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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band.

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halb aber möchte ich den Knaben von Zeit zu Zeit sehn. Wird mir seine holde
Pflegerin erlauben, zuweilen in die stille Häuslichkeit dieses Raumes einzudringen,
um ihren Liebling und sie selbst zu finden? (Gertr. steht nachdenklich) Sie schweigen?
Sie müssen mir den Wunsch versagen? Wohl sehe ich ein, daß ich noch kein
großes Recht habe, diese Bitte zu thu".


Gertr.

Sie haben das Recht Ihren Sohn zu sehn, so oft Sie wollen,

das Recht muß über jede Rücksicht gehn. So oft Sie deshalb kommen, werden
Sie meinem Vater und mir willkommen sein.


Wald.

Ich freue mich auch dieser zögernden Erlaubniß. Ich bitte Sie,

mir die Hand zu reichen, als ein Zeichen der Versöhnung zwischen uns.


Gertr.

Hier ist sie, Herr Graf; ich denke Ihnen für den Johannes und

dafür, daß Sie so gütig zu mir gesprochen.

Ich möchte Etwas thun, mir Ihre Freundschaft zu erringen.


Wald.

Lieben Sie den Knaben! (ab in


Gertr.
(die Hand wegziehend, freundlich).

das Haus.)

Da hätten wir so ein kleines liebenswürdiges Stück Erden-


Wald,
(allein).

leben ganz in der Nähe. Alle Freuden, Sorgen und Pflichten sauber und ordent¬
lich zurechtgelegt, wie Kleider in einer Truhe, ein recht weißgewaschcnes Gewissen
oben darauf, und das Ganze mit Lavendel und Weinlaub bestreut. -- Was ist
dabei so Großes? Es ist die nothwendige Beschränkung eines kleinen Lebens.
Was diese Leute an dem Knaben thaten, ist gar nichts Besonderes, das kommt
oft vor; was ist darüber zu staunen. -- Und doch -- mein lieber Gras, fühle
ich eine leise Nöthe aus deinen Wangen; ich will hoffen, daß sie nicht etwa
Schaam ist, Schaum vor dir selbst. Hinweg mit dem Spott, hier hilft er mir
nichts. Bei allen Göttern, sie hat ein großes Herz, und ich stehe klein vor ihr.
Sie erzieht meinen Sohn, den ich verleugnete, sie weiht ihr Leben einer großen
Pflicht, die jedenfalls mir näher liegt, als ihr, sie hat Verleumdung erduldet,
Opfer gebracht und ich, ich will meine väterliche Autorität gebrauchen, dasselbe
Kind wegzuschenken als einen Spielball seltsamer Frauenlaune. -- Pft" über dich,
mein Herr Graf, das muß geändert werden. - Als irgend ein blöder Narr sie
wegen des Kindes verleumdete, da hat sie geweint. Das freut mich, denn das
wenigstens war eine Schwäche von ihr. -- Entweder wird mir das Mädchen noch
sehr lästig, oder Einiges an mir selbst wird mir zuwider. -- Jede aber hinweg
mit der Würde des Familienvaters, und ihr schelmische Geister des Leichtsinn"
und fröhlicher Trunkenheit, geleitet mich in die weißen Arme der Freundin, (trällert:
"ne rot," It^i'ö >-te., ab.)

Gertrud. Hiller.

Hiller
(von der eiligen Gertrud herausgezogen).

Was hast Du, meine Tochter^

wen soll ich sehen?


Gerrr.

Er ist fort. -- Vater, e r war hier. ,. ,


halb aber möchte ich den Knaben von Zeit zu Zeit sehn. Wird mir seine holde
Pflegerin erlauben, zuweilen in die stille Häuslichkeit dieses Raumes einzudringen,
um ihren Liebling und sie selbst zu finden? (Gertr. steht nachdenklich) Sie schweigen?
Sie müssen mir den Wunsch versagen? Wohl sehe ich ein, daß ich noch kein
großes Recht habe, diese Bitte zu thu».


Gertr.

Sie haben das Recht Ihren Sohn zu sehn, so oft Sie wollen,

das Recht muß über jede Rücksicht gehn. So oft Sie deshalb kommen, werden
Sie meinem Vater und mir willkommen sein.


Wald.

Ich freue mich auch dieser zögernden Erlaubniß. Ich bitte Sie,

mir die Hand zu reichen, als ein Zeichen der Versöhnung zwischen uns.


Gertr.

Hier ist sie, Herr Graf; ich denke Ihnen für den Johannes und

dafür, daß Sie so gütig zu mir gesprochen.

Ich möchte Etwas thun, mir Ihre Freundschaft zu erringen.


Wald.

Lieben Sie den Knaben! (ab in


Gertr.
(die Hand wegziehend, freundlich).

das Haus.)

