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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band.

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sein Wappen gleichsam durch Henkershand zerschlagen werden sollte. Darum ist
es sehr zu bedauern, daß die Kroaten und Serben den aristokratischen Magyaren
mit dem Schwerte in der Faust die Lehre der Demokratie predigen, daß ein Volk,
welches selbst nicht auf der Höhe der Zeit steht, ihnen das Verständniß derselben
mit der Waffe beibringen soll. Bleiben die Kroaten Sieger -- was der bei wei¬
tem wahrscheinlichere Fall ist -- so werden sie kaum ihre That mit edler Mäßigung
ausbeuten; sie, die uicht viel mehr Geschichte haben, als sie sich jetzt in aller Eile
machen, werden kaum nach diesem welthistorischen Debüt sich in den Grenzen der
rationellen Gleichberechtigung halten. Aber noch ganz andere Befürchtungen sind
es, die man jetzt von vielen Seiten hegt. Man sagt nämlich: Jellaczicz, dieser
unglaublich kühne, kraftvoll unternehmende Held, dieser praktische Widerpart des
politischen Schwärmers Kossuth, dieser Manu seines Volkes, das mit dem ganzen
unbedingten Vertrauen einer primitiven Nation an ihm hängt, wolle eben dieses
Vertrauen, worauf er die unbeschränkte Macht eines Dictators basirt habe, dazu
benutzen, um jenes der Hofpartei, mit der er in einer sehr zweideutigen solidarischen
Verbindung stehe, glänzend zu rechtfertigen. Die Gründe dieser Befürchtungen
sind sehr naheliegend ; ob sie aber stichhaltig sind, ist eine andere Frage.

Anfangs konnte man das räthselhaste Beginnen des Baus, den pragmatischen
Zusammenhang seiner Eigenmächtigkeiten, das Einberufen des illegaler croatisch-
dalmatisch-slavonischen Landtags u. f. w. bei Hose nicht begreifen, weil man die
ganz eigenthümlichen Auslegungsregeln für die slavisch-nationale Politik noch nicht
geläufig inne hatte. Darum erschien auch damals jenes kaiserliche Manifest vom
it>. Juli, in welchem der Monarch das bisherige Verhalten des Baus geradezu
als Hochverrath, als ein Attentat auf die Integrität der ungarischen Krone be¬
zeichnete. Er selbst, der Ban, sollte uach Insbruck kommen, um seine eigenmäch¬
tige, die Rechte der Krone frevelnd antastende Handlungsweise zu rechtfertigen.
Er kam in die Tyrolerstadt, wo zwischen den Alpen die Lämmergeier der Kama¬
rilla horsteten, und brachte dort dem Hofe in wenig Lehrstunden eine neue Politik,
eine wahre Lehre des Heils für die Dynastie bei. Die Fundamentalsätze derselben
mochten beiläufig diese sein: daß die dynastischen Interessen mit den slavisch¬
nationalen so gut als identisch seien -- daß er nur deshalb drei Edelsteine aus
der ungarischen Königskrone auszubrechen gedenke, um sie in die östreichische Kai¬
serkrone einzusetzen -- daß er nur aus dem Grunde an der Integrität des Ungar-
reiches gesündigt habe, um die Integrität des östreichischen Gesammtreiches an ihre
Stelle zu setzen daß er den Fehler, den die Dynastie begangen, wieder gut
machen, und den Magyaren die voreilig verliehenen Geschenke des Monarchen mit
der Waffe in der Hand entreißen wolle, was freilich der Monarch selbst ohne
Wortbruch nicht thun könne. Und siehe! die Bemühungen des Baus in Insbruck
waren nicht fruchtlos: er wurde verstanden, wie dies der in Schönbrunn am
4. September erlassene, nicht contrasignirte Widerruf des Manifestes vom 10. Juli,


sein Wappen gleichsam durch Henkershand zerschlagen werden sollte. Darum ist
es sehr zu bedauern, daß die Kroaten und Serben den aristokratischen Magyaren
mit dem Schwerte in der Faust die Lehre der Demokratie predigen, daß ein Volk,
welches selbst nicht auf der Höhe der Zeit steht, ihnen das Verständniß derselben
mit der Waffe beibringen soll. Bleiben die Kroaten Sieger — was der bei wei¬
tem wahrscheinlichere Fall ist — so werden sie kaum ihre That mit edler Mäßigung
ausbeuten; sie, die uicht viel mehr Geschichte haben, als sie sich jetzt in aller Eile
machen, werden kaum nach diesem welthistorischen Debüt sich in den Grenzen der
rationellen Gleichberechtigung halten. Aber noch ganz andere Befürchtungen sind
es, die man jetzt von vielen Seiten hegt. Man sagt nämlich: Jellaczicz, dieser
unglaublich kühne, kraftvoll unternehmende Held, dieser praktische Widerpart des
politischen Schwärmers Kossuth, dieser Manu seines Volkes, das mit dem ganzen
unbedingten Vertrauen einer primitiven Nation an ihm hängt, wolle eben dieses
Vertrauen, worauf er die unbeschränkte Macht eines Dictators basirt habe, dazu
benutzen, um jenes der Hofpartei, mit der er in einer sehr zweideutigen solidarischen
Verbindung stehe, glänzend zu rechtfertigen. Die Gründe dieser Befürchtungen
sind sehr naheliegend ; ob sie aber stichhaltig sind, ist eine andere Frage.

Anfangs konnte man das räthselhaste Beginnen des Baus, den pragmatischen
Zusammenhang seiner Eigenmächtigkeiten, das Einberufen des illegaler croatisch-
dalmatisch-slavonischen Landtags u. f. w. bei Hose nicht begreifen, weil man die
ganz eigenthümlichen Auslegungsregeln für die slavisch-nationale Politik noch nicht
geläufig inne hatte. Darum erschien auch damals jenes kaiserliche Manifest vom
it>. Juli, in welchem der Monarch das bisherige Verhalten des Baus geradezu
als Hochverrath, als ein Attentat auf die Integrität der ungarischen Krone be¬
zeichnete. Er selbst, der Ban, sollte uach Insbruck kommen, um seine eigenmäch¬
tige, die Rechte der Krone frevelnd antastende Handlungsweise zu rechtfertigen.
Er kam in die Tyrolerstadt, wo zwischen den Alpen die Lämmergeier der Kama¬
rilla horsteten, und brachte dort dem Hofe in wenig Lehrstunden eine neue Politik,
eine wahre Lehre des Heils für die Dynastie bei. Die Fundamentalsätze derselben
mochten beiläufig diese sein: daß die dynastischen Interessen mit den slavisch¬
nationalen so gut als identisch seien — daß er nur deshalb drei Edelsteine aus
der ungarischen Königskrone auszubrechen gedenke, um sie in die östreichische Kai¬
serkrone einzusetzen — daß er nur aus dem Grunde an der Integrität des Ungar-
reiches gesündigt habe, um die Integrität des östreichischen Gesammtreiches an ihre
Stelle zu setzen daß er den Fehler, den die Dynastie begangen, wieder gut
machen, und den Magyaren die voreilig verliehenen Geschenke des Monarchen mit
der Waffe in der Hand entreißen wolle, was freilich der Monarch selbst ohne
Wortbruch nicht thun könne. Und siehe! die Bemühungen des Baus in Insbruck
waren nicht fruchtlos: er wurde verstanden, wie dies der in Schönbrunn am
4. September erlassene, nicht contrasignirte Widerruf des Manifestes vom 10. Juli,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_277429/537>, abgerufen am 29.06.2024.