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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band.

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und Gartenkunst wurden aus allen europäischen Sprachen übersetzt. Die Namen
einiger Originaldichter, wie Tyl und Czelakowsky, hatten schon guten Klang im
Lande und mit Andacht sprach man von den frühern Sprachpatrioten, wie vom
verstorbenen Macha, die, ohne Aussicht auf Ehrensold und Lorbeer, ja ohne nnr
Gehör zu finden, ihre schönsten Jahre opferten, um in der ärmlichen Aschen¬
brödelsprache zu dichten. Auf Amts - und Spinnstuben fanden sich schon häusig
czechische Dorf- und Stadtzeitungen ein und in den deutschen Blättern Böhmens
(wie in "Ost und West") wurde um die Theilnahme der Freisinnigen und der
Menschenfreunde für die Sache der Volksbildung geworben; da wurde viel erzählt
von der Naturpoesie der Serben, Jllyrier und Slowaken, und wie die Sprache
des Huß vom Todesschlaf erstanden sei und die Ideen des 19. Jahrhunderts schon
mit begeisterten Lippen nachsinge. Sie sollte das Licht des Abendlandes durch die
slavische Waldnacht verbreiten helfen, sie wollte die friedliche Dolmetscherin sein
zwischen dem deutschen Geist und der östlichen Naturwüchsigst... Wenn der Er¬
folg dieser Culturbewegung auch nicht Jedem verbürgt schien, der Wille war gut
und das Schauspiel eines Volkes, welches, nach so langer, fast möchte ich sagen,
Verachtung der eigenen Nationalität, sein Selbstgefühl wiedergewann, war ein zu
schlagendes Zeugniß für die Allmacht des Zeitgeistes, um nicht einige Lächerlich¬
keiten, die mitunterliefen, übersehen zu lassen.

Auf meiner böhmischen Wanderung kam ich anch nach dem alten Pvdjebrad.
Nicht weit vom Schlosse liegt ein geräumiger Gasthof. Um einen langen Eichen¬
tisch saßen, als ich dort einkehrte, jeder den kühlen Stcinkrug mit Bier vor
sich, einige Kürassierwachtmeister und ein dutzend ehrsame, ihrem Aeußern nach
wohlhabende Bürger. Sie hatten sich das Wort gegeben, bei ihren abendlichen
Zusammenkünften nur czechisch mit einander zu verkehren und überwachten mit
strengster Eifersucht jedes fremde Wort, das in die Rede sich einschmuggelte. Es
war eine Art Gesellschaftsspiel, das jeden Augenblick ein donnerndes Gelächter
hervorrief, denn wer über einer Sünde gegen den Purismus ertappt ward, mußte
einen frischen Krug zum Besten geben. Der Wirth schien nicht mitzuspielen,
obwohl kein Meister in der Sprache des Teut; er wollte die Bildung seiner
Familie zeigen, und trotzdem ich mich auf Czechisch leidlich verständlich machte,
schickte er eine Gesandtschaft von drei Töchtern ab, um wegen des Nachtessens
mit mir auf deutsch zu unterhandeln. Sie konnten nicht als Grazienmodelle
dienen, waren aber niedlich genug; die jüngste und kleinste wagte sich vor¬
aus und fing in gebrochenem Deutsch zu parlamentiren an; so oft sie stecken
blieb, guckte sie erröthend nach den Schwestern um, die dicht hinter ihr stan¬
den und laut soufflirten. Ich geriet!) in die peinlichste Verlegenheit, -- die Ge¬
sellschaft war still geworden und alle Blicke hefteten sich auf uns, -- raffte mich
also zusammen und brachte einige böhmische Phrasen so glücklich heraus, daß


und Gartenkunst wurden aus allen europäischen Sprachen übersetzt. Die Namen
einiger Originaldichter, wie Tyl und Czelakowsky, hatten schon guten Klang im
Lande und mit Andacht sprach man von den frühern Sprachpatrioten, wie vom
verstorbenen Macha, die, ohne Aussicht auf Ehrensold und Lorbeer, ja ohne nnr
Gehör zu finden, ihre schönsten Jahre opferten, um in der ärmlichen Aschen¬
brödelsprache zu dichten. Auf Amts - und Spinnstuben fanden sich schon häusig
czechische Dorf- und Stadtzeitungen ein und in den deutschen Blättern Böhmens
(wie in „Ost und West") wurde um die Theilnahme der Freisinnigen und der
Menschenfreunde für die Sache der Volksbildung geworben; da wurde viel erzählt
von der Naturpoesie der Serben, Jllyrier und Slowaken, und wie die Sprache
des Huß vom Todesschlaf erstanden sei und die Ideen des 19. Jahrhunderts schon
mit begeisterten Lippen nachsinge. Sie sollte das Licht des Abendlandes durch die
slavische Waldnacht verbreiten helfen, sie wollte die friedliche Dolmetscherin sein
zwischen dem deutschen Geist und der östlichen Naturwüchsigst... Wenn der Er¬
folg dieser Culturbewegung auch nicht Jedem verbürgt schien, der Wille war gut
und das Schauspiel eines Volkes, welches, nach so langer, fast möchte ich sagen,
Verachtung der eigenen Nationalität, sein Selbstgefühl wiedergewann, war ein zu
schlagendes Zeugniß für die Allmacht des Zeitgeistes, um nicht einige Lächerlich¬
keiten, die mitunterliefen, übersehen zu lassen.

Auf meiner böhmischen Wanderung kam ich anch nach dem alten Pvdjebrad.
Nicht weit vom Schlosse liegt ein geräumiger Gasthof. Um einen langen Eichen¬
tisch saßen, als ich dort einkehrte, jeder den kühlen Stcinkrug mit Bier vor
sich, einige Kürassierwachtmeister und ein dutzend ehrsame, ihrem Aeußern nach
wohlhabende Bürger. Sie hatten sich das Wort gegeben, bei ihren abendlichen
Zusammenkünften nur czechisch mit einander zu verkehren und überwachten mit
strengster Eifersucht jedes fremde Wort, das in die Rede sich einschmuggelte. Es
war eine Art Gesellschaftsspiel, das jeden Augenblick ein donnerndes Gelächter
hervorrief, denn wer über einer Sünde gegen den Purismus ertappt ward, mußte
einen frischen Krug zum Besten geben. Der Wirth schien nicht mitzuspielen,
obwohl kein Meister in der Sprache des Teut; er wollte die Bildung seiner
Familie zeigen, und trotzdem ich mich auf Czechisch leidlich verständlich machte,
schickte er eine Gesandtschaft von drei Töchtern ab, um wegen des Nachtessens
mit mir auf deutsch zu unterhandeln. Sie konnten nicht als Grazienmodelle
dienen, waren aber niedlich genug; die jüngste und kleinste wagte sich vor¬
aus und fing in gebrochenem Deutsch zu parlamentiren an; so oft sie stecken
blieb, guckte sie erröthend nach den Schwestern um, die dicht hinter ihr stan¬
den und laut soufflirten. Ich geriet!) in die peinlichste Verlegenheit, — die Ge¬
sellschaft war still geworden und alle Blicke hefteten sich auf uns, — raffte mich
also zusammen und brachte einige böhmische Phrasen so glücklich heraus, daß


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_277429/56>, abgerufen am 29.06.2024.