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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band.

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dränge des Lebens zu winden versteht, nicht eine edle Natur wie die Ihrige, die
vor allem Gemeinen Scheu hat. Sehen Sie sich einmal unter Ihren politischen
Freunden um -- aber machen Sie dazu die Augen auf und träumen Sie nicht
in Sich hinein. Ich will Ihnen hier nur Einen anführen, der noch zu den Ge¬
bildeten gehört, Herrn Julius. In der letzten Nummer der Zeitungshalle --
die Sie ja zu Ihrem Organ gewählt haben -- klagt dieser Biedermann darüber,
daß das Ministerium von einer andern Zeitung einen geringeren Postausschlag
"unent, als von der seinigen und ruft dann in edler Entrüstung: wenn nun der
Landtag nicht das Ministerium des Hochverraths anklagt, so ist er nicht werth,
daß man über ihn noch ein Wort verliert. Derselbe Ehrenmann that aber alles,
was in seinen Kräften stand, um unter der vorigen, absolutistischen Regierung
sein Blatt zu einem sulwentionirten zu machen, er unterstützte die freche Willkür
der heiligen Allianz in der Krakauer Frage, er unterstützte das Bündniß mit Rußland,
er unterstützte die rechtlosen Finanzspeculationen der Seehandlung, er griff hämisch
und perfid die Liberalen an, so oft sie, was in ihren Kräften stand, zur Herstellung
des Rechtszustandes in Preußen zu thun suchten, und einen solchen Menschen zählt
jetzt die radikale Partei zu ihren Häuptern!

Und nun sehen Sie sich die elenden, jesuitischen Kniffe an, die diese Partei
gebraucht, um die Aufregung künstlich zu erhalten und zu steigern, diese Gespen¬
sterfurcht vor den Russen und der Reaction, mit der sie die politischen Kinder
Berlins graueln macht, und dabei diese vollständige Impotenz, diesen Mangel an
aller sittlichen oder politischen, positiven Idee, die sie zu Tage gefördert hat, diese
knabenhafte Ungezogenheit, mit der sie den Mund vollnimmt, weil der Schulmeister
ausgegangen ist -- sehen Sie das Alles und wählen Sie dann, ob Sie Ihren
ehrenwerthen Namen dazu hergeben wollen, einer solchen Partei Vorschub zu leisten.

Der gegenwärtige Zustand muß aufhören. Die Ordnung, der Credit, der
Rechtszustand muß wieder hergestellt werden. Einer unserer Leipziger Republikaner
hat eine deutsche Cocarde aufgehängt, und mit Anspielung aus die Farben die
Devise hinzugesetzt: Aus der Nacht zum Licht durch---!!! Hu! Sie
meinen B -l--uuutt ü

Das ist eine knabenhafte Spielerei mit gräulichen Bildern, wie wir sie alle
Füchse getrieben haben. Es ist aber etwas Wahres daran. Die Geschichte,
in diesen Tagen in Paris gespielt hat, wir werden sie auch durchmachen müs-
hoffentlich in einer weniger schrecklichen Ausdehnung. Wenn Sie auf jener
?°'te bleiben, so sind Sie unser Feind -- Sie wissen wohl, daß ich nicht blos
weinen Namen spreche -- und wir werden den Schlag, der Sie trifft, bedauern,
nicht abwenden.


Ganz der Ihrige
Julian Schmidt.


10*

dränge des Lebens zu winden versteht, nicht eine edle Natur wie die Ihrige, die
vor allem Gemeinen Scheu hat. Sehen Sie sich einmal unter Ihren politischen
Freunden um — aber machen Sie dazu die Augen auf und träumen Sie nicht
in Sich hinein. Ich will Ihnen hier nur Einen anführen, der noch zu den Ge¬
bildeten gehört, Herrn Julius. In der letzten Nummer der Zeitungshalle —
die Sie ja zu Ihrem Organ gewählt haben — klagt dieser Biedermann darüber,
daß das Ministerium von einer andern Zeitung einen geringeren Postausschlag
"unent, als von der seinigen und ruft dann in edler Entrüstung: wenn nun der
Landtag nicht das Ministerium des Hochverraths anklagt, so ist er nicht werth,
daß man über ihn noch ein Wort verliert. Derselbe Ehrenmann that aber alles,
was in seinen Kräften stand, um unter der vorigen, absolutistischen Regierung
sein Blatt zu einem sulwentionirten zu machen, er unterstützte die freche Willkür
der heiligen Allianz in der Krakauer Frage, er unterstützte das Bündniß mit Rußland,
er unterstützte die rechtlosen Finanzspeculationen der Seehandlung, er griff hämisch
und perfid die Liberalen an, so oft sie, was in ihren Kräften stand, zur Herstellung
des Rechtszustandes in Preußen zu thun suchten, und einen solchen Menschen zählt
jetzt die radikale Partei zu ihren Häuptern!

Und nun sehen Sie sich die elenden, jesuitischen Kniffe an, die diese Partei
gebraucht, um die Aufregung künstlich zu erhalten und zu steigern, diese Gespen¬
sterfurcht vor den Russen und der Reaction, mit der sie die politischen Kinder
Berlins graueln macht, und dabei diese vollständige Impotenz, diesen Mangel an
aller sittlichen oder politischen, positiven Idee, die sie zu Tage gefördert hat, diese
knabenhafte Ungezogenheit, mit der sie den Mund vollnimmt, weil der Schulmeister
ausgegangen ist — sehen Sie das Alles und wählen Sie dann, ob Sie Ihren
ehrenwerthen Namen dazu hergeben wollen, einer solchen Partei Vorschub zu leisten.

Der gegenwärtige Zustand muß aufhören. Die Ordnung, der Credit, der
Rechtszustand muß wieder hergestellt werden. Einer unserer Leipziger Republikaner
hat eine deutsche Cocarde aufgehängt, und mit Anspielung aus die Farben die
Devise hinzugesetzt: Aus der Nacht zum Licht durch---!!! Hu! Sie
meinen B -l—uuutt ü

Das ist eine knabenhafte Spielerei mit gräulichen Bildern, wie wir sie alle
Füchse getrieben haben. Es ist aber etwas Wahres daran. Die Geschichte,
in diesen Tagen in Paris gespielt hat, wir werden sie auch durchmachen müs-
hoffentlich in einer weniger schrecklichen Ausdehnung. Wenn Sie auf jener
?°'te bleiben, so sind Sie unser Feind — Sie wissen wohl, daß ich nicht blos
weinen Namen spreche — und wir werden den Schlag, der Sie trifft, bedauern,
nicht abwenden.


Ganz der Ihrige
Julian Schmidt.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_277429/79>, abgerufen am 29.06.2024.