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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band.

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Die Revolution der freien Stadt Bremen.



Sie wünschen zu wissen, geehrter Freund, wie uus hier zu Lande das Kleid
der neuen deutschen Freiheit am Leibe sitzt: und wenn ich Ihnen darauf erwiedere,
daß wir eben die Neuheit noch gar zu sehr verspüren, daß es noch nirgend sich
so recht behaglich anschmiegen will, daß wir allangenblicklich nach dem Rocke grei¬
fen, streichen, rücken und dehnen müssen, so denke ich so ziemlich ein und dasselbe
Gefühl ausgesprochen zu habe", welches von einem Ende des lieben Vaterlandes
bis zum andern mehr oder weniger Alle verspüren, wenn sie es auch nicht Alle
gestehn.

Revolution in der freien Stadt Bremen! Nun ja, wir harmlosen
Deutschen haben mit dem schönen Tiger der Revolution nun auch so vertraute
Bekanntschaft gemacht, daß wir es ohne diesen Namen gar nicht mehr thun und
jeden Sturm in einem Glase Wasser mit allen Bildern des fürchterlichsten Schiff-
bruches ausmalen. Fragen Sie einfach und präcis: "Hat es in Folge der Erd¬
beben, welche nach den französischen Februartagen mehr oder minder heftig alle
Gegenden Deutschlands heimgesucht haben, auch in Ihrem Bremen eigentliche Un¬
ruhen gegeben?" so wird Ihnen jeder verständige Mann, der die bedenklichsten
Tage der letzten Zeit in unserer Stadt zugebracht hätte, das entschiedenste Nein!
entgegnen.

Eine Deputation bis zu dem 8. März 1848 an unserm öffentlichen Leben uichtbc-
theiligter Einwohner der Republik überreichte an diesem Tage dem Senat eine Bitt¬
schrift, daß die bisherige Form unserer gesetzlichen Vertretung geändert und auch
bisher nicht berechtigten Staatsgenossen an dieser Vertretung Antheil gegeben
werde; der Senat bewilligte nach einer äußerst kurzen und etwas bänglichen Be-
denkfrist das Begehren; und damit war die Revolution beendigt. Sehen wir auf
den Gegensatz eines beharrlichen Hin- und Herzieheus des zeitgemäß Nothwendigen
in unserer Nachbarstadt Hamburg, so tritt uns Bremen in einem erfrischenden
Lichte vaterländischer Regsamkeit entgegen. In Hamburg legte zum Theil bereits
unmittelbar das verhängnißvolle Brandunglück von 1840 das unwürdige Zeug¬
niß ab, daß der Senat dieser freien Stadt eine verstockte Kaste und in den


Die Revolution der freien Stadt Bremen.



Sie wünschen zu wissen, geehrter Freund, wie uus hier zu Lande das Kleid
der neuen deutschen Freiheit am Leibe sitzt: und wenn ich Ihnen darauf erwiedere,
daß wir eben die Neuheit noch gar zu sehr verspüren, daß es noch nirgend sich
so recht behaglich anschmiegen will, daß wir allangenblicklich nach dem Rocke grei¬
fen, streichen, rücken und dehnen müssen, so denke ich so ziemlich ein und dasselbe
Gefühl ausgesprochen zu habe», welches von einem Ende des lieben Vaterlandes
bis zum andern mehr oder weniger Alle verspüren, wenn sie es auch nicht Alle
gestehn.

Revolution in der freien Stadt Bremen! Nun ja, wir harmlosen
Deutschen haben mit dem schönen Tiger der Revolution nun auch so vertraute
Bekanntschaft gemacht, daß wir es ohne diesen Namen gar nicht mehr thun und
jeden Sturm in einem Glase Wasser mit allen Bildern des fürchterlichsten Schiff-
bruches ausmalen. Fragen Sie einfach und präcis: „Hat es in Folge der Erd¬
beben, welche nach den französischen Februartagen mehr oder minder heftig alle
Gegenden Deutschlands heimgesucht haben, auch in Ihrem Bremen eigentliche Un¬
ruhen gegeben?" so wird Ihnen jeder verständige Mann, der die bedenklichsten
Tage der letzten Zeit in unserer Stadt zugebracht hätte, das entschiedenste Nein!
entgegnen.

