Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite
Gertr.

Ja, es war ein großes Unglück für Euch! Aber Klagen hilft nicht,

seht nach vorwärts, Mann, Ihr müßt wieder heirathen.

Ja, wenn sich nur Jemand fände.


Bose.
Gertr.

El, Mädchen gibt's genug, und Ihr seid ein ordentlicher Mann. Ihr

Müßt nur etwas auf Euch halten. Seht her, hier ist ein großes Loch in der
Jacke. Immer hübsch accurat im Anzug, das haben wir Mädchen gern, und ein
ordentlicher Rock gibt dem Menschen Freude an sich selbst und Frende am Leben.

(lächelnd).

Sie haben immer Recht, liebe Mamsell, und mit dem


Bose

Heirathen, das will ich mir bedenken.


Gertr.

Gute Nacht, Vose. Hört Nachbar, morgen ist Sonntag, da schickt

Eure Kinder zu mir, wir wollen sie über den Abend behalten.

(ab)
Ich danke, liebe Mamsell,


Bose.
Haus, Hacke und Korb tragend, hinter ihm Hiller von der Seite.

Tante Gertrud! ,


Hans
(wirst Hacke und Korb weg, läuft auf Gertrud zu).

Gertr.
(sich zu ihm niederbeugend).

Mein Johannes, jetzt gehörst Du mir

ganz!


, Hill.

Du Wildfang, wer wird das Geräth in den Weg werfen. Guten

Abend, meine Tochter. -- Der Maulwurf stößt auf, es wird Regen geben; alle
Creatur sehnt sich darnach, die Pflanzen dürsten. -- Geh, Haus, suche Birnen
in den Korb. (Hans ab.)


Gertr.

Bist Du müde?

DaS Alter drückt, nicht die Arbeit. -- Es soll mich wundern, ob die


Hill.

Noisettes morgen aufblühen, meinst Du nicht auch?

Was, Vater?


Gertr.

Tu hörst mich nicht, Du bist in Gedanken.


Hill.
Gertr.

Ich dachte an den Hans, und daß er jetzt uns allein gehört.


Hill.

Und ich an unsre Rosen. Man wird haushälterisch mit seinen Ge¬

danken, wenn man alt wird. Laß uns jeden Tag für das Kleine sorgen, was
gerade Noth thut, dann kommt uns das Größere von selbst. Der Hans gedeiht,
der Kohl geräth, und dem Maulwurf stell' ich morgen seine Falle. So ist Alles
in Ordnung.

Ich habe heut' einen andern Menschen gesehen, der war so ver¬


Gertr.

schieden von uns. Er lacht, wo wir weinen, er verspottet was uns heilig ist,
das thut mir weh.

Hinweg mit den traurigen Gedanken; Du weißt, ich arg're mich


Hill.

nicht gern, und vollends am Feierabend nicht. Darum sei fröhlich, Gertrud, thue
Deine Pflicht und gib mir mein Abendbrot.

(Beide ab).
Du hast Recht, Vater.


Gertr.
Waldemar.

Wald.

Hier wohnt sie -- und sie selbst erzieht den Knaben! Ist das ein


Gertr.

Ja, es war ein großes Unglück für Euch! Aber Klagen hilft nicht,

seht nach vorwärts, Mann, Ihr müßt wieder heirathen.

Ja, wenn sich nur Jemand fände.


Bose.
Gertr.

El, Mädchen gibt's genug, und Ihr seid ein ordentlicher Mann. Ihr

Müßt nur etwas auf Euch halten. Seht her, hier ist ein großes Loch in der
Jacke. Immer hübsch accurat im Anzug, das haben wir Mädchen gern, und ein
ordentlicher Rock gibt dem Menschen Freude an sich selbst und Frende am Leben.

(lächelnd).

Sie haben immer Recht, liebe Mamsell, und mit dem


Bose

Heirathen, das will ich mir bedenken.


Gertr.

