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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band.

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Reich der beiderseitigen Plünderung anheimfällt. Durch die "spanischen" Priester,
die Jesuiten, soll das Volk auch geistig wieder geknechtet werden. Indeß werden
die eigentlich deutschen Interessen aus das schmählichste verrathen. Durch die In¬
quisition treibt man die Niederlande zum Abfall und damit ist die Rheinmündung
verloren, die Hansa fällt, unter stillem Hohnlächeln der Fürsten; die Colonien in
Preußen werden den Polen preisgegeben.

Die spanisch-östreichische Monarchie kann sich nicht halten; an ihrer Stelle
bildet sich aber die östreichisch-ungarische. Ihr Entstehen hatte zunächst äußerliche
Gründe; es war aber auch eine innere Nothwendigkeit. Das ungarische Reich war
durch die riesenschnelle Entwicklung der Seemächte aus seiner Position am adria-
tischen Meere gedrängt, zu Lande dem Andrängen des noch immer mit jugend¬
licher Elasticität steh ausdehnenden Türkenreichs preisgegeben. Zerspalten, wie
es in seinem Innern war, mußte es steh einem mächtigen Nachbar anschließen.
Polen konnte dieser nicht sein, denn abgesehen von seiner eignen Unfähigkeit, einen
festen Halt zu gewähren, scheiden die Karpathen geographisch wie geschichtlich das
Weichselgebiet von dem der Donau. Mit Oestreich wird Ungarn nicht nur durch
die Donau verbunden, sondern auch durch das adriatische Meer; das vene-
tianische Gebiet gehört in denselben politischen Kreis; durch Kriege um Dal-
matien war es in die ungarische Geschichte verwickelt, durch Friaul und Aquileja
in bestimmter Beziehung zur deutschen Ostmark. Oestreich hatte alle Anlagen zu
einem mächtigen Staatsleben, einem Staatsleben, in welchem die realen Zwecke
der alten römischen Kaiserpolitik ihre Befriedigung finden konnten, wenn es die
Energie besaß, sich selbst zu beschränken.

Es sand sie nicht. Von den Feinden, die es zu zerstückeln suchten, im An¬
fang des dreißigjährigen Kriegs dnrch seine Generale befreit, tauchten sogleich die
alten Kaisergelüste in ihm auf. Mit den Waffen seiner Ghibellinen -- Wallenstein
u. s. w. -- und deu Intriguen seiner Jesuiten suchte es Deutschland von Neuem
unter das römische Joch zu beugen. Seine eignen Waffen wurden ihm gefähr¬
lich; es mußte sich des hochstrebenden Feldherrn durch Meuchelmord entledigen,
es mußte erleben, daß eine zweite katholische Macht in dem Religionskrieg ihm
gegenübertrat. Das im Protestantismus zu steh selbst gekommene Deutschland hatte
noch nicht die Macht, selbstständig dem Römerthum zu widerstehn; die nordischen
Stammesvettern mußten sich einmischen, und wenn der westphälische Friede factisch
dem römischen Reich ein Ende machte, so sejzte er nichts Neues an seine Stell".
Die lange, klägliche Agonie dauerte fort in den Kriegen mit Ludwig XIV.; ein
elendes Hasardspiel, in welchem Deutschland den gemeinsten Intriguen zur
Beute fiel -- Intriguen, in denen der römische Kaiser eine wesentliche Rolle
spielte und in denen man schwerlich sagen kann, ob die Rheinbundfürsten, welche die
französischen Waffen in das Herz Deutschlands führten, oder VasReichsobechaupt,


Reich der beiderseitigen Plünderung anheimfällt. Durch die „spanischen" Priester,
die Jesuiten, soll das Volk auch geistig wieder geknechtet werden. Indeß werden
die eigentlich deutschen Interessen aus das schmählichste verrathen. Durch die In¬
quisition treibt man die Niederlande zum Abfall und damit ist die Rheinmündung
verloren, die Hansa fällt, unter stillem Hohnlächeln der Fürsten; die Colonien in
Preußen werden den Polen preisgegeben.

Die spanisch-östreichische Monarchie kann sich nicht halten; an ihrer Stelle
bildet sich aber die östreichisch-ungarische. Ihr Entstehen hatte zunächst äußerliche
Gründe; es war aber auch eine innere Nothwendigkeit. Das ungarische Reich war
durch die riesenschnelle Entwicklung der Seemächte aus seiner Position am adria-
tischen Meere gedrängt, zu Lande dem Andrängen des noch immer mit jugend¬
licher Elasticität steh ausdehnenden Türkenreichs preisgegeben. Zerspalten, wie
es in seinem Innern war, mußte es steh einem mächtigen Nachbar anschließen.
Polen konnte dieser nicht sein, denn abgesehen von seiner eignen Unfähigkeit, einen
festen Halt zu gewähren, scheiden die Karpathen geographisch wie geschichtlich das
Weichselgebiet von dem der Donau. Mit Oestreich wird Ungarn nicht nur durch
die Donau verbunden, sondern auch durch das adriatische Meer; das vene-
tianische Gebiet gehört in denselben politischen Kreis; durch Kriege um Dal-
matien war es in die ungarische Geschichte verwickelt, durch Friaul und Aquileja
in bestimmter Beziehung zur deutschen Ostmark. Oestreich hatte alle Anlagen zu
einem mächtigen Staatsleben, einem Staatsleben, in welchem die realen Zwecke
der alten römischen Kaiserpolitik ihre Befriedigung finden konnten, wenn es die
Energie besaß, sich selbst zu beschränken.

