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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band.

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Bürgerkriegs Nichts einwenden konnte. Es erfolgte das wirkliche Zusammentreten der
vom gestimmten Volk gewählten, von den einzelnen Staaten anerkannten National¬
versammlung. Wenn man die ungeheuern Schwierigkeiten ihrer Lage, die voll¬
kommene Neuheit der Sache und die Ungeübtheit eines großen Theils ihrer Mit¬
glieder in Anschlag bringt, so konnte man, einzelne Verkehrtheiten abgerechnet,
mit dem Ernst und der Gewissenhaftigkeit dieses politischen Körpers zufrieden sein.
Die Versammlung trug in der That die Physiognomie des deutschen Volks.

Sie, mein werther Herr Republikaner, der Sie immer das Recht der Ma¬
jorität im Munde führen! Sie haben mit Ihren Parteigenossen Alles gethan,
den Ernst der Versammlung zu stören und sie als reaktionär und ohnmächtig in
Deutschland zu verschreien. Ihr Freund Pelz erklärte noch neulich im Leipziger
Vaterlandsvereine Robert Blum für einen Reactionär, weil er sich der Majo¬
rität gefügt; er erzählte, in Frankfurt sei es sehr amüsant, man bringe Katzen¬
musiken u. dergl., das einzige Langweilige sei das deutsche Parlament.

Neben diesem langweiligen Reichstag trat also ein kurzweiliger Ausschuß der
sämmtlichen demokratischen Vereine zusammen. Sie wurden zum Präsidenten des¬
selben erwählt. Ich kann mir lebhaft vorstellen, wie Sie durch Ihre schöne männ¬
liche Haltung, durch den gelinden Anstrich von Schwärmerei, der in Ihrem Ton
liegt, durch den Anschein von Besonnenheit und Verstand, den Sie Ihren extra¬
vaganten Ideen zu geben wissen und selbst durch Ihren Bart den jungen Leuten
imponirten, die hier über die interessante Frage beriethen: ob die demokratische
Republik die einzig mögliche Staatsform für Deutschland, oder ob sie die einzig
haltbare sei. Nachdem die Majorität sich für die letztere Fassung erklärt und
damit über die künftige Geschichte im Voraus entschieden hatte, wurde ein Cen-
tralausschuß aller Republikaner -- d. h. aller derjenigen, die wider den Willen
der legitimen Volksvertreter die Republik in Deutschland durchsetzen wollen, er¬
wählt und ihm Berlin zum Sitz gegeben. Sie waren der Erste, der in diesen
Ausschuß kam; ich höre sogar, mau habe Ihnen die Dictatur übertragen wollen,
und dieses Vorhaben sei nur durch den Starrsinn einiger modernen Verrina's,
die sich vor einem neuen Fiesco fürchteten, vereitelt worden.

Es hätte nun noch der glückliche Umstand für Sie eintreten können, daß
die preußische Regierung die Dummheit begangen hätte, Sie auszuweisen, wie sie
es ehemals mit Ihrem Freunde Hecker gethan. Dann wären Sie ein Märtyrer
der Freiheit geworden, und jeder Secundaner hätte Sonette auf Sie gemacht.
So gut sollte es Ihnen nicht werden. Man legte Ihrem Einzug in Berlin kein
Hinderniß in den Weg und Sie werden sich jetzt bemüßigt sehen, von Ihrem
Organisationstalent eine Probe zu geben. Ich fürchte, es wird nicht viel Kluges
dabeNmaus kommen.

In einer andern Beziehung ist es gut, daß Sie nach Berlin gekommen sind.
Sre werden sich ^ "rin unsere Radikalen ansehen können. Es kommt nicht blos


Bürgerkriegs Nichts einwenden konnte. Es erfolgte das wirkliche Zusammentreten der
vom gestimmten Volk gewählten, von den einzelnen Staaten anerkannten National¬
versammlung. Wenn man die ungeheuern Schwierigkeiten ihrer Lage, die voll¬
kommene Neuheit der Sache und die Ungeübtheit eines großen Theils ihrer Mit¬
glieder in Anschlag bringt, so konnte man, einzelne Verkehrtheiten abgerechnet,
mit dem Ernst und der Gewissenhaftigkeit dieses politischen Körpers zufrieden sein.
Die Versammlung trug in der That die Physiognomie des deutschen Volks.

Sie, mein werther Herr Republikaner, der Sie immer das Recht der Ma¬
jorität im Munde führen! Sie haben mit Ihren Parteigenossen Alles gethan,
den Ernst der Versammlung zu stören und sie als reaktionär und ohnmächtig in
Deutschland zu verschreien. Ihr Freund Pelz erklärte noch neulich im Leipziger
Vaterlandsvereine Robert Blum für einen Reactionär, weil er sich der Majo¬
rität gefügt; er erzählte, in Frankfurt sei es sehr amüsant, man bringe Katzen¬
musiken u. dergl., das einzige Langweilige sei das deutsche Parlament.

