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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band.

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Hiller.

Wer?

Er, der Vater unsres Johannes.


Gertr.
Hiller.

Und was wollte er?


Gertr.

Er will uns den Hans lassen, er will für das Kind thun, was

wir ihm rathen, er will manchmal zusehn, wie es dem Kleinen geht. Beim Ab¬
schied bot er mir die Hand und dankte.

Siehst Du, so ist Alles gekommen, wie wir dachten, und ohne


Hiller.

große Mühe. Ich habe Dir immer gesagt, er ist nicht böse, er ist gewiß ein so
braver Mann wie Andre, er ist nur reich und vornehm, und deshalb müssen wir
einige Nachsicht mit ihm haben.


Gertr.

Nachsicht, Vater?


Hiller.

Freilich, denn genau genommen, sind alle die vornehmen und rei¬

chen Leute nur unsretwegeu da. -- Wer würde uns die Kamelien abkaufen, oder
unsren feinen Savoyerkohl, oder die Frnhschoten, wenn es keine Reichen gäbe.
Wir haben den Vortheil davon, ein gesundes, kräftiges Leben, sie leiden dar¬
unter, denn sie essen sich Leib und Seele krank daran. Deshalb thun sie mir
leid, sieh und deshalb halte ich ihnen Vieles zu Gute.

Eben so gut kann das furchtsame Rehkalb sagen, daß der blasse


Gertr.

kalte Mond nur deshalb am Himmel hängt, um ihm den Weg zum Saatfeld zu
erleuchte".


Hiller.

Und das Reh hat auch Recht. Jeder ist da für alle Andere, und

d

(die Mütze lüftend)
er Eine in uns Allen. Gute Nacht, Gertrud, schließe die
(ab.)
Thür -- und mein Kind, denke heut nicht mehr an den Grasen.

(allein, schließt die Thür an der Gartenmauer).

Gertr.

Das war ein wichtiger

Tag für uns Alle, sing mit Regen an und endete mit Sonnenschein. Nun, der
Hans kann sich freuen, er hat einen stattlichen Vater gefunden. Und böse ist er
anch nicht, er läßt sich bedeuten; man kann doch ein Wort mit ihm reden und ihm
Vorstellungen machen; so lieb ich's. -- Wo er jetzt schwärmen mag? Für Seines¬
gleichen fängt das Leben erst recht an, wenn die Sterne am Himmel stehn, da
stecken sie in vergoldeten Stuben hundert Lichter an und schwirren wie die Motten
herum; unterdeß schlüpfen wir Tagvögel in das Nest und schlafen aus. -- (um¬
kehrend) Möge sein Schlaf erquickend sein, denn er hat heut ein gutes Werk

(ab.)
gethan

(Pause. Es läutet an der Gartenthür.)
Waldemar, dann der Wächter von außen.

Wald,
(gepreßt).

G

(läutet)
ertrud! --


Stimme des Wächters

Was wollt Ihr an dem Hause?

(herbeikommend).

Hier wohnen ruhige Leute.

Einen Strauß will ich holen für meine Jungfer Braut.


Wald.

Ihr könnt ja nicht gerade stehn, Mann, geht nach Hause.


Wacht.
Hiller.

Wer?

Er, der Vater unsres Johannes.


Gertr.
Hiller.

Und was wollte er?


Gertr.

Er will uns den Hans lassen, er will für das Kind thun, was

wir ihm rathen, er will manchmal zusehn, wie es dem Kleinen geht. Beim Ab¬
schied bot er mir die Hand und dankte.

Siehst Du, so ist Alles gekommen, wie wir dachten, und ohne


Hiller.

große Mühe. Ich habe Dir immer gesagt, er ist nicht böse, er ist gewiß ein so
braver Mann wie Andre, er ist nur reich und vornehm, und deshalb müssen wir
einige Nachsicht mit ihm haben.


Gertr.

Nachsicht, Vater?


Hiller.

Freilich, denn genau genommen, sind alle die vornehmen und rei¬

chen Leute nur unsretwegeu da. — Wer würde uns die Kamelien abkaufen, oder
unsren feinen Savoyerkohl, oder die Frnhschoten, wenn es keine Reichen gäbe.
Wir haben den Vortheil davon, ein gesundes, kräftiges Leben, sie leiden dar¬
unter, denn sie essen sich Leib und Seele krank daran. Deshalb thun sie mir
leid, sieh und deshalb halte ich ihnen Vieles zu Gute.

Eben so gut kann das furchtsame Rehkalb sagen, daß der blasse


Gertr.

kalte Mond nur deshalb am Himmel hängt, um ihm den Weg zum Saatfeld zu
erleuchte».


Hiller.