Es sand sie nicht. Von den Feinden, die es zu zerstückeln suchten, im An¬
fang des dreißigjährigen Kriegs dnrch seine Generale befreit, tauchten sogleich die
alten Kaisergelüste in ihm auf. Mit den Waffen seiner Ghibellinen — Wallenstein
u. s. w. — und deu Intriguen seiner Jesuiten suchte es Deutschland von Neuem
unter das römische Joch zu beugen. Seine eignen Waffen wurden ihm gefähr¬
lich; es mußte sich des hochstrebenden Feldherrn durch Meuchelmord entledigen,
es mußte erleben, daß eine zweite katholische Macht in dem Religionskrieg ihm
gegenübertrat. Das im Protestantismus zu steh selbst gekommene Deutschland hatte
noch nicht die Macht, selbstständig dem Römerthum zu widerstehn; die nordischen
Stammesvettern mußten sich einmischen, und wenn der westphälische Friede factisch
dem römischen Reich ein Ende machte, so sejzte er nichts Neues an seine Stell«.
Die lange, klägliche Agonie dauerte fort in den Kriegen mit Ludwig XIV.; ein
elendes Hasardspiel, in welchem Deutschland den gemeinsten Intriguen zur
Beute fiel — Intriguen, in denen der römische Kaiser eine wesentliche Rolle
spielte und in denen man schwerlich sagen kann, ob die Rheinbundfürsten, welche die
französischen Waffen in das Herz Deutschlands führten, oder VasReichsobechaupt,


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[0174] Reich der beiderseitigen Plünderung anheimfällt. Durch die „spanischen" Priester, die Jesuiten, soll das Volk auch geistig wieder geknechtet werden. Indeß werden die eigentlich deutschen Interessen aus das schmählichste verrathen. Durch die In¬ quisition treibt man die Niederlande zum Abfall und damit ist die Rheinmündung verloren, die Hansa fällt, unter stillem Hohnlächeln der Fürsten; die Colonien in Preußen werden den Polen preisgegeben. Die spanisch-östreichische Monarchie kann sich nicht halten; an ihrer Stelle bildet sich aber die östreichisch-ungarische. Ihr Entstehen hatte zunächst äußerliche Gründe; es war aber auch eine innere Nothwendigkeit. Das ungarische Reich war durch die riesenschnelle Entwicklung der Seemächte aus seiner Position am adria- tischen Meere gedrängt, zu Lande dem Andrängen des noch immer mit jugend¬ licher Elasticität steh ausdehnenden Türkenreichs preisgegeben. Zerspalten, wie es in seinem Innern war, mußte es steh einem mächtigen Nachbar anschließen. Polen konnte dieser nicht sein, denn abgesehen von seiner eignen Unfähigkeit, einen festen Halt zu gewähren, scheiden die Karpathen geographisch wie geschichtlich das Weichselgebiet von dem der Donau. Mit Oestreich wird Ungarn nicht nur durch die Donau verbunden, sondern auch durch das adriatische Meer; das vene- tianische Gebiet gehört in denselben politischen Kreis; durch Kriege um Dal- matien war es in die ungarische Geschichte verwickelt, durch Friaul und Aquileja in bestimmter Beziehung zur deutschen Ostmark. Oestreich hatte alle Anlagen zu einem mächtigen Staatsleben, einem Staatsleben, in welchem die realen Zwecke der alten römischen Kaiserpolitik ihre Befriedigung finden konnten, wenn es die Energie besaß, sich selbst zu beschränken. Es sand sie nicht. Von den Feinden, die es zu zerstückeln suchten, im An¬ fang des dreißigjährigen Kriegs dnrch seine Generale befreit, tauchten sogleich die alten Kaisergelüste in ihm auf. Mit den Waffen seiner Ghibellinen — Wallenstein u. s. w. — und deu Intriguen seiner Jesuiten suchte es Deutschland von Neuem unter das römische Joch zu beugen. Seine eignen Waffen wurden ihm gefähr¬ lich; es mußte sich des hochstrebenden Feldherrn durch Meuchelmord entledigen, es mußte erleben, daß eine zweite katholische Macht in dem Religionskrieg ihm gegenübertrat. Das im Protestantismus zu steh selbst gekommene Deutschland hatte noch nicht die Macht, selbstständig dem Römerthum zu widerstehn; die nordischen Stammesvettern mußten sich einmischen, und wenn der westphälische Friede factisch dem römischen Reich ein Ende machte, so sejzte er nichts Neues an seine Stell«. Die lange, klägliche Agonie dauerte fort in den Kriegen mit Ludwig XIV.; ein elendes Hasardspiel, in welchem Deutschland den gemeinsten Intriguen zur Beute fiel — Intriguen, in denen der römische Kaiser eine wesentliche Rolle spielte und in denen man schwerlich sagen kann, ob die Rheinbundfürsten, welche die französischen Waffen in das Herz Deutschlands führten, oder VasReichsobechaupt,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_277987/174>, abgerufen am 23.12.2024.