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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band.

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beler habe ich in Ihnen verloren, Iion! es thut gar nichts, ich bin liebenswürdi¬
ger als Freund, wie als Freundin. -- Ich komme, Sie zu zerstreuen, Ihre
Melancholie durch kleine Malicen wegzuplaudern, meinetwegen auch Sie in den
Schlaf zu reden.

Und doch zittert Ihre Hand und Ihr Auge


Wald,
(ihre Hand fassend).

blickt unstät, auch Ihre Fröhlichkeit hat einen trüben Bodensatz um meinetwillen.

So? Und rechnen Sie das Wagstück für nichts, bei einem so be¬


Georg.

rüchtigten Cvrsaren einzudringen. Sie sollen merken, Graf Waldemar, daß der
zitternde Ton meiner Stimme der einzige Ueberrest weiblicher Schwäche ist. --
Und jetzt plaudern wir, schnell, damit Sie dies hypochondrische Gesicht verlieren.
Erst werde ich Sie gesund machen, dann sollen Sie mit mir reisen.


Wald.

Und wohin?


Georg.

Altfränkische Frage, in die Welt. Ich werde sehr leichtsinnig sein;

Niemand soll mich begleiten, als mein Windspiel Puck, der mir das Liebste ans
Erden ist, dann Graf Waldemar, den ich manchmal wohl leiden mag, und meine
Kammerfrau, die ich in das Gesicht kratze. -- Ich entführe Sie -- prächtig! ich
entführe Sie geheimnißvoll, und während die unbehilflichen, groben Menschen
hier im Lande noch starr sind vor Entsetzen, ziehe ich Sie neckend über Berg und
Thal, als ein Schmetterling, der eine Brummfliege reisen lehrt.

(mit Empfindung).

Wald,

Liebe Georgine!


Georg,
(zärtlich).

So müssen Sie mich ansehn, in dem Blick liegt doch

etwas Menschliches.

(ihr Haar berührend).

Wald,

Ein Schmetterling, das Gleichniß paßt.

(vorwurfsvoll).

Georg,

schwerfälliger, trüber Gesell, (sie wendet sich zu ihm

und streckt die Arme nach ihm aus, die dunkle Hülle gleitet von ihren Schultern,
zärtlich) Waldemar!


Wald,
(der sich zu ihr niederbeugt, hält an, starr).

Still, woher der Ton,

den habe ich schon sonst gehört.

Was hast Du?


Georg.

Es war nichts. Meine Sinne sind schwach und meine Phantasie


Wald.

riecht selbst aus Rosen den Leichenduft. O sprich weiter, Du schöne Fee!

Waldemar, geliebter Mann.


Georg.

Horch, da tönt's wieder, wie aus dem Grabe klingt die Stimme,


Wald.

sie ruft alte, klägliche Erinnerungen wach. -- Laß mich Dein Antlitz sehn! (starrt
sie an, aufspringend, schreiend). Ha! ich kenne Dich! -- Blödsinniger Thor, dies
Auge sah ich schon einst, so hob sie den Arm, so wies sie die Zähne, wenn sie
lachte -- und ihr Kind trägt sie in einem Korbe zum Nachbar und verschwindet.
Weib, wer bist Du, Du bist nicht von Fleisch und Blut, ein Dämon bist Du,
gesandt mich zu zerstören.


Georg.

Erkennst Du mich jetzt, Graf Waldemar?


beler habe ich in Ihnen verloren, Iion! es thut gar nichts, ich bin liebenswürdi¬
ger als Freund, wie als Freundin. — Ich komme, Sie zu zerstreuen, Ihre
Melancholie durch kleine Malicen wegzuplaudern, meinetwegen auch Sie in den
Schlaf zu reden.

Und doch zittert Ihre Hand und Ihr Auge


Wald,
(ihre Hand fassend).

blickt unstät, auch Ihre Fröhlichkeit hat einen trüben Bodensatz um meinetwillen.

So? Und rechnen Sie das Wagstück für nichts, bei einem so be¬


Georg.

rüchtigten Cvrsaren einzudringen. Sie sollen merken, Graf Waldemar, daß der
zitternde Ton meiner Stimme der einzige Ueberrest weiblicher Schwäche ist. —
Und jetzt plaudern wir, schnell, damit Sie dies hypochondrische Gesicht verlieren.
Erst werde ich Sie gesund machen, dann sollen Sie mit mir reisen.


Wald.

Und wohin?


Georg.

Altfränkische Frage, in die Welt. Ich werde sehr leichtsinnig sein;

Niemand soll mich begleiten, als mein Windspiel Puck, der mir das Liebste ans
Erden ist, dann Graf Waldemar, den ich manchmal wohl leiden mag, und meine
Kammerfrau, die ich in das Gesicht kratze. — Ich entführe Sie — prächtig! ich
entführe Sie geheimnißvoll, und während die unbehilflichen, groben Menschen
hier im Lande noch starr sind vor Entsetzen, ziehe ich Sie neckend über Berg und
Thal, als ein Schmetterling, der eine Brummfliege reisen lehrt.