Gute Nacht, Vose. Hört Nachbar, morgen ist Sonntag, da schickt

Eure Kinder zu mir, wir wollen sie über den Abend behalten.

(ab)
Ich danke, liebe Mamsell,


Bose.
Haus, Hacke und Korb tragend, hinter ihm Hiller von der Seite.

Tante Gertrud! ,


Hans
(wirst Hacke und Korb weg, läuft auf Gertrud zu).

Gertr.
(sich zu ihm niederbeugend).

Mein Johannes, jetzt gehörst Du mir

ganz!


, Hill.

Du Wildfang, wer wird das Geräth in den Weg werfen. Guten

Abend, meine Tochter. — Der Maulwurf stößt auf, es wird Regen geben; alle
Creatur sehnt sich darnach, die Pflanzen dürsten. — Geh, Haus, suche Birnen
in den Korb. (Hans ab.)


Gertr.

Bist Du müde?

DaS Alter drückt, nicht die Arbeit. — Es soll mich wundern, ob die


Hill.

Noisettes morgen aufblühen, meinst Du nicht auch?

Was, Vater?


Gertr.

Tu hörst mich nicht, Du bist in Gedanken.


Hill.
Gertr.

Ich dachte an den Hans, und daß er jetzt uns allein gehört.


Hill.

Und ich an unsre Rosen. Man wird haushälterisch mit seinen Ge¬

danken, wenn man alt wird. Laß uns jeden Tag für das Kleine sorgen, was
gerade Noth thut, dann kommt uns das Größere von selbst. Der Hans gedeiht,
der Kohl geräth, und dem Maulwurf stell' ich morgen seine Falle. So ist Alles
in Ordnung.

Ich habe heut' einen andern Menschen gesehen, der war so ver¬


Gertr.

schieden von uns. Er lacht, wo wir weinen, er verspottet was uns heilig ist,
das thut mir weh.

Hinweg mit den traurigen Gedanken; Du weißt, ich arg're mich


Hill.

nicht gern, und vollends am Feierabend nicht. Darum sei fröhlich, Gertrud, thue
Deine Pflicht und gib mir mein Abendbrot.

(Beide ab).
Du hast Recht, Vater.


Gertr.
Waldemar.

Wald.

