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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band.

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ren könnte, da ferner Ungarn in einem alten Verhältniß zu Oestreich, Posen in
einem alten Verhältniß zu Preußen steht, beide aber nicht in dem entferntesten zu
Deutschland, da also die beiden Einzelstaaten viel geeigneter sind, sich über jene
Verhältnisse ein Urtheil zu bilden, als die Centralgewalt. Erzherzog Johann hat
also mit Kossuth und Jellaczicz von nnn an nichts zu thun.

Dagegen muß der dänische und italienische Krieg, sowie die Friedensunter-
handlungen von nun an von der Reichsgewalt in die Hände genommen werden.
Für die Besitzungen des Hauses Habsburg in Italien darf kein deutsches Blut
weiter vergossen werden, um so mehr, da die Folge eines etwaigen Sieges nichts
anders wäre, als eine französische Invasion. Die vorige Regierung Frankreichs-
Lamartine und seine politischen Freunde -- hatte sich socialistische Aufgaben
gesetzt und war daher nach Außen hin friedlich; die neue ist streng militärisch,
und würde, namentlich wenn es noch Thiers gelänge, sich Eingang zu verschaffen,
wozu jetzt alle Aussichten vorhanden sind, eher geneigt sein, einen Krieg zu su¬
chen, als ihn zu vermeiden. Sobald das deutsche Reich dem König von Sardi¬
nien gegenüber als Partei auftritt, wird die Sache eine andere. An eine Abtre¬
tung von Wälschtyrol wird, dem Reich gegenüber, der schlaue Savoyer uicht
denken -- die französische Intervention würde ihm auch uicht eben angenehm sein,
und die Entschädigung zu bestimmen, auf die Oestreich die gerechtesten Ansprüche
hat, würde sich ein Vermittler finden. Zunächst aber kommt es darauf an, daß
die Friedensunterhandlungen -- und mit ihnen gemeinsam natürlich ein Waffen¬
stillstand, ernstlich anfangen. Diese Verhandlungen müsse" offen geführt werden,
wie es einem freien Volke geziemt, daß ganz Europa richten kann, wer Recht
habe, und Partei nehme für ihn. Frieden wollen wir haben und ehrenvoll für
uns soll er sein, so weit wir im Recht sind.

Dasselbe gilt von dem dänischen Krieg, dem lächerlichsten, den die Weltge¬
schichte gesehen. Wir schlagen aus alleu Kräften, ohne zu treffen. Wir suchen
die alten diplomatischen Künste mit all ihrer Geheimnißkrämerei wieder hervor
und werden von aller Welt dupirt. Wenn aber die Nationalversammlung und
ihr Oberhaupt uicht im Sinne der deutschthümelnden Renommisten, die nach allen
Seiten um sich greifen möchten, sondern nach den Rechtsansprüchen, bestimmte
Forderungen an Dänemark stellt und diese offen aller Welt darlegt, so wird in
kurzer Zeit die Sache beendigt sein; wo nicht, so wird doch wohl Oestreich, der
einzige deutsche Staat, der eine Flotte haben soll, diese Schisse zusammensuchen,
und sie dem deutschen Oberfeldherrn zur Disposition stellen müssen. England und
Frankreich, auf die es hier allein ankommt, werden einem solchen Zuge nicht hin¬
derlich sein, wenn sie klar erkennen, auf welcher Seite das Recht ist.

Die Angelegenheit der Donaufürstenthümer übergehe ich hier. Vielleicht kann
diese Wendung der russischen Politik für unsre eigne Entwickelung gedeihlich sein,


ren könnte, da ferner Ungarn in einem alten Verhältniß zu Oestreich, Posen in
einem alten Verhältniß zu Preußen steht, beide aber nicht in dem entferntesten zu
Deutschland, da also die beiden Einzelstaaten viel geeigneter sind, sich über jene
Verhältnisse ein Urtheil zu bilden, als die Centralgewalt. Erzherzog Johann hat
also mit Kossuth und Jellaczicz von nnn an nichts zu thun.

Dagegen muß der dänische und italienische Krieg, sowie die Friedensunter-
handlungen von nun an von der Reichsgewalt in die Hände genommen werden.
Für die Besitzungen des Hauses Habsburg in Italien darf kein deutsches Blut
weiter vergossen werden, um so mehr, da die Folge eines etwaigen Sieges nichts
anders wäre, als eine französische Invasion. Die vorige Regierung Frankreichs-
Lamartine und seine politischen Freunde — hatte sich socialistische Aufgaben
gesetzt und war daher nach Außen hin friedlich; die neue ist streng militärisch,
und würde, namentlich wenn es noch Thiers gelänge, sich Eingang zu verschaffen,
wozu jetzt alle Aussichten vorhanden sind, eher geneigt sein, einen Krieg zu su¬
chen, als ihn zu vermeiden. Sobald das deutsche Reich dem König von Sardi¬
nien gegenüber als Partei auftritt, wird die Sache eine andere. An eine Abtre¬
tung von Wälschtyrol wird, dem Reich gegenüber, der schlaue Savoyer uicht
denken — die französische Intervention würde ihm auch uicht eben angenehm sein,
und die Entschädigung zu bestimmen, auf die Oestreich die gerechtesten Ansprüche
hat, würde sich ein Vermittler finden. Zunächst aber kommt es darauf an, daß
die Friedensunterhandlungen — und mit ihnen gemeinsam natürlich ein Waffen¬
stillstand, ernstlich anfangen. Diese Verhandlungen müsse» offen geführt werden,
wie es einem freien Volke geziemt, daß ganz Europa richten kann, wer Recht
habe, und Partei nehme für ihn. Frieden wollen wir haben und ehrenvoll für
uns soll er sein, so weit wir im Recht sind.

Dasselbe gilt von dem dänischen Krieg, dem lächerlichsten, den die Weltge¬
schichte gesehen. Wir schlagen aus alleu Kräften, ohne zu treffen. Wir suchen
die alten diplomatischen Künste mit all ihrer Geheimnißkrämerei wieder hervor
und werden von aller Welt dupirt. Wenn aber die Nationalversammlung und
ihr Oberhaupt uicht im Sinne der deutschthümelnden Renommisten, die nach allen
Seiten um sich greifen möchten, sondern nach den Rechtsansprüchen, bestimmte
Forderungen an Dänemark stellt und diese offen aller Welt darlegt, so wird in
kurzer Zeit die Sache beendigt sein; wo nicht, so wird doch wohl Oestreich, der
einzige deutsche Staat, der eine Flotte haben soll, diese Schisse zusammensuchen,
und sie dem deutschen Oberfeldherrn zur Disposition stellen müssen. England und
Frankreich, auf die es hier allein ankommt, werden einem solchen Zuge nicht hin¬
derlich sein, wenn sie klar erkennen, auf welcher Seite das Recht ist.

Die Angelegenheit der Donaufürstenthümer übergehe ich hier. Vielleicht kann
diese Wendung der russischen Politik für unsre eigne Entwickelung gedeihlich sein,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_277429/98>, abgerufen am 29.06.2024.