Eine Deputation bis zu dem 8. März 1848 an unserm öffentlichen Leben uichtbc-
theiligter Einwohner der Republik überreichte an diesem Tage dem Senat eine Bitt¬
schrift, daß die bisherige Form unserer gesetzlichen Vertretung geändert und auch
bisher nicht berechtigten Staatsgenossen an dieser Vertretung Antheil gegeben
werde; der Senat bewilligte nach einer äußerst kurzen und etwas bänglichen Be-
denkfrist das Begehren; und damit war die Revolution beendigt. Sehen wir auf
den Gegensatz eines beharrlichen Hin- und Herzieheus des zeitgemäß Nothwendigen
in unserer Nachbarstadt Hamburg, so tritt uns Bremen in einem erfrischenden
Lichte vaterländischer Regsamkeit entgegen. In Hamburg legte zum Theil bereits
unmittelbar das verhängnißvolle Brandunglück von 1840 das unwürdige Zeug¬
niß ab, daß der Senat dieser freien Stadt eine verstockte Kaste und in den


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[0080] Die Revolution der freien Stadt Bremen. Sie wünschen zu wissen, geehrter Freund, wie uus hier zu Lande das Kleid der neuen deutschen Freiheit am Leibe sitzt: und wenn ich Ihnen darauf erwiedere, daß wir eben die Neuheit noch gar zu sehr verspüren, daß es noch nirgend sich so recht behaglich anschmiegen will, daß wir allangenblicklich nach dem Rocke grei¬ fen, streichen, rücken und dehnen müssen, so denke ich so ziemlich ein und dasselbe Gefühl ausgesprochen zu habe», welches von einem Ende des lieben Vaterlandes bis zum andern mehr oder weniger Alle verspüren, wenn sie es auch nicht Alle gestehn. Revolution in der freien Stadt Bremen! Nun ja, wir harmlosen Deutschen haben mit dem schönen Tiger der Revolution nun auch so vertraute Bekanntschaft gemacht, daß wir es ohne diesen Namen gar nicht mehr thun und jeden Sturm in einem Glase Wasser mit allen Bildern des fürchterlichsten Schiff- bruches ausmalen. Fragen Sie einfach und präcis: „Hat es in Folge der Erd¬ beben, welche nach den französischen Februartagen mehr oder minder heftig alle Gegenden Deutschlands heimgesucht haben, auch in Ihrem Bremen eigentliche Un¬ ruhen gegeben?" so wird Ihnen jeder verständige Mann, der die bedenklichsten Tage der letzten Zeit in unserer Stadt zugebracht hätte, das entschiedenste Nein! entgegnen. Eine Deputation bis zu dem 8. März 1848 an unserm öffentlichen Leben uichtbc- theiligter Einwohner der Republik überreichte an diesem Tage dem Senat eine Bitt¬ schrift, daß die bisherige Form unserer gesetzlichen Vertretung geändert und auch bisher nicht berechtigten Staatsgenossen an dieser Vertretung Antheil gegeben werde; der Senat bewilligte nach einer äußerst kurzen und etwas bänglichen Be- denkfrist das Begehren; und damit war die Revolution beendigt. Sehen wir auf den Gegensatz eines beharrlichen Hin- und Herzieheus des zeitgemäß Nothwendigen in unserer Nachbarstadt Hamburg, so tritt uns Bremen in einem erfrischenden Lichte vaterländischer Regsamkeit entgegen. In Hamburg legte zum Theil bereits unmittelbar das verhängnißvolle Brandunglück von 1840 das unwürdige Zeug¬ niß ab, daß der Senat dieser freien Stadt eine verstockte Kaste und in den

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_277429/80>, abgerufen am 29.06.2024.