Hier wohnt sie — und sie selbst erzieht den Knaben! Ist das ein


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <div n="3">
              <pb facs="#f0296" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/278284"/>
              <note type="speaker"> Gertr.</note><lb/>
              <p xml:id="ID_1367" next="#ID_1368"> Ja, es war ein großes Unglück für Euch! Aber Klagen hilft nicht,</p><lb/>
              <p xml:id="ID_1368" prev="#ID_1367"> seht nach vorwärts, Mann, Ihr müßt wieder heirathen.</p><lb/>
              <p xml:id="ID_1369"> Ja, wenn sich nur Jemand fände.</p><lb/>
              <note type="speaker"> Bose.</note><lb/>
              <note type="speaker"> Gertr.</note><lb/>
              <p xml:id="ID_1370" next="#ID_1371"> El, Mädchen gibt's genug, und Ihr seid ein ordentlicher Mann. Ihr</p><lb/>
              <p xml:id="ID_1371" prev="#ID_1370"> Müßt nur etwas auf Euch halten. Seht her, hier ist ein großes Loch in der<lb/>
Jacke. Immer hübsch accurat im Anzug, das haben wir Mädchen gern, und ein<lb/>
ordentlicher Rock gibt dem Menschen Freude an sich selbst und Frende am Leben.</p><lb/>
              <stage> (lächelnd).</stage><lb/>
              <p xml:id="ID_1372" next="#ID_1373"> Sie haben immer Recht, liebe Mamsell, und mit dem</p><lb/>
              <note type="speaker"> Bose</note><lb/>
              <p xml:id="ID_1373" prev="#ID_1372"> Heirathen, das will ich mir bedenken.</p><lb/>
              <note type="speaker"> Gertr. </note><lb/>
              <p xml:id="ID_1374" next="#ID_1375"> Gute Nacht, Vose. Hört Nachbar, morgen ist Sonntag, da schickt</p><lb/>
              <p xml:id="ID_1375" prev="#ID_1374"> Eure Kinder zu mir, wir wollen sie über den Abend behalten.</p><lb/>
              <p xml:id="ID_1376"><stage> (ab)</stage> Ich danke, liebe Mamsell, </p><lb/>
              <note type="speaker"> Bose. </note><lb/>
              <stage> Haus, Hacke und Korb tragend, hinter ihm Hiller von der Seite.</stage><lb/>
              <p xml:id="ID_1377"> Tante Gertrud! ,</p><lb/>
              <note type="speaker"> Hans </note><lb/>
              <stage> (wirst Hacke und Korb weg, läuft auf Gertrud zu). </stage><lb/>
              <note type="speaker"> Gertr.</note><lb/>
              <stage> (sich zu ihm niederbeugend).</stage><lb/>
              <p xml:id="ID_1378" next="#ID_1379"> Mein Johannes, jetzt gehörst Du mir</p><lb/>
              <p xml:id="ID_1379" prev="#ID_1378"> ganz!</p><lb/>
              <note type="speaker"> , Hill.</note><lb/>
              <p xml:id="ID_1380" next="#ID_1381"> Du Wildfang, wer wird das Geräth in den Weg werfen. Guten</p><lb/>
              <p xml:id="ID_1381" prev="#ID_1380"> Abend, meine Tochter. &#x2014; Der Maulwurf stößt auf, es wird Regen geben; alle<lb/>
Creatur sehnt sich darnach, die Pflanzen dürsten. &#x2014; Geh, Haus, suche Birnen<lb/>
in den Korb. (Hans ab.)</p><lb/>
              <note type="speaker"> Gertr. </note><lb/>
              <p xml:id="ID_1382"> Bist Du müde?</p><lb/>
              <p xml:id="ID_1383" next="#ID_1384"> DaS Alter drückt, nicht die Arbeit. &#x2014; Es soll mich wundern, ob die</p><lb/>
              <note type="speaker"> Hill.</note><lb/>
              <p xml:id="ID_1384" prev="#ID_1383"> Noisettes morgen aufblühen, meinst Du nicht auch?</p><lb/>
              <p xml:id="ID_1385"> Was, Vater?</p><lb/>
              <note type="speaker"> Gertr.</note><lb/>
              <p xml:id="ID_1386"> Tu hörst mich nicht, Du bist in Gedanken.</p><lb/>
              <note type="speaker"> Hill. </note><lb/>
              <note type="speaker"> Gertr. </note><lb/>
              <p xml:id="ID_1387"> Ich dachte an den Hans, und daß er jetzt uns allein gehört.</p><lb/>
              <note type="speaker"> Hill.</note><lb/>
              <p xml:id="ID_1388" next="#ID_1389"> Und ich an unsre Rosen. Man wird haushälterisch mit seinen Ge¬</p><lb/>
