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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band.

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Pascha Jellaczicz abgesetzt, und recht wie ein türkischer Satrap beeilte sich der
Barus, zu bitten und zu schmeicheln, während er heimlich rüstete. Sein per¬
sönliches Austreten am Jnnsprucker Hof ist höchst merkwürdig; er beugt sich vor
seinem Kaiser als einem Herrn von Gottes Gnaden und während der Ton abso¬
luter Unterwürfigkeit in diesen unpatriarchalischen Tagen den hohen Herren und
Damen doppelt warm zu Herzen geht, während der nur zu ungeheuchelte Roya-
lismus des unternehmenden Kroaten ihn als eine künftige Thronsäule erscheinen
läßt, weiß er zugleich die Gefahr merken zu lassen, die von der gekränkten Treue der
Kroaten, von den Sympathien der türkischen Slaven für ihre Brüder und den
moskovitischen Einflüssen droht. Aehnlich den czechischen Edelleuten, ganz legitimistisch
in politischer Beziehung, aber drohend im Namen der Nationalität. DaS Manifest, wel¬
ches den Barus absetzte, wird also stillschweigend zurückgenommen und Erzherzog Jo¬
hann zum kaiserlichen Mittler und Friedensstifter zwischen Ungarn und dessen slavischen
Nebenländern ernannt. Die Unterhandlungen sollen in Wien gepflogen werden.

Aber diese Vermittlung hat ihre großen Schwierigkeiten und, beim glücklichsten
Ausgang, ihre bedenklichen Seiten. Es scheint billig und die sicherste Bürg<
schast gegen den Zug des russischen Magnets, den Südslaven eine Art Selbst-
regierung durch einen eigenen Landtag und durch einen unmittelbaren Verband
mit dem Wiener Cabinet zu gewähren. Aber weicht selbst der magyarische Stolz
der Nothwendigkeit und bequemt sich dazu, die längsterstrebte Verbindung mit dem
adriatischen Meer in slavischen Händen zu lassen, -- was die nltramagyarischen
Souveränitätsträume auf ewig in die Flucht schlüge, -- so entzündet dieser Sieg
unter den nordungarischen Slaven ein ähnliches Streben. Die vier Millio¬
nen Magyaren werden an den Deutschen Ungarns und Siebenbürgens eine nur
schwache Stütze gegen den slavischen Andrang von Norden und Süden finden.
Die Gefahr liegt dann auf der Hand, daß in Ungarn früher oder später vom
Tatra bis Belgrad die slavische Nationalität allein herrscht; ein vorwiegend slavi¬
sches Ungarn aber wird dem Wiener Cabinet noch rascher den Gehorsam kündigen,
als ein magyarisches, und dem Panslavismus in Böhmen, Mähren, Galizien und
dem wendischen Krain einen unerschütterlichen Rückhalt bieten.

Die Vermittlung soll nun beiden Möglichkeiten vorbeugen: der augenblickli¬
chen Schilderhebung Südungarns und dem künftigen Ruin des Magyarenthums;
sie muß beide, Slaven und Magyaren, an Wien zu binden suchen, indem sie jedem
Theil etwas von seinen Forderungen abmarktet und ihn für den Rest auf künftige
Zeiten und auf das Wohlwollen und die Dankbarkeit des Kaisers verweis't... ?




Pascha Jellaczicz abgesetzt, und recht wie ein türkischer Satrap beeilte sich der
Barus, zu bitten und zu schmeicheln, während er heimlich rüstete. Sein per¬
sönliches Austreten am Jnnsprucker Hof ist höchst merkwürdig; er beugt sich vor
seinem Kaiser als einem Herrn von Gottes Gnaden und während der Ton abso¬
luter Unterwürfigkeit in diesen unpatriarchalischen Tagen den hohen Herren und
Damen doppelt warm zu Herzen geht, während der nur zu ungeheuchelte Roya-
lismus des unternehmenden Kroaten ihn als eine künftige Thronsäule erscheinen
läßt, weiß er zugleich die Gefahr merken zu lassen, die von der gekränkten Treue der
Kroaten, von den Sympathien der türkischen Slaven für ihre Brüder und den
moskovitischen Einflüssen droht. Aehnlich den czechischen Edelleuten, ganz legitimistisch
in politischer Beziehung, aber drohend im Namen der Nationalität. DaS Manifest, wel¬
ches den Barus absetzte, wird also stillschweigend zurückgenommen und Erzherzog Jo¬
hann zum kaiserlichen Mittler und Friedensstifter zwischen Ungarn und dessen slavischen
Nebenländern ernannt. Die Unterhandlungen sollen in Wien gepflogen werden.

Aber diese Vermittlung hat ihre großen Schwierigkeiten und, beim glücklichsten
Ausgang, ihre bedenklichen Seiten. Es scheint billig und die sicherste Bürg<
schast gegen den Zug des russischen Magnets, den Südslaven eine Art Selbst-
regierung durch einen eigenen Landtag und durch einen unmittelbaren Verband
mit dem Wiener Cabinet zu gewähren. Aber weicht selbst der magyarische Stolz
der Nothwendigkeit und bequemt sich dazu, die längsterstrebte Verbindung mit dem
adriatischen Meer in slavischen Händen zu lassen, — was die nltramagyarischen
Souveränitätsträume auf ewig in die Flucht schlüge, — so entzündet dieser Sieg
unter den nordungarischen Slaven ein ähnliches Streben. Die vier Millio¬
nen Magyaren werden an den Deutschen Ungarns und Siebenbürgens eine nur
schwache Stütze gegen den slavischen Andrang von Norden und Süden finden.
Die Gefahr liegt dann auf der Hand, daß in Ungarn früher oder später vom
Tatra bis Belgrad die slavische Nationalität allein herrscht; ein vorwiegend slavi¬
sches Ungarn aber wird dem Wiener Cabinet noch rascher den Gehorsam kündigen,
als ein magyarisches, und dem Panslavismus in Böhmen, Mähren, Galizien und
dem wendischen Krain einen unerschütterlichen Rückhalt bieten.

Die Vermittlung soll nun beiden Möglichkeiten vorbeugen: der augenblickli¬
chen Schilderhebung Südungarns und dem künftigen Ruin des Magyarenthums;
sie muß beide, Slaven und Magyaren, an Wien zu binden suchen, indem sie jedem
Theil etwas von seinen Forderungen abmarktet und ihn für den Rest auf künftige
Zeiten und auf das Wohlwollen und die Dankbarkeit des Kaisers verweis't... ?




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_277429/94>, abgerufen am 29.06.2024.