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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band.

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beweist. Diesem nach steht Jellaczicz gereinigt da von aller Schuld und Straf¬
barkeit, obgleich er seine frühere Handlungsweise, die der Bannstrahl deö frühern
Manifestes traf, keineswegs geändert, sondern vielmehr bis in die äußersten Kon¬
sequenzen eingehalten hatte. Auch das Ministerium hat diese Politik begriffen:
der Beleg dafür ist die in der Reichstagssitzung vom 19. September verlesene
ministerielle Staatsschrift, in der die pragmatische Sanktion als Rechtsbasis, und
das imperium iuiiivisilnlu und ins^mi-lebn"; als oberster Grundsatz der östreichischen
Politik in der arvalischen Frage angenommen wird.

Jetzt aber werden jene Worte, die in den königlichen Gemächern von Ins-
bruck verhallten, zur offenen That. Jellaczicz wird, wenn er seine bisherige Marsch¬
richtung verfolgt, sehr bald in Preßburg erscheinen; dann ist die Donau unten
und oben gesperrt; und die Verbindung mit Oberungarn hergestellt. Pastor Hur¬
ban, dieser kühne Missionär des Slavismus, der die brennende Lunte seiner lei¬
denschaftlichen Rhetorik schon früher an die vollen Pulverminen von Agram und
Prag anzulegen suchte -- steht nnn an der Spitze der slowakischen Insurgenten
in Nordungarn; ein willkommener Bundesgenosse des Baus. Jetzt sind die Wür^-
fel gefallen! Nicht mehr darum handelt es sich, die geschmälerten Volksrechte der
Ungarslaven zu vindiciren, dem politischen Zelotismns einer ganzen Nation ein Ende
zu machen: Ungarns Eroberung für Oestreich ist jetzt die Losung des
Krieges'. Der "Bundesgenossenkrieg", den jetzt die vereinigten Croaten
und Slowaken mit dem magyarischen Buda-Pesth, wie einst die Lateiner mit Rom,
um das gleiche Bürgerrecht führen, hat mit einem Male den Charakter eines Er¬
oberungskrieges bekommen. Und siehe, die Fraction rüstet sich wieder und schließt
einen Bund mit dein Slavismus, um ihre oft bestrittene und geleugnete Existenz
darzuthun. Kriegsvorräthe wären in bedeutender Menge nach Ungarn geschafft --
östreichische Truppen sind beordert, im Sturmschritt dahin zu marschiren -- und
Windischgrätz soll, wie uus aus Wien geschrieben wird, das Kommando dieses
Corps erhalten, das nun als Feind den ungarische" Boden betritt. Was sagen
Sie zu dieser Allianz? Die Reaction hofft den croatisch-magyarischen Völkerkampf
für sich auszubeuten -- aber ich glaube, sie wird das Loos habe", von dem
Slavismus ausgebeutet zu werden. Hat Jellaczicz die Magyaren mit der Schärfe
des Schwertes genöthigt, in Oestreich aufzugehen, dann wird zwar der Unter¬
schied zwischen ungarischen und nicht ungarischen Kronländer, aber auch der zwi¬
schen ungarischen und nicht ungarischen Slaven wegfallen, und sie werden dastehen
als eine imposante, drohende Phalanx, an der sich die deutsche und magyarische
Majorität erfolglos brechen wird Dies ist der Grund, weßhalb die Slaven
die Integrität der Monarchie verfechten und weshalb auch die slavische Rechte als



*) Keineswegs, wenn der neue Staat Oestreich ein vernünftiges Föderativsystem einführt.
Die gebildetere Nation behält durch ihre eigene Schwerkraft die Oberhand ohne künstliche
,Die Red. Mittel, die doch auf die Länge nicht ausreichen.

beweist. Diesem nach steht Jellaczicz gereinigt da von aller Schuld und Straf¬
barkeit, obgleich er seine frühere Handlungsweise, die der Bannstrahl deö frühern
Manifestes traf, keineswegs geändert, sondern vielmehr bis in die äußersten Kon¬
sequenzen eingehalten hatte. Auch das Ministerium hat diese Politik begriffen:
der Beleg dafür ist die in der Reichstagssitzung vom 19. September verlesene
ministerielle Staatsschrift, in der die pragmatische Sanktion als Rechtsbasis, und
das imperium iuiiivisilnlu und ins^mi-lebn«; als oberster Grundsatz der östreichischen
Politik in der arvalischen Frage angenommen wird.

Jetzt aber werden jene Worte, die in den königlichen Gemächern von Ins-
bruck verhallten, zur offenen That. Jellaczicz wird, wenn er seine bisherige Marsch¬
richtung verfolgt, sehr bald in Preßburg erscheinen; dann ist die Donau unten
und oben gesperrt; und die Verbindung mit Oberungarn hergestellt. Pastor Hur¬
ban, dieser kühne Missionär des Slavismus, der die brennende Lunte seiner lei¬
denschaftlichen Rhetorik schon früher an die vollen Pulverminen von Agram und
Prag anzulegen suchte — steht nnn an der Spitze der slowakischen Insurgenten
in Nordungarn; ein willkommener Bundesgenosse des Baus. Jetzt sind die Wür^-
fel gefallen! Nicht mehr darum handelt es sich, die geschmälerten Volksrechte der
Ungarslaven zu vindiciren, dem politischen Zelotismns einer ganzen Nation ein Ende
zu machen: Ungarns Eroberung für Oestreich ist jetzt die Losung des
Krieges'. Der „Bundesgenossenkrieg", den jetzt die vereinigten Croaten
und Slowaken mit dem magyarischen Buda-Pesth, wie einst die Lateiner mit Rom,
um das gleiche Bürgerrecht führen, hat mit einem Male den Charakter eines Er¬
oberungskrieges bekommen. Und siehe, die Fraction rüstet sich wieder und schließt
einen Bund mit dein Slavismus, um ihre oft bestrittene und geleugnete Existenz
darzuthun. Kriegsvorräthe wären in bedeutender Menge nach Ungarn geschafft —
östreichische Truppen sind beordert, im Sturmschritt dahin zu marschiren — und
Windischgrätz soll, wie uus aus Wien geschrieben wird, das Kommando dieses
Corps erhalten, das nun als Feind den ungarische» Boden betritt. Was sagen
Sie zu dieser Allianz? Die Reaction hofft den croatisch-magyarischen Völkerkampf
für sich auszubeuten — aber ich glaube, sie wird das Loos habe», von dem
Slavismus ausgebeutet zu werden. Hat Jellaczicz die Magyaren mit der Schärfe
des Schwertes genöthigt, in Oestreich aufzugehen, dann wird zwar der Unter¬
schied zwischen ungarischen und nicht ungarischen Kronländer, aber auch der zwi¬
schen ungarischen und nicht ungarischen Slaven wegfallen, und sie werden dastehen
als eine imposante, drohende Phalanx, an der sich die deutsche und magyarische
Majorität erfolglos brechen wird Dies ist der Grund, weßhalb die Slaven
die Integrität der Monarchie verfechten und weshalb auch die slavische Rechte als



*) Keineswegs, wenn der neue Staat Oestreich ein vernünftiges Föderativsystem einführt.
Die gebildetere Nation behält durch ihre eigene Schwerkraft die Oberhand ohne künstliche
,Die Red. Mittel, die doch auf die Länge nicht ausreichen.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_277429/538>, abgerufen am 29.06.2024.