Neben diesem langweiligen Reichstag trat also ein kurzweiliger Ausschuß der
sämmtlichen demokratischen Vereine zusammen. Sie wurden zum Präsidenten des¬
selben erwählt. Ich kann mir lebhaft vorstellen, wie Sie durch Ihre schöne männ¬
liche Haltung, durch den gelinden Anstrich von Schwärmerei, der in Ihrem Ton
liegt, durch den Anschein von Besonnenheit und Verstand, den Sie Ihren extra¬
vaganten Ideen zu geben wissen und selbst durch Ihren Bart den jungen Leuten
imponirten, die hier über die interessante Frage beriethen: ob die demokratische
Republik die einzig mögliche Staatsform für Deutschland, oder ob sie die einzig
haltbare sei. Nachdem die Majorität sich für die letztere Fassung erklärt und
damit über die künftige Geschichte im Voraus entschieden hatte, wurde ein Cen-
tralausschuß aller Republikaner — d. h. aller derjenigen, die wider den Willen
der legitimen Volksvertreter die Republik in Deutschland durchsetzen wollen, er¬
wählt und ihm Berlin zum Sitz gegeben. Sie waren der Erste, der in diesen
Ausschuß kam; ich höre sogar, mau habe Ihnen die Dictatur übertragen wollen,
und dieses Vorhaben sei nur durch den Starrsinn einiger modernen Verrina's,
die sich vor einem neuen Fiesco fürchteten, vereitelt worden.

Es hätte nun noch der glückliche Umstand für Sie eintreten können, daß
die preußische Regierung die Dummheit begangen hätte, Sie auszuweisen, wie sie
es ehemals mit Ihrem Freunde Hecker gethan. Dann wären Sie ein Märtyrer
der Freiheit geworden, und jeder Secundaner hätte Sonette auf Sie gemacht.
So gut sollte es Ihnen nicht werden. Man legte Ihrem Einzug in Berlin kein
Hinderniß in den Weg und Sie werden sich jetzt bemüßigt sehen, von Ihrem
Organisationstalent eine Probe zu geben. Ich fürchte, es wird nicht viel Kluges
dabeNmaus kommen.

In einer andern Beziehung ist es gut, daß Sie nach Berlin gekommen sind.
Sre werden sich ^ „rin unsere Radikalen ansehen können. Es kommt nicht blos


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[0071] Bürgerkriegs Nichts einwenden konnte. Es erfolgte das wirkliche Zusammentreten der vom gestimmten Volk gewählten, von den einzelnen Staaten anerkannten National¬ versammlung. Wenn man die ungeheuern Schwierigkeiten ihrer Lage, die voll¬ kommene Neuheit der Sache und die Ungeübtheit eines großen Theils ihrer Mit¬ glieder in Anschlag bringt, so konnte man, einzelne Verkehrtheiten abgerechnet, mit dem Ernst und der Gewissenhaftigkeit dieses politischen Körpers zufrieden sein. Die Versammlung trug in der That die Physiognomie des deutschen Volks. Sie, mein werther Herr Republikaner, der Sie immer das Recht der Ma¬ jorität im Munde führen! Sie haben mit Ihren Parteigenossen Alles gethan, den Ernst der Versammlung zu stören und sie als reaktionär und ohnmächtig in Deutschland zu verschreien. Ihr Freund Pelz erklärte noch neulich im Leipziger Vaterlandsvereine Robert Blum für einen Reactionär, weil er sich der Majo¬ rität gefügt; er erzählte, in Frankfurt sei es sehr amüsant, man bringe Katzen¬ musiken u. dergl., das einzige Langweilige sei das deutsche Parlament. Neben diesem langweiligen Reichstag trat also ein kurzweiliger Ausschuß der sämmtlichen demokratischen Vereine zusammen. Sie wurden zum Präsidenten des¬ selben erwählt. Ich kann mir lebhaft vorstellen, wie Sie durch Ihre schöne männ¬ liche Haltung, durch den gelinden Anstrich von Schwärmerei, der in Ihrem Ton liegt, durch den Anschein von Besonnenheit und Verstand, den Sie Ihren extra¬ vaganten Ideen zu geben wissen und selbst durch Ihren Bart den jungen Leuten imponirten, die hier über die interessante Frage beriethen: ob die demokratische Republik die einzig mögliche Staatsform für Deutschland, oder ob sie die einzig haltbare sei. Nachdem die Majorität sich für die letztere Fassung erklärt und damit über die künftige Geschichte im Voraus entschieden hatte, wurde ein Cen- tralausschuß aller Republikaner — d. h. aller derjenigen, die wider den Willen der legitimen Volksvertreter die Republik in Deutschland durchsetzen wollen, er¬ wählt und ihm Berlin zum Sitz gegeben. Sie waren der Erste, der in diesen Ausschuß kam; ich höre sogar, mau habe Ihnen die Dictatur übertragen wollen, und dieses Vorhaben sei nur durch den Starrsinn einiger modernen Verrina's, die sich vor einem neuen Fiesco fürchteten, vereitelt worden. Es hätte nun noch der glückliche Umstand für Sie eintreten können, daß die preußische Regierung die Dummheit begangen hätte, Sie auszuweisen, wie sie es ehemals mit Ihrem Freunde Hecker gethan. Dann wären Sie ein Märtyrer der Freiheit geworden, und jeder Secundaner hätte Sonette auf Sie gemacht. So gut sollte es Ihnen nicht werden. Man legte Ihrem Einzug in Berlin kein Hinderniß in den Weg und Sie werden sich jetzt bemüßigt sehen, von Ihrem Organisationstalent eine Probe zu geben. Ich fürchte, es wird nicht viel Kluges dabeNmaus kommen. In einer andern Beziehung ist es gut, daß Sie nach Berlin gekommen sind. Sre werden sich ^ „rin unsere Radikalen ansehen können. Es kommt nicht blos

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_277429/71>, abgerufen am 29.06.2024.