(mit Empfindung).

Wald,

Liebe Georgine!


Georg,
(zärtlich).

So müssen Sie mich ansehn, in dem Blick liegt doch

etwas Menschliches.

(ihr Haar berührend).

Wald,

Ein Schmetterling, das Gleichniß paßt.

(vorwurfsvoll).

Georg,

schwerfälliger, trüber Gesell, (sie wendet sich zu ihm

und streckt die Arme nach ihm aus, die dunkle Hülle gleitet von ihren Schultern,
zärtlich) Waldemar!


Wald,
(der sich zu ihr niederbeugt, hält an, starr).

Still, woher der Ton,

den habe ich schon sonst gehört.

Was hast Du?


Georg.

Es war nichts. Meine Sinne sind schwach und meine Phantasie


Wald.

riecht selbst aus Rosen den Leichenduft. O sprich weiter, Du schöne Fee!

Waldemar, geliebter Mann.


Georg.

Horch, da tönt's wieder, wie aus dem Grabe klingt die Stimme,


Wald.

sie ruft alte, klägliche Erinnerungen wach. — Laß mich Dein Antlitz sehn! (starrt
sie an, aufspringend, schreiend). Ha! ich kenne Dich! — Blödsinniger Thor, dies
Auge sah ich schon einst, so hob sie den Arm, so wies sie die Zähne, wenn sie
lachte — und ihr Kind trägt sie in einem Korbe zum Nachbar und verschwindet.
Weib, wer bist Du, Du bist nicht von Fleisch und Blut, ein Dämon bist Du,
gesandt mich zu zerstören.


Georg.

Erkennst Du mich jetzt, Graf Waldemar?


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[0380] beler habe ich in Ihnen verloren, Iion! es thut gar nichts, ich bin liebenswürdi¬ ger als Freund, wie als Freundin. — Ich komme, Sie zu zerstreuen, Ihre Melancholie durch kleine Malicen wegzuplaudern, meinetwegen auch Sie in den Schlaf zu reden. Und doch zittert Ihre Hand und Ihr Auge Wald, (ihre Hand fassend). blickt unstät, auch Ihre Fröhlichkeit hat einen trüben Bodensatz um meinetwillen. So? Und rechnen Sie das Wagstück für nichts, bei einem so be¬ Georg. rüchtigten Cvrsaren einzudringen. Sie sollen merken, Graf Waldemar, daß der zitternde Ton meiner Stimme der einzige Ueberrest weiblicher Schwäche ist. — Und jetzt plaudern wir, schnell, damit Sie dies hypochondrische Gesicht verlieren. Erst werde ich Sie gesund machen, dann sollen Sie mit mir reisen. Wald. Und wohin? Georg. Altfränkische Frage, in die Welt. Ich werde sehr leichtsinnig sein; Niemand soll mich begleiten, als mein Windspiel Puck, der mir das Liebste ans Erden ist, dann Graf Waldemar, den ich manchmal wohl leiden mag, und meine Kammerfrau, die ich in das Gesicht kratze. — Ich entführe Sie — prächtig! ich entführe Sie geheimnißvoll, und während die unbehilflichen, groben Menschen hier im Lande noch starr sind vor Entsetzen, ziehe ich Sie neckend über Berg und Thal, als ein Schmetterling, der eine Brummfliege reisen lehrt. (mit Empfindung). Wald, Liebe Georgine! Georg, (zärtlich). So müssen Sie mich ansehn, in dem Blick liegt doch etwas Menschliches. (ihr Haar berührend). Wald, Ein Schmetterling, das Gleichniß paßt. (vorwurfsvoll). Georg, schwerfälliger, trüber Gesell, (sie wendet sich zu ihm und streckt die Arme nach ihm aus, die dunkle Hülle gleitet von ihren Schultern, zärtlich) Waldemar! Wald, (der sich zu ihr niederbeugt, hält an, starr). Still, woher der Ton, den habe ich schon sonst gehört. Was hast Du? Georg. Es war nichts. Meine Sinne sind schwach und meine Phantasie Wald. riecht selbst aus Rosen den Leichenduft. O sprich weiter, Du schöne Fee! Waldemar, geliebter Mann. Georg. Horch, da tönt's wieder, wie aus dem Grabe klingt die Stimme, Wald. sie ruft alte, klägliche Erinnerungen wach. — Laß mich Dein Antlitz sehn! (starrt sie an, aufspringend, schreiend). Ha! ich kenne Dich! — Blödsinniger Thor, dies Auge sah ich schon einst, so hob sie den Arm, so wies sie die Zähne, wenn sie lachte — und ihr Kind trägt sie in einem Korbe zum Nachbar und verschwindet. Weib, wer bist Du, Du bist nicht von Fleisch und Blut, ein Dämon bist Du, gesandt mich zu zerstören. Georg. Erkennst Du mich jetzt, Graf Waldemar?

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_277987/380>, abgerufen am 23.12.2024.