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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band.

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i.
Der Aechtsbode" und die Revolution.
Politische" ProjMMi".

" An dem Felsen des Rechts wird das Schiff der Revolution zerschellen!" sagte
Herr v. Vincke in der Nationalversammlung zu Frankfurt, im vorigen Jahre der Anwalt
der ständischen Rechte gegen die Willkür der Krone, heute der Vertreter der Fürstenrechte
gegen den Andrang des Volks. Dieser Standpunkt scheint in Frankfurt wenig Beifall
zu finden. Der gefeierte Redner hat in der großen, aus den angesehensten Männern
der Nation auserlesenen Versammlung nur einige !!l> Stimmen gewonnen. In Berlin ist
das Ministerium Camphausen, das mit ungleich größerer Bescheidenheit eine ähnliche Ansicht
vertrat, an seinem Rechtsprincip wenigstens formell zu Grunde gegangen, mögen die
eigentlichen Ursachen auch anderwärts zu suchen sein. Es ist der Mühe werth, die Be^
rechtigung dieses Standpunkts zu untersuchen.

Der Antrag, den man in Berlin auf Anerkennung der Märzrevolution stellte, war
eigentlich sonderbar gesaßt. Daß eine Revolution geschehen war, durfte man nicht erst
anerkennen. Man konnte Herrn Behrends sagen: "Ersparen Sie uns, aus Zeitungs'
Nachrichten zu hören, was wir schaudernd selbst erlebt!" Daß durch diese Revolution
die bisherige Staatsform vollkommen geändert war, lag ebenso Allen vor Augen, die
Existenz der Versammlung selbst, in der solche Debatte geführt werden konnte, legte ein
Zeugniß dafür ab. Was sollte also eigentlich anerkannt werden?j

Entweder die Rechtsgültigkeit der in Folge jener Revolution gegründeten Staatsform.
Oder die Rechtsgültigkeit des angewendeten Mittels -- der Barrikaden.

Auf die erste Frage erwiederte Herr Camphausen, wenn wir seine Rede in's Logische
übersetzen, Folgendes: Die Rechtsgültigkeit der in Folge der Märzrevolution gegründeten
neuen Staatsform ist von keiner Seite in Frage zu stellen. Der König hat, ohne äußerliche
Nöthigung, ein verantwortliches Ministerium ernannt; er hat in Uebereinstimmung mit
demselben und dem verfassungsmäßig zu befragenden Ccntrallaudtag die UrVersammlungen
des preußischen Volks berufen, und aus denselben den constituirenden Reichstag hervor¬
gehen lassen. Die Verfassung, über welche sich derselbe vereinbaren wird, kann von keiner
Seite angefochten werden, weder von der Krone, noch von den alten Ständen; denn die
constitnirende Versammlung hat von vorn herein die freiwillige Zustimmung beider Ge-


Smizbi-Jm. IN. u
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i.
Der Aechtsbode» und die Revolution.
Politische» ProjMMi».

„ An dem Felsen des Rechts wird das Schiff der Revolution zerschellen!" sagte
Herr v. Vincke in der Nationalversammlung zu Frankfurt, im vorigen Jahre der Anwalt
der ständischen Rechte gegen die Willkür der Krone, heute der Vertreter der Fürstenrechte
gegen den Andrang des Volks. Dieser Standpunkt scheint in Frankfurt wenig Beifall
zu finden. Der gefeierte Redner hat in der großen, aus den angesehensten Männern
der Nation auserlesenen Versammlung nur einige !!l> Stimmen gewonnen. In Berlin ist
das Ministerium Camphausen, das mit ungleich größerer Bescheidenheit eine ähnliche Ansicht
vertrat, an seinem Rechtsprincip wenigstens formell zu Grunde gegangen, mögen die
eigentlichen Ursachen auch anderwärts zu suchen sein. Es ist der Mühe werth, die Be^
rechtigung dieses Standpunkts zu untersuchen.

Der Antrag, den man in Berlin auf Anerkennung der Märzrevolution stellte, war
eigentlich sonderbar gesaßt. Daß eine Revolution geschehen war, durfte man nicht erst
anerkennen. Man konnte Herrn Behrends sagen: „Ersparen Sie uns, aus Zeitungs'
Nachrichten zu hören, was wir schaudernd selbst erlebt!" Daß durch diese Revolution
die bisherige Staatsform vollkommen geändert war, lag ebenso Allen vor Augen, die
Existenz der Versammlung selbst, in der solche Debatte geführt werden konnte, legte ein
Zeugniß dafür ab. Was sollte also eigentlich anerkannt werden?j

Entweder die Rechtsgültigkeit der in Folge jener Revolution gegründeten Staatsform.
Oder die Rechtsgültigkeit des angewendeten Mittels — der Barrikaden.

Auf die erste Frage erwiederte Herr Camphausen, wenn wir seine Rede in's Logische
übersetzen, Folgendes: Die Rechtsgültigkeit der in Folge der Märzrevolution gegründeten
neuen Staatsform ist von keiner Seite in Frage zu stellen. Der König hat, ohne äußerliche
Nöthigung, ein verantwortliches Ministerium ernannt; er hat in Uebereinstimmung mit
demselben und dem verfassungsmäßig zu befragenden Ccntrallaudtag die UrVersammlungen
des preußischen Volks berufen, und aus denselben den constituirenden Reichstag hervor¬
gehen lassen. Die Verfassung, über welche sich derselbe vereinbaren wird, kann von keiner
Seite angefochten werden, weder von der Krone, noch von den alten Ständen; denn die
constitnirende Versammlung hat von vorn herein die freiwillige Zustimmung beider Ge-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_277429/61>, abgerufen am 29.06.2024.