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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band.

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mark in Schutz nehmen, irrte sie nicht im mindesten, denn wenn sie irgend einem
deutschen Fürsten damit einen Verdruß machen kann, so schlägt sie sich allenfalls
auch mit den Franzosen, d. l). sie decretirt die Absenkung verthierter Söldlinge
gegen die freien Republikaner, die beiläufig gerade jetzt die republikanische Frei¬
heit im Uebermaß zu kosten Gelegenheit haben. Wenn würdige Männer, wie
Dahlmann, über einen allerdings beklagenswerthen Waffenstillstand*) ergrimmt
waren und darüber für den Augenblick ihre politische Stellung hintansetzten, so
hatten sie dazu Fug und Recht; sie übersahen nur eiues, daß der Adler nicht auf
Beute gehen darf, wenn der Marder um sein Nest schleicht, um ihm die Eier aus-
zusaugen. Ich sehe nicht ein, warum man aus diesem Grund so viel Hehl macht.
Die Radikalen wissen es recht wohl, warum sie die Truppen fortdauernd vor den
dänischen Kanonen beschäftigen möchten. Herr Vogt, der überhaupt das Ver¬
dienst hat, mit liebenswürdiger Naivität laut auszusprechen, was seine Partei
im Stillen denkt, erklärte, er würde für den Waffenstillstand stimmen, wenn ihn
die Centralgewalt geschlossen hätte, er stimme aber dagegen, weil er von Preußen
ausgehe.

Für die, radikale Partei war also, die Agitation gegen den Waffenstillstand
nur Mittel zum Zweck. Sie saßte nun, ganz gegen ihre Gewohnheit, Michel
bei der Ehre und erklärte ihre Gegner nicht nur für Verräther an der Sache der
Freiheit, sondern auch der Nationalität. Sie hatte jetzt einen Hebel, das lange
verhaßte reaktionäre Parlament zu sprengen. Vier Mitglieder der Nationalver¬
sammlung haben öffentlich vor dem Volk diejenigen als Aerräther bezeichnet, die
für den Waffenstillstand sprechen; in der Neichstagözeiluug, dem Organ der Par¬
tei, wurden die niederträchtigsten Verleumdungen aus die ehreuwerthesten Mitglieder
der rechten Seite gehaust.

Es ist uicht daran zu denken, daß diese Leute nun wirklich sich an die Spitze
einer Verschwörung gestellt haben, die die Pariser Junitage in Frankfurt erneuen
sollte; so sind sie nicht. "Sie säeten Blut und wunderten sich, als Blut auf¬
ging." Herr Zimmermann citirt -- ich weiß uicht, > war es freche Ironie oder
Ware Naivität -- die letzten Worte des schändlich ermordeten Fürsten, die zum
Frieden ernährten. Man antwortete ihm mit Recht, daß man sich für einen sol¬
chen Frieden bedanke, wie ihn Lichnowsky gefunden.

Mit diesen keinen Frieden! Noch immer predigen sie die rothe Republik,
sie haben die Frechheit, laut und an öffentlichen Orten die Unthat .gut zu heißen.
Wenn die liberale Partei noch Energie und Muth besitzt, so bedarf sie gegen diese
keine andere Waffe, als die einfache Darlegung der Wahrheit. So lange sie sich
nicht selbst verliert, ist an eine wirkliche Reaktion, d. h. an eine Schmälerung
der erworbenen Freiheit nicht zu denken.



*) Wir behalten uns vor, den eigentlichen Zusammenhang dieses Waffenstillstandes, der
nicht nebenbei behandelt werden kann, künftig näher zu erörtern.

mark in Schutz nehmen, irrte sie nicht im mindesten, denn wenn sie irgend einem
deutschen Fürsten damit einen Verdruß machen kann, so schlägt sie sich allenfalls
auch mit den Franzosen, d. l). sie decretirt die Absenkung verthierter Söldlinge
gegen die freien Republikaner, die beiläufig gerade jetzt die republikanische Frei¬
heit im Uebermaß zu kosten Gelegenheit haben. Wenn würdige Männer, wie
Dahlmann, über einen allerdings beklagenswerthen Waffenstillstand*) ergrimmt
waren und darüber für den Augenblick ihre politische Stellung hintansetzten, so
hatten sie dazu Fug und Recht; sie übersahen nur eiues, daß der Adler nicht auf
Beute gehen darf, wenn der Marder um sein Nest schleicht, um ihm die Eier aus-
zusaugen. Ich sehe nicht ein, warum man aus diesem Grund so viel Hehl macht.
Die Radikalen wissen es recht wohl, warum sie die Truppen fortdauernd vor den
dänischen Kanonen beschäftigen möchten. Herr Vogt, der überhaupt das Ver¬
dienst hat, mit liebenswürdiger Naivität laut auszusprechen, was seine Partei
im Stillen denkt, erklärte, er würde für den Waffenstillstand stimmen, wenn ihn
die Centralgewalt geschlossen hätte, er stimme aber dagegen, weil er von Preußen
ausgehe.

Für die, radikale Partei war also, die Agitation gegen den Waffenstillstand
nur Mittel zum Zweck. Sie saßte nun, ganz gegen ihre Gewohnheit, Michel
bei der Ehre und erklärte ihre Gegner nicht nur für Verräther an der Sache der
Freiheit, sondern auch der Nationalität. Sie hatte jetzt einen Hebel, das lange
verhaßte reaktionäre Parlament zu sprengen. Vier Mitglieder der Nationalver¬
sammlung haben öffentlich vor dem Volk diejenigen als Aerräther bezeichnet, die
für den Waffenstillstand sprechen; in der Neichstagözeiluug, dem Organ der Par¬
tei, wurden die niederträchtigsten Verleumdungen aus die ehreuwerthesten Mitglieder
der rechten Seite gehaust.

Es ist uicht daran zu denken, daß diese Leute nun wirklich sich an die Spitze
einer Verschwörung gestellt haben, die die Pariser Junitage in Frankfurt erneuen
sollte; so sind sie nicht. „Sie säeten Blut und wunderten sich, als Blut auf¬
ging." Herr Zimmermann citirt — ich weiß uicht, > war es freche Ironie oder
Ware Naivität — die letzten Worte des schändlich ermordeten Fürsten, die zum
Frieden ernährten. Man antwortete ihm mit Recht, daß man sich für einen sol¬
chen Frieden bedanke, wie ihn Lichnowsky gefunden.

Mit diesen keinen Frieden! Noch immer predigen sie die rothe Republik,
sie haben die Frechheit, laut und an öffentlichen Orten die Unthat .gut zu heißen.
Wenn die liberale Partei noch Energie und Muth besitzt, so bedarf sie gegen diese
keine andere Waffe, als die einfache Darlegung der Wahrheit. So lange sie sich
nicht selbst verliert, ist an eine wirkliche Reaktion, d. h. an eine Schmälerung
der erworbenen Freiheit nicht zu denken.



*) Wir behalten uns vor, den eigentlichen Zusammenhang dieses Waffenstillstandes, der
nicht nebenbei behandelt werden kann, künftig näher zu erörtern.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_277429/518>, abgerufen am 29.06.2024.