Da hätten wir so ein kleines liebenswürdiges Stück Erden-


Wald,
(allein).

leben ganz in der Nähe. Alle Freuden, Sorgen und Pflichten sauber und ordent¬
lich zurechtgelegt, wie Kleider in einer Truhe, ein recht weißgewaschcnes Gewissen
oben darauf, und das Ganze mit Lavendel und Weinlaub bestreut. — Was ist
dabei so Großes? Es ist die nothwendige Beschränkung eines kleinen Lebens.
Was diese Leute an dem Knaben thaten, ist gar nichts Besonderes, das kommt
oft vor; was ist darüber zu staunen. — Und doch — mein lieber Gras, fühle
ich eine leise Nöthe aus deinen Wangen; ich will hoffen, daß sie nicht etwa
Schaam ist, Schaum vor dir selbst. Hinweg mit dem Spott, hier hilft er mir
nichts. Bei allen Göttern, sie hat ein großes Herz, und ich stehe klein vor ihr.
Sie erzieht meinen Sohn, den ich verleugnete, sie weiht ihr Leben einer großen
Pflicht, die jedenfalls mir näher liegt, als ihr, sie hat Verleumdung erduldet,
Opfer gebracht und ich, ich will meine väterliche Autorität gebrauchen, dasselbe
Kind wegzuschenken als einen Spielball seltsamer Frauenlaune. — Pft" über dich,
mein Herr Graf, das muß geändert werden. - Als irgend ein blöder Narr sie
wegen des Kindes verleumdete, da hat sie geweint. Das freut mich, denn das
wenigstens war eine Schwäche von ihr. — Entweder wird mir das Mädchen noch
sehr lästig, oder Einiges an mir selbst wird mir zuwider. — Jede aber hinweg
mit der Würde des Familienvaters, und ihr schelmische Geister des Leichtsinn«
und fröhlicher Trunkenheit, geleitet mich in die weißen Arme der Freundin, (trällert:
"ne rot,« It^i'ö >-te., ab.)

Gertrud. Hiller.

Hiller
(von der eiligen Gertrud herausgezogen).

Was hast Du, meine Tochter^

wen soll ich sehen?


Gerrr.

Er ist fort. — Vater, e r war hier. ,. ,


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[0301] halb aber möchte ich den Knaben von Zeit zu Zeit sehn. Wird mir seine holde Pflegerin erlauben, zuweilen in die stille Häuslichkeit dieses Raumes einzudringen, um ihren Liebling und sie selbst zu finden? (Gertr. steht nachdenklich) Sie schweigen? Sie müssen mir den Wunsch versagen? Wohl sehe ich ein, daß ich noch kein großes Recht habe, diese Bitte zu thu». Gertr. Sie haben das Recht Ihren Sohn zu sehn, so oft Sie wollen, das Recht muß über jede Rücksicht gehn. So oft Sie deshalb kommen, werden Sie meinem Vater und mir willkommen sein. Wald. Ich freue mich auch dieser zögernden Erlaubniß. Ich bitte Sie, mir die Hand zu reichen, als ein Zeichen der Versöhnung zwischen uns. Gertr. Hier ist sie, Herr Graf; ich denke Ihnen für den Johannes und dafür, daß Sie so gütig zu mir gesprochen. Ich möchte Etwas thun, mir Ihre Freundschaft zu erringen. Wald. Lieben Sie den Knaben! (ab in Gertr. (die Hand wegziehend, freundlich). das Haus.) Da hätten wir so ein kleines liebenswürdiges Stück Erden- Wald, (allein). leben ganz in der Nähe. Alle Freuden, Sorgen und Pflichten sauber und ordent¬ lich zurechtgelegt, wie Kleider in einer Truhe, ein recht weißgewaschcnes Gewissen oben darauf, und das Ganze mit Lavendel und Weinlaub bestreut. — Was ist dabei so Großes? Es ist die nothwendige Beschränkung eines kleinen Lebens. Was diese Leute an dem Knaben thaten, ist gar nichts Besonderes, das kommt oft vor; was ist darüber zu staunen. — Und doch — mein lieber Gras, fühle ich eine leise Nöthe aus deinen Wangen; ich will hoffen, daß sie nicht etwa Schaam ist, Schaum vor dir selbst. Hinweg mit dem Spott, hier hilft er mir nichts. Bei allen Göttern, sie hat ein großes Herz, und ich stehe klein vor ihr. Sie erzieht meinen Sohn, den ich verleugnete, sie weiht ihr Leben einer großen Pflicht, die jedenfalls mir näher liegt, als ihr, sie hat Verleumdung erduldet, Opfer gebracht und ich, ich will meine väterliche Autorität gebrauchen, dasselbe Kind wegzuschenken als einen Spielball seltsamer Frauenlaune. — Pft" über dich, mein Herr Graf, das muß geändert werden. - Als irgend ein blöder Narr sie wegen des Kindes verleumdete, da hat sie geweint. Das freut mich, denn das wenigstens war eine Schwäche von ihr. — Entweder wird mir das Mädchen noch sehr lästig, oder Einiges an mir selbst wird mir zuwider. — Jede aber hinweg mit der Würde des Familienvaters, und ihr schelmische Geister des Leichtsinn« und fröhlicher Trunkenheit, geleitet mich in die weißen Arme der Freundin, (trällert: "ne rot,« It^i'ö >-te., ab.) Gertrud. Hiller. Hiller (von der eiligen Gertrud herausgezogen). Was hast Du, meine Tochter^ wen soll ich sehen? Gerrr. Er ist fort. — Vater, e r war hier. ,. ,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_277987/301>, abgerufen am 23.07.2024.