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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band.

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eine gerüstete Freischaar für die, croatische Sache dasteht. Sie hat auch eine große
parlamentarische Schlacht am 1". September gewonnen; sie hat es durchgesetzt,
daß die magyarische Deputation nicht vor das Haus vorgelassen wurde.

Nun lassen Sie uns noch einen Blick auf die wechselseitige Stellung der Glie¬
der unseres regierenden Hauses werfen, die mit jedem Tage widerspruchsvoller wird.
Die drei Elemente des Deutschthums, des Magyarismus und Slaventhums, die
wild und chaotisch durcheinaudergährcn und sich so schwer zu einem einigen Oestreich
verbinden lassen, haben ihre eigenen Vertreter in der herrschenden Familie. Erz¬
herzog Johann vertritt nämlich das deutsche, Erzherzog Stephan das magyarische
Prinzip und der Monarch selbst erklärt sich gegenwärtig nach dem Schönbrunner
Manifest vom 4. Sept. für das Slaventhum, oder für seinen vorzüglichsten Re¬
präsentanten, den "lieben" Baron Jellaczicz. Nun übernimmt sein Vetter, der
Erzherzog Palatin, da Graf Tclecki mit seinem ganzen Offiziercorps sich weigert,
gegen Jellaczicz zu kämpfen, auf die dringende Aufforderung des ungarischen Par¬
laments das Kommando des ungarischen Heeres. Während also der Kaiser (nach
des Deputirten Violand Worten) "als absoluter König von Kroatien, dem con-
stitutionellen König von Ungarn den Krieg erklärt," soll Stephan, als Glied
der Dynastie, gegen Jellaczicz kämpfen, der nach dem Schönbrunner Manifest als
Stütze der Dynastie erscheint. So geräth in Stephan's Person der östreichische
Erzherzog in Kollision mit dem ungarischen Palatin -- und ich fürchte sehr, daß
eine ähnliche Kollision bei dem Erzherzog Reichsverweser in kurzer Zeit sich ein-
^- finden dürste.




Für italienischen Frage.

Herr Moritz Ritter v. Orstow in Lemberg hat, namentlich in Beziehung
auf einige Aufsätze in den Grenzboten, seine Ansichten über die italienische Frage ver¬
öffentlicht, die beachtenswert!) genug sind, hier auszugsweise mitgetheilt zu werden.'

"Wenn der Ultramagyare und der Slavomane die glänzenden Siege Ncidetzkvs
vom 23. bis 25. Juli ungerne sahen, so erklärt sich dies aus ihrer eigenen -- wie
sie meinen, wohlverstandenen Politik, welche aus die möglichste Schwächung und Zer¬
splitterung der östreichischen Monarchie lossteuert. Mit ihnen ist allerdings nicht zu
rechten. -- Auch die Herausgeber jener Wiener Schandblätter, die in ihrer schmutzigen
Industrie auf Abnehmer in den Reihen der Lostrennungspartei speculiren und von einer
cisalpinischen Republik faseln, verdienen nur eine kurze Abfertigung, nämlich: unum¬
wundene Verachtung. Unbegreiflich aber ist jedem östreichischen Patrioten jene Apathie
deutscher Wortführer, welche sich leider auch anderwärts kund gab. Oestreich ist in
seinem, durch wiederholte Staatsverträge verbrieften, guten Rechte, -- Oestreich be¬
findet sich in dem durch die preiswürdigsten Heldenmühcn wiedcrerrungcnen Besitze: --
und deöungeachtet wird ihm von deutschen Brüdern allen Ernstes angerathen, die jüngste
Frucht glorreicher Siege, die Lombardei aufzugeben! Mußte es gerade ein Preuße,
Herr v. Radowitz sein, welcher sich in der deutschen Nationalversammlung erhob, um


eine gerüstete Freischaar für die, croatische Sache dasteht. Sie hat auch eine große
parlamentarische Schlacht am 1». September gewonnen; sie hat es durchgesetzt,
daß die magyarische Deputation nicht vor das Haus vorgelassen wurde.

Nun lassen Sie uns noch einen Blick auf die wechselseitige Stellung der Glie¬
der unseres regierenden Hauses werfen, die mit jedem Tage widerspruchsvoller wird.
Die drei Elemente des Deutschthums, des Magyarismus und Slaventhums, die
wild und chaotisch durcheinaudergährcn und sich so schwer zu einem einigen Oestreich
verbinden lassen, haben ihre eigenen Vertreter in der herrschenden Familie. Erz¬
herzog Johann vertritt nämlich das deutsche, Erzherzog Stephan das magyarische
Prinzip und der Monarch selbst erklärt sich gegenwärtig nach dem Schönbrunner
Manifest vom 4. Sept. für das Slaventhum, oder für seinen vorzüglichsten Re¬
präsentanten, den „lieben" Baron Jellaczicz. Nun übernimmt sein Vetter, der
Erzherzog Palatin, da Graf Tclecki mit seinem ganzen Offiziercorps sich weigert,
gegen Jellaczicz zu kämpfen, auf die dringende Aufforderung des ungarischen Par¬
laments das Kommando des ungarischen Heeres. Während also der Kaiser (nach
des Deputirten Violand Worten) „als absoluter König von Kroatien, dem con-
stitutionellen König von Ungarn den Krieg erklärt," soll Stephan, als Glied
der Dynastie, gegen Jellaczicz kämpfen, der nach dem Schönbrunner Manifest als
Stütze der Dynastie erscheint. So geräth in Stephan's Person der östreichische
Erzherzog in Kollision mit dem ungarischen Palatin — und ich fürchte sehr, daß
eine ähnliche Kollision bei dem Erzherzog Reichsverweser in kurzer Zeit sich ein-
^- finden dürste.




Für italienischen Frage.

Herr Moritz Ritter v. Orstow in Lemberg hat, namentlich in Beziehung
auf einige Aufsätze in den Grenzboten, seine Ansichten über die italienische Frage ver¬
öffentlicht, die beachtenswert!) genug sind, hier auszugsweise mitgetheilt zu werden.'

„Wenn der Ultramagyare und der Slavomane die glänzenden Siege Ncidetzkvs
vom 23. bis 25. Juli ungerne sahen, so erklärt sich dies aus ihrer eigenen — wie
sie meinen, wohlverstandenen Politik, welche aus die möglichste Schwächung und Zer¬
splitterung der östreichischen Monarchie lossteuert. Mit ihnen ist allerdings nicht zu
rechten. — Auch die Herausgeber jener Wiener Schandblätter, die in ihrer schmutzigen
Industrie auf Abnehmer in den Reihen der Lostrennungspartei speculiren und von einer
cisalpinischen Republik faseln, verdienen nur eine kurze Abfertigung, nämlich: unum¬
wundene Verachtung. Unbegreiflich aber ist jedem östreichischen Patrioten jene Apathie
deutscher Wortführer, welche sich leider auch anderwärts kund gab. Oestreich ist in
seinem, durch wiederholte Staatsverträge verbrieften, guten Rechte, — Oestreich be¬
findet sich in dem durch die preiswürdigsten Heldenmühcn wiedcrerrungcnen Besitze: —
und deöungeachtet wird ihm von deutschen Brüdern allen Ernstes angerathen, die jüngste
Frucht glorreicher Siege, die Lombardei aufzugeben! Mußte es gerade ein Preuße,
Herr v. Radowitz sein, welcher sich in der deutschen Nationalversammlung erhob, um


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_277429/539>, abgerufen am 29.06.2024.