Und das Reh hat auch Recht. Jeder ist da für alle Andere, und

d

(die Mütze lüftend)
er Eine in uns Allen. Gute Nacht, Gertrud, schließe die
(ab.)
Thür — und mein Kind, denke heut nicht mehr an den Grasen.

(allein, schließt die Thür an der Gartenmauer).

Gertr.

Das war ein wichtiger

Tag für uns Alle, sing mit Regen an und endete mit Sonnenschein. Nun, der
Hans kann sich freuen, er hat einen stattlichen Vater gefunden. Und böse ist er
anch nicht, er läßt sich bedeuten; man kann doch ein Wort mit ihm reden und ihm
Vorstellungen machen; so lieb ich's. — Wo er jetzt schwärmen mag? Für Seines¬
gleichen fängt das Leben erst recht an, wenn die Sterne am Himmel stehn, da
stecken sie in vergoldeten Stuben hundert Lichter an und schwirren wie die Motten
herum; unterdeß schlüpfen wir Tagvögel in das Nest und schlafen aus. — (um¬
kehrend) Möge sein Schlaf erquickend sein, denn er hat heut ein gutes Werk

(ab.)
gethan

(Pause. Es läutet an der Gartenthür.)
Waldemar, dann der Wächter von außen.

Wald,
(gepreßt).

G

(läutet)
ertrud! —


Stimme des Wächters

Was wollt Ihr an dem Hause?

(herbeikommend).

Hier wohnen ruhige Leute.

Einen Strauß will ich holen für meine Jungfer Braut.


Wald.

Ihr könnt ja nicht gerade stehn, Mann, geht nach Hause.


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[0302] Hiller. Wer? Er, der Vater unsres Johannes. Gertr. Hiller. Und was wollte er? Gertr. Er will uns den Hans lassen, er will für das Kind thun, was wir ihm rathen, er will manchmal zusehn, wie es dem Kleinen geht. Beim Ab¬ schied bot er mir die Hand und dankte. Siehst Du, so ist Alles gekommen, wie wir dachten, und ohne Hiller. große Mühe. Ich habe Dir immer gesagt, er ist nicht böse, er ist gewiß ein so braver Mann wie Andre, er ist nur reich und vornehm, und deshalb müssen wir einige Nachsicht mit ihm haben. Gertr. Nachsicht, Vater? Hiller. Freilich, denn genau genommen, sind alle die vornehmen und rei¬ chen Leute nur unsretwegeu da. — Wer würde uns die Kamelien abkaufen, oder unsren feinen Savoyerkohl, oder die Frnhschoten, wenn es keine Reichen gäbe. Wir haben den Vortheil davon, ein gesundes, kräftiges Leben, sie leiden dar¬ unter, denn sie essen sich Leib und Seele krank daran. Deshalb thun sie mir leid, sieh und deshalb halte ich ihnen Vieles zu Gute. Eben so gut kann das furchtsame Rehkalb sagen, daß der blasse Gertr. kalte Mond nur deshalb am Himmel hängt, um ihm den Weg zum Saatfeld zu erleuchte». Hiller. Und das Reh hat auch Recht. Jeder ist da für alle Andere, und d (die Mütze lüftend) er Eine in uns Allen. Gute Nacht, Gertrud, schließe die (ab.) Thür — und mein Kind, denke heut nicht mehr an den Grasen. (allein, schließt die Thür an der Gartenmauer). Gertr. Das war ein wichtiger Tag für uns Alle, sing mit Regen an und endete mit Sonnenschein. Nun, der Hans kann sich freuen, er hat einen stattlichen Vater gefunden. Und böse ist er anch nicht, er läßt sich bedeuten; man kann doch ein Wort mit ihm reden und ihm Vorstellungen machen; so lieb ich's. — Wo er jetzt schwärmen mag? Für Seines¬ gleichen fängt das Leben erst recht an, wenn die Sterne am Himmel stehn, da stecken sie in vergoldeten Stuben hundert Lichter an und schwirren wie die Motten herum; unterdeß schlüpfen wir Tagvögel in das Nest und schlafen aus. — (um¬ kehrend) Möge sein Schlaf erquickend sein, denn er hat heut ein gutes Werk (ab.) gethan (Pause. Es läutet an der Gartenthür.) Waldemar, dann der Wächter von außen. Wald, (gepreßt). G (läutet) ertrud! — Stimme des Wächters Was wollt Ihr an dem Hause? (herbeikommend). Hier wohnen ruhige Leute. Einen Strauß will ich holen für meine Jungfer Braut. Wald. Ihr könnt ja nicht gerade stehn, Mann, geht nach Hause. Wacht.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_277987/302>, abgerufen am 23.07.2024.