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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band.

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Lieber Fröbel! Schon daraus, daß man Sie an die Spitze der Partei
stellte, mußten Sie die Schwäche dieser Partei erkennen. Sie sind alles in der
Welt eher, als ein Revolutionär. Zum Führer einer revolutionären Partei gehört
ein hartgesottener Sünder, der keine sittlichen Bedenken trägt, der Alles sieht und
Alles zu benutzen weiß, der die Menschen durchschaut und sie zu seinen Werk¬
zeuge" zu machen versteht. Von dem Allen haben Sie nichts. Das gehört zum
Umstürzen, wenn ich nun aber gar an das Aufbauen denke! Wo soll diese fran¬
zösische Rührigkeit herkommen, diese Sicherheit des Blickes, einen Jeden auf sei¬
nen Posten zu stellen, diese Schnelligkeit des Entschlusses in Zeiten, wo der Au¬
genblick entscheider! Aber daran denken Sie auch vorläufig nicht. Sie sehen die
bestehenden Verhältnisse wie einen Augiasstall an, in den Sie deu Strom der
Revolution leiten wollen, um ihn zu reinigen. Aber einmal sind Sie kein
Herkules, der Strom würde gehen, wohin er Lust hätte, und dann lassen sich
Institutionen auch nicht so leicht wegschwemmen, als der Mist der Schafe und
Rinder. Der Radikalismus kann, wenn seine Gegner schwach sind, die Anarchie
hervorbringen, aber nimmermehr die Republik. Nehmen Sie sich ein Beispiel an
den Parisern.

Sie können nicht wohl Ihre einmal gewählte Partei im Stich lassen, Sie
können aber dazu beitragen, Sie zu veredeln. Halten Sie, wenn es Ihnen mög¬
lich ist, sie davon ab, alle Tage Katzenmusik zu bringen, das Zeughaus zu plün¬
dern und sich in perennirenden Emeuten zu amüsiren. Fesseln Sie, wenn Sie's
können, die republikanischen Bewegungen in die Schranken der Theorie, betrach¬
ten Sie Ihren Club als einen Hörsaal, in dem Sie als außerordentlicher Pro¬
fessor des Republikanismus populäre Vorlesungen über das Wesen der Demokratie
halten. Ehe Sie aber das unternehmen, erlauben Sie mir noch ein Paar Worte
über dieses Thema.

Was enthält der Begriff der Republik und der Demokratie, wie er als ein
prinzipieller Gegensatz gegen die bisherige Ordnung der Dinge aufgestellt ist?
Mit andern Worten die Idee der Autonomie und der Gleichheit?

Eine Zwischenbemerkung. Es ist noch nicht ein Jahr her, als Sie uns die
Schweizer Verhältnisse, die dort herrschende Gleichheit und Demokratie als ein
Ideal aufstellten. Freilich bemerkten Sie dabei, daß der Schweizer Jeden, der
nicht selbstständig ist, d. h. der nicht ein selbstständiges Vermögen besitzt, mit
Mißtrauen und einer gewissen Verachtung anzusehen geneigt ist, weil er annimmt,
derselbe könne erkauft werden und dadurch seine Unabhängigkeit verlieren. Wir
fragten Sie, wie viel mau in der Schweiz besitzen müsse, um diesem Verdacht
nicht ausgesetzt zu sein? und Sie antworteten darauf nach einiger Ueberlegung:
ungefähr 2000 Rthlr. jährlich. Als wir Ihnen darauf entgegneten, daß wir bei
so bewandten Umständen glaubten, in Preußen der Idee der Gleichheit näher zu
sein, als die Schweizer, so nahm Sie das Wunder und Sie konnten es nicht


Lieber Fröbel! Schon daraus, daß man Sie an die Spitze der Partei
stellte, mußten Sie die Schwäche dieser Partei erkennen. Sie sind alles in der
Welt eher, als ein Revolutionär. Zum Führer einer revolutionären Partei gehört
ein hartgesottener Sünder, der keine sittlichen Bedenken trägt, der Alles sieht und
Alles zu benutzen weiß, der die Menschen durchschaut und sie zu seinen Werk¬
zeuge» zu machen versteht. Von dem Allen haben Sie nichts. Das gehört zum
Umstürzen, wenn ich nun aber gar an das Aufbauen denke! Wo soll diese fran¬
zösische Rührigkeit herkommen, diese Sicherheit des Blickes, einen Jeden auf sei¬
nen Posten zu stellen, diese Schnelligkeit des Entschlusses in Zeiten, wo der Au¬
genblick entscheider! Aber daran denken Sie auch vorläufig nicht. Sie sehen die
bestehenden Verhältnisse wie einen Augiasstall an, in den Sie deu Strom der
Revolution leiten wollen, um ihn zu reinigen. Aber einmal sind Sie kein
Herkules, der Strom würde gehen, wohin er Lust hätte, und dann lassen sich
Institutionen auch nicht so leicht wegschwemmen, als der Mist der Schafe und
Rinder. Der Radikalismus kann, wenn seine Gegner schwach sind, die Anarchie
hervorbringen, aber nimmermehr die Republik. Nehmen Sie sich ein Beispiel an
den Parisern.

Sie können nicht wohl Ihre einmal gewählte Partei im Stich lassen, Sie
können aber dazu beitragen, Sie zu veredeln. Halten Sie, wenn es Ihnen mög¬
lich ist, sie davon ab, alle Tage Katzenmusik zu bringen, das Zeughaus zu plün¬
dern und sich in perennirenden Emeuten zu amüsiren. Fesseln Sie, wenn Sie's
können, die republikanischen Bewegungen in die Schranken der Theorie, betrach¬
ten Sie Ihren Club als einen Hörsaal, in dem Sie als außerordentlicher Pro¬
fessor des Republikanismus populäre Vorlesungen über das Wesen der Demokratie
halten. Ehe Sie aber das unternehmen, erlauben Sie mir noch ein Paar Worte
über dieses Thema.

Was enthält der Begriff der Republik und der Demokratie, wie er als ein
prinzipieller Gegensatz gegen die bisherige Ordnung der Dinge aufgestellt ist?
Mit andern Worten die Idee der Autonomie und der Gleichheit?

Eine Zwischenbemerkung. Es ist noch nicht ein Jahr her, als Sie uns die
Schweizer Verhältnisse, die dort herrschende Gleichheit und Demokratie als ein
Ideal aufstellten. Freilich bemerkten Sie dabei, daß der Schweizer Jeden, der
nicht selbstständig ist, d. h. der nicht ein selbstständiges Vermögen besitzt, mit
Mißtrauen und einer gewissen Verachtung anzusehen geneigt ist, weil er annimmt,
derselbe könne erkauft werden und dadurch seine Unabhängigkeit verlieren. Wir
fragten Sie, wie viel mau in der Schweiz besitzen müsse, um diesem Verdacht
nicht ausgesetzt zu sein? und Sie antworteten darauf nach einiger Ueberlegung:
ungefähr 2000 Rthlr. jährlich. Als wir Ihnen darauf entgegneten, daß wir bei
so bewandten Umständen glaubten, in Preußen der Idee der Gleichheit näher zu
sein, als die Schweizer, so nahm Sie das Wunder und Sie konnten es nicht


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_277429/74>, abgerufen am 29.06.2024.