bin Ihr Trinkbruder, ohne Umstände, setzen Sie sich. — Sie rühm¬
ten einst meine fröhliche Laune, ich komme, sie Ihnen zu beweisen. Einen An-


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[0379] Wald, (allein, schenkt sich Wein in das Glas.) Umsonst, auch der Wein widert mich an. Jeder Genuß wandelt sich vor meinen Lippen in das Gegentheil. Wie Tantalus stehe ich mitten in der Fluth, und die Wasser gurgeln zur Tiefe rings um meinen dürstenden Mund, und die Früchte über meinem Haupt schnellen in die Höh, so oft ich darnach greife. Das wird mir unheimlich! Zuerst erhalte ich statt eines Rendezvous einen Messerstich; ich trete von da hinein in das ruhige Glück ehrlicher Leute, und meine bloße Gegenwart drinn,t ihnen Schmerzen, Elend und Schande; ich gewinne ein Mädchen lieb, nicht mit den Augen, sondern end¬ lich einmal recht schlechtweg von Herzen, und dasselbe Geschöpf Gottes flucht mir augenblicklich dafür und jagt mich von sich, wie man einen Hund von der Schwelle jagt, und wie ein Hund gehe ich auch. Das ist sehr seltsam! — Bah! Albernheit ist's, Blödsinn, krankhafte Schwäche! Und wer ist sie, das arme, un¬ wissende Ding, diese Gärtnerstochtcr? Könnte ich sie nur verachten, mir würde besser. — Ich kann nicht, ich kaun nichl! Die klare, sichere Empfindung, ihr jungfiänliches Vertrauen, es hat mich gefesselt an Arm und Bein, ich stecke in der Schlinge, wie eine erwürgte Drossel. — Ich will zu ihr — ich kann nicht beten, nickt schwören, nickt die Hände ringen, aber ich kann ihr sagen, daß mir in der Welt an nichts mehr Etwas gelegen ist, nur an ihrer Vergebung. — (kommt zurück) Thor, selbstsüchtiger Thor! Deine Nähe vergiftet, Dein Gruß bringt ihr Verderben! Und kann selbst sie mich gesund machen? Ich wette, sie kann's nicht. Der Hauch ihres Mundes hat uur zusammengeblascn, was von todter Asche in mir lag, und jetzt drückt der ganze Wust des verkohlten Lebens auf mein Herz. — Dafür gibt'ö keine Hilfe, auf Erden keine, keine, (stützt sich aus den Divan). — Holla, wer kommt? herein, Du später Gast, Du wirst einen wun¬ derlichen Gesellschafter finden. Georgine (durch die Tapetenthür links). Wald. Werda! Kater oder Katze? — Frau Fürstin! Georg. Vergessen Sie heut, mein Graf, daß Georgine Udaschkin ein Weib ist, denken Sie, ich sei ein Manu, ein alter Freund; welcher kommt, seiue Freun¬ desrechte in Anspruch zu nehmen. Was die Welt Rücksichten nennt, zwischen uns darf das jetzt uicht gelten. Sie haben mich einst Ihre Freundin genannt, dies Zeichen des Vertrauens (den Schlüssel zeigend), ich habe es bewahrt! Ich komme zu Ihnen, um Vertraue,: und Mittheilung zu fordern, von einem Kranken zu fordern, der sich selbst verloren hat. Wald. Bei Gott, ein hochherziges Weib, und von ihr habe ich das nicht verdient. Ohne Umstände , lieber Graf, (ihn zum Sitzen auf den Georg, (launig). Divan einladend und sich komisch auf eine Fußbank kauernd) ich heiße diesen Abend George und bin Ihr Trinkbruder, ohne Umstände, setzen Sie sich. — Sie rühm¬ ten einst meine fröhliche Laune, ich komme, sie Ihnen zu beweisen. Einen An- 47*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_277987/379>, abgerufen am 23.07.2024.