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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band.

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da damit die unsinnige Russophvbie aufhört, mit der unsere Radikalen und Phili¬
ster in süßem EinVerständniß die Aufregung erhalten und den Credit untergraben.

Die internationalen Verhältnisse muß die Centralgewalt in die Hand nehmen,
doch kann sie es dann erst wirksam thun, wenn unsere innere Verfassungsfrage
erledigt und durch Aufhebung der Zollgrenzen eine deutsche Handelspolitik möglich
gemacht sein wird. Für den Augenblick dürfte es deshalb rathsam sein -- viel¬
leicht mit Aufhebung des diplomatischen Personale der kleinen, Mittel- und süd¬
deutschen Staaten, die Sache zu vertagen.

Die Besetzung des ReichSmiuisteriums wird große Schwierigkeiten machen.
Es sind wenig politische Charaktere da, die nicht bloße Phraseurs, sondern practische
Staatsmänner sind, und die einzelnen Staaten absorbiren eine Menge, die ihnen
zur Ordnung ihrer innern Angelegenheiten unbedingt nothwendig sind. In der
Nationalversammlung haben sich bis jetzt nur drei Männer von hervorragenden
Anlagen bemerkbar gemacht. Ueber den Einen werden alle Stimmen einig sein:
Kei.n,r,j,,es.....L,.Ma.g,er.n. Die beiden Andern stehen bei der Linken in übelin An-
sehn; man wirft ihnen ihre Vergangenheit vor, natürlich thun es besonders die
Männer, die keine Vergangenheit haben, d. h. die noch gar nichts gethan haben,
weder Gutes noch Schlimmes. Und doch sind sie die Unvermeidlichen, sobald die
abstracte Parteipolemik sich nur einigermaßen gelegt haben wird. Ich meine Ra-
dvwitz und Gras Arnim.

Soll die Centralgewalt überhaupt eiuen Sinn haben, so muß sie das dyna¬
stische Sonderinteresse zu brechen im Stande sein. Um es brechen zu können, muß
sie es aber schonen. Das ist nur ein scheinbarer Widerspruch. Herr werden über
die Souderinteressen kaun sie nur durch die Gunst des Volkes, und dieses ist
selber, theils durch Traditionen, wie die altenfritzischen in Preußen, theils durch
materielle Beziehungen in jene verflochten. Die Centralgewalt soll einerseits den
Völkern die in der Revolution erworbenen Freiheiten garantiren, andererseits der
Anarchie gegenüber die Regierungen kräftigen. Im Namen des Reichs werden die
Truppen, nicht mehr die Söldner einzelner Dynastien, der Empörung Widerstand
leisten.

Ihre Hauptstütze wird die Centralgewalt in den kleinen, an das constitutio-
nelle Leben bereits gewöhnten deutschen Staaten finden. Bis jetzt scheint Oest¬
reich ihre sicherste Stärke, und man wird sich zu Anfang nur dem Andrängen der
östreichischen Hofmänner zu erwehren haben; sobald sich aber herausstellt, daß der
Reichsverweser Johann aufhören muß, ein östreichischer Prinz zu sein, sobald die
"SMtlichen Verwickelungen Oestreichs, vielleicht schon in dem eben bevorstehenden
Reichstage, den Gedanken an "das Reich" etwas zurückgedrängt haben werden,
wird auch jener Seite eine Reaction eintreten, die jetzt schon in der Wiener
Zeitung sich vernehmlich macht. Diese schwarz-gelbe Partei will Alles behalten


da damit die unsinnige Russophvbie aufhört, mit der unsere Radikalen und Phili¬
ster in süßem EinVerständniß die Aufregung erhalten und den Credit untergraben.

Die internationalen Verhältnisse muß die Centralgewalt in die Hand nehmen,
doch kann sie es dann erst wirksam thun, wenn unsere innere Verfassungsfrage
erledigt und durch Aufhebung der Zollgrenzen eine deutsche Handelspolitik möglich
gemacht sein wird. Für den Augenblick dürfte es deshalb rathsam sein — viel¬
leicht mit Aufhebung des diplomatischen Personale der kleinen, Mittel- und süd¬
deutschen Staaten, die Sache zu vertagen.

Die Besetzung des ReichSmiuisteriums wird große Schwierigkeiten machen.
Es sind wenig politische Charaktere da, die nicht bloße Phraseurs, sondern practische
Staatsmänner sind, und die einzelnen Staaten absorbiren eine Menge, die ihnen
zur Ordnung ihrer innern Angelegenheiten unbedingt nothwendig sind. In der
Nationalversammlung haben sich bis jetzt nur drei Männer von hervorragenden
Anlagen bemerkbar gemacht. Ueber den Einen werden alle Stimmen einig sein:
Kei.n,r,j,,es.....L,.Ma.g,er.n. Die beiden Andern stehen bei der Linken in übelin An-
sehn; man wirft ihnen ihre Vergangenheit vor, natürlich thun es besonders die
Männer, die keine Vergangenheit haben, d. h. die noch gar nichts gethan haben,
weder Gutes noch Schlimmes. Und doch sind sie die Unvermeidlichen, sobald die
abstracte Parteipolemik sich nur einigermaßen gelegt haben wird. Ich meine Ra-
dvwitz und Gras Arnim.

Soll die Centralgewalt überhaupt eiuen Sinn haben, so muß sie das dyna¬
stische Sonderinteresse zu brechen im Stande sein. Um es brechen zu können, muß
sie es aber schonen. Das ist nur ein scheinbarer Widerspruch. Herr werden über
die Souderinteressen kaun sie nur durch die Gunst des Volkes, und dieses ist
selber, theils durch Traditionen, wie die altenfritzischen in Preußen, theils durch
materielle Beziehungen in jene verflochten. Die Centralgewalt soll einerseits den
Völkern die in der Revolution erworbenen Freiheiten garantiren, andererseits der
Anarchie gegenüber die Regierungen kräftigen. Im Namen des Reichs werden die
Truppen, nicht mehr die Söldner einzelner Dynastien, der Empörung Widerstand
leisten.

Ihre Hauptstütze wird die Centralgewalt in den kleinen, an das constitutio-
nelle Leben bereits gewöhnten deutschen Staaten finden. Bis jetzt scheint Oest¬
reich ihre sicherste Stärke, und man wird sich zu Anfang nur dem Andrängen der
östreichischen Hofmänner zu erwehren haben; sobald sich aber herausstellt, daß der
Reichsverweser Johann aufhören muß, ein östreichischer Prinz zu sein, sobald die
"SMtlichen Verwickelungen Oestreichs, vielleicht schon in dem eben bevorstehenden
Reichstage, den Gedanken an „das Reich" etwas zurückgedrängt haben werden,
wird auch jener Seite eine Reaction eintreten, die jetzt schon in der Wiener
Zeitung sich vernehmlich macht. Diese schwarz-gelbe Partei will Alles behalten


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_277429/99>, abgerufen am 29.06.2024.