              <p xml:id="ID_1389" prev="#ID_1388"> danken, wenn man alt wird. Laß uns jeden Tag für das Kleine sorgen, was<lb/>
gerade Noth thut, dann kommt uns das Größere von selbst. Der Hans gedeiht,<lb/>
der Kohl geräth, und dem Maulwurf stell' ich morgen seine Falle. So ist Alles<lb/>
in Ordnung.</p><lb/>
              <p xml:id="ID_1390" next="#ID_1391"> Ich habe heut' einen andern Menschen gesehen, der war so ver¬</p><lb/>
              <note type="speaker"> Gertr.</note><lb/>
              <p xml:id="ID_1391" prev="#ID_1390"> schieden von uns. Er lacht, wo wir weinen, er verspottet was uns heilig ist,<lb/>
das thut mir weh.</p><lb/>
              <p xml:id="ID_1392" next="#ID_1393"> Hinweg mit den traurigen Gedanken; Du weißt, ich arg're mich</p><lb/>
              <note type="speaker"> Hill.</note><lb/>
              <p xml:id="ID_1393" prev="#ID_1392"> nicht gern, und vollends am Feierabend nicht. Darum sei fröhlich, Gertrud, thue<lb/>
Deine Pflicht und gib mir mein Abendbrot.</p><lb/>
              <p xml:id="ID_1394"><stage> (Beide ab).</stage> Du hast Recht, Vater. </p><lb/>
              <note type="speaker"> Gertr. </note><lb/>
              <stage> Waldemar.</stage><lb/>
              <note type="speaker"> Wald.</note><lb/>
              <p xml:id="ID_1395" next="#ID_1396"> Hier wohnt sie &#x2014; und sie selbst erzieht den Knaben! Ist das ein</p><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0296] Gertr. Ja, es war ein großes Unglück für Euch! Aber Klagen hilft nicht, seht nach vorwärts, Mann, Ihr müßt wieder heirathen. Ja, wenn sich nur Jemand fände. Bose. Gertr. El, Mädchen gibt's genug, und Ihr seid ein ordentlicher Mann. Ihr Müßt nur etwas auf Euch halten. Seht her, hier ist ein großes Loch in der Jacke. Immer hübsch accurat im Anzug, das haben wir Mädchen gern, und ein ordentlicher Rock gibt dem Menschen Freude an sich selbst und Frende am Leben. (lächelnd). Sie haben immer Recht, liebe Mamsell, und mit dem Bose Heirathen, das will ich mir bedenken. Gertr. Gute Nacht, Vose. Hört Nachbar, morgen ist Sonntag, da schickt Eure Kinder zu mir, wir wollen sie über den Abend behalten. (ab) Ich danke, liebe Mamsell, Bose. Haus, Hacke und Korb tragend, hinter ihm Hiller von der Seite. Tante Gertrud! , Hans (wirst Hacke und Korb weg, läuft auf Gertrud zu). Gertr. (sich zu ihm niederbeugend). Mein Johannes, jetzt gehörst Du mir ganz! , Hill. Du Wildfang, wer wird das Geräth in den Weg werfen. Guten Abend, meine Tochter. — Der Maulwurf stößt auf, es wird Regen geben; alle Creatur sehnt sich darnach, die Pflanzen dürsten. — Geh, Haus, suche Birnen in den Korb. (Hans ab.) Gertr. Bist Du müde? DaS Alter drückt, nicht die Arbeit. — Es soll mich wundern, ob die Hill. Noisettes morgen aufblühen, meinst Du nicht auch? Was, Vater? Gertr. Tu hörst mich nicht, Du bist in Gedanken. Hill. Gertr. Ich dachte an den Hans, und daß er jetzt uns allein gehört. Hill. Und ich an unsre Rosen. Man wird haushälterisch mit seinen Ge¬ danken, wenn man alt wird. Laß uns jeden Tag für das Kleine sorgen, was gerade Noth thut, dann kommt uns das Größere von selbst. Der Hans gedeiht, der Kohl geräth, und dem Maulwurf stell' ich morgen seine Falle. So ist Alles in Ordnung. Ich habe heut' einen andern Menschen gesehen, der war so ver¬ Gertr. schieden von uns. Er lacht, wo wir weinen, er verspottet was uns heilig ist, das thut mir weh. Hinweg mit den traurigen Gedanken; Du weißt, ich arg're mich Hill. nicht gern, und vollends am Feierabend nicht. Darum sei fröhlich, Gertrud, thue Deine Pflicht und gib mir mein Abendbrot. (Beide ab). Du hast Recht, Vater. Gertr. Waldemar. Wald. Hier wohnt sie — und sie selbst erzieht den Knaben! Ist das ein

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_277987
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_277987/296
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_277987/296>, abgerufen am 23.07.2024.