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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band.

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les, der doch auch in den Volksversammlungen dominirt, diese
Rechte haben wir bisher noch nicht gehabt, weil wir keine consti-
tutionelle Monarchie hatten; aber die Rechte für den ärmeren,
für den leidenden Theil des Volkes, die haben wir im ausgedehn¬
testen Maaße, nicht blos seit 30 Jahren, sondern seit 1808, in
Folge der Stein'schen Gesetzgebung besessen: die Entfesselung
des Bodens, die Niederlassungs-, die Gewerbefreiheit, die freie
Gemeindeverfassung der Städte. So haben wir längstens mehr besessen,
als Sie uns durch Ihre Grundrechte geben wollen. -- Es ist mit Recht gesagt
worden, daß die Ehre Preußens verpfändet ist bei der Ratification des Vertrages.
Daß wir den Dänen gegenüber Wort halten werden, darauf können Sie sich ver¬
lassen. Nicht 10 Millionen, ich werde nur einen kleinen Theil im Süden auf-
nehmen, mindestens 14 Millionen Preußen werden sich dafür erheben. Wollen
Sie uns die rothe Republik bringen, so kommet Sie, Herr Schober, an der
Spitze Ihrer Freischaaren, ich glaube, wir werden es mit Ihnen aufnehmen. Ich
hätte geglaubt, daß es einer Versammlung, die aus besonnenen Männern besteht
und über Begründung eines rechtlichen Zustandes beräth, uicht würdig wäre, wenn
uns von einer Seite gesagt wird: wenn ihr nicht thut, was wir wollen, so bringen
wir euch die Revolution. Wenn Sie die Gewalt an die Stelle unserer Berathung
setzen, so glaube ich, wird Niemand bei uns ein Bedenken tragen -- wir werden
Ihnen den Krieg uicht bringen, wenn Sie ihn uns aber bringen, dann werden
sich noch Männer finden, die Haus und Herd vertheidigen."

Man trägt lange eine Idee im Herzen, ohne sich ihrer bewußt zu werden;
man denkt erst daran, wenn sie angefochten wird. Noch vor ein Paar Jahren
wäre es Niemand eingefallen -- ich spreche von den Liberalen -- sich eine preu¬
ßische Gesinnung zuzutrauen. Heute wird Preußen von allen Seiten aus das
schmählichste angegriffen, und sogleich treten von allen Seiten ehrenwerthe Män¬
ner für den alten Staat in die Schranken. Was hätte Wilhelm Jordan dazu
gesagt, wenn man ihm vor einiger Zeit prophezeit hätte, er werde einst auf einem
deutschen Reichstag für Preußens Ehre einstehen. Und doch ist es natürlich; der
Patriotismus kommt erst zur Erscheinung, wenn das Vaterland in Noth ist; wir
waren preußisch gesinnt, ohne es zu wissen.

Es ist eine abgeschmackte Verleumdung, wenn man dem Preußen die deutsche
Gesinnung abspricht. Es weiß bei uns jeder Schulknabe, daß Preußen Nichts
ist ohne Deutschland. Nirgend -- einige Hof- und Soldateukreise vielleicht aus¬
genommen -- fühlt man das Preußenthum als einen Gegensatz gegen den deutschen
Patriotismus. Daß es in der letzten Zeit dennoch, nud zum Theil verletzend für
die Sondergelüste einiger andern Staaten, hervortrat, hat einen doppelten Grund.
Einmal wollte die radikale Partei, ehe sie ans Werk ging, den deutschen Staat
zu constituiren, deu preußischen auslösen; das ist aber eine schiefe Methode, und


les, der doch auch in den Volksversammlungen dominirt, diese
Rechte haben wir bisher noch nicht gehabt, weil wir keine consti-
tutionelle Monarchie hatten; aber die Rechte für den ärmeren,
für den leidenden Theil des Volkes, die haben wir im ausgedehn¬
testen Maaße, nicht blos seit 30 Jahren, sondern seit 1808, in
Folge der Stein'schen Gesetzgebung besessen: die Entfesselung
des Bodens, die Niederlassungs-, die Gewerbefreiheit, die freie
Gemeindeverfassung der Städte. So haben wir längstens mehr besessen,
als Sie uns durch Ihre Grundrechte geben wollen. — Es ist mit Recht gesagt
worden, daß die Ehre Preußens verpfändet ist bei der Ratification des Vertrages.
Daß wir den Dänen gegenüber Wort halten werden, darauf können Sie sich ver¬
lassen. Nicht 10 Millionen, ich werde nur einen kleinen Theil im Süden auf-
nehmen, mindestens 14 Millionen Preußen werden sich dafür erheben. Wollen
Sie uns die rothe Republik bringen, so kommet Sie, Herr Schober, an der
Spitze Ihrer Freischaaren, ich glaube, wir werden es mit Ihnen aufnehmen. Ich
hätte geglaubt, daß es einer Versammlung, die aus besonnenen Männern besteht
und über Begründung eines rechtlichen Zustandes beräth, uicht würdig wäre, wenn
uns von einer Seite gesagt wird: wenn ihr nicht thut, was wir wollen, so bringen
wir euch die Revolution. Wenn Sie die Gewalt an die Stelle unserer Berathung
setzen, so glaube ich, wird Niemand bei uns ein Bedenken tragen — wir werden
Ihnen den Krieg uicht bringen, wenn Sie ihn uns aber bringen, dann werden
sich noch Männer finden, die Haus und Herd vertheidigen."

Man trägt lange eine Idee im Herzen, ohne sich ihrer bewußt zu werden;
man denkt erst daran, wenn sie angefochten wird. Noch vor ein Paar Jahren
wäre es Niemand eingefallen — ich spreche von den Liberalen — sich eine preu¬
ßische Gesinnung zuzutrauen. Heute wird Preußen von allen Seiten aus das
schmählichste angegriffen, und sogleich treten von allen Seiten ehrenwerthe Män¬
ner für den alten Staat in die Schranken. Was hätte Wilhelm Jordan dazu
gesagt, wenn man ihm vor einiger Zeit prophezeit hätte, er werde einst auf einem
deutschen Reichstag für Preußens Ehre einstehen. Und doch ist es natürlich; der
Patriotismus kommt erst zur Erscheinung, wenn das Vaterland in Noth ist; wir
waren preußisch gesinnt, ohne es zu wissen.

Es ist eine abgeschmackte Verleumdung, wenn man dem Preußen die deutsche
Gesinnung abspricht. Es weiß bei uns jeder Schulknabe, daß Preußen Nichts
ist ohne Deutschland. Nirgend — einige Hof- und Soldateukreise vielleicht aus¬
genommen — fühlt man das Preußenthum als einen Gegensatz gegen den deutschen
Patriotismus. Daß es in der letzten Zeit dennoch, nud zum Theil verletzend für
die Sondergelüste einiger andern Staaten, hervortrat, hat einen doppelten Grund.
Einmal wollte die radikale Partei, ehe sie ans Werk ging, den deutschen Staat
zu constituiren, deu preußischen auslösen; das ist aber eine schiefe Methode, und


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_277429/521>, abgerufen am 28.09.2024.