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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band.

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Die Veranlassung war der Waffenstillstand von Malmoe. Bekanntlich war
es in der frühern Zeit die Linke gewesen, welche mit allem Pathos eines in sei-
ner Vaterstadt verkannten Propheten gegen den Krieg überhaupt und namentlich
gegen den Soldatenstand deklamirt hatte. So wie sie in diesen Deklamationen
wesentlich keine andere Absicht hatte, als die Regierung zu skandalifiren, so griff
sie bei jenem Waffenstillstand die Nationalehre auf, um theils die Centralgewalt
in Verlegenheit zu setzen, theils aber und besonders das verhaßte Preußen wie¬
der einmal zu demüthigen. Daß diesmal ihre Freunde, die Franzosen, um de¬
rentwillen sie gern die deutschen Brüder den Polen preisgegeben hätte, Däne-


Aussicht irgend einer Hilfe vorlag, so ließ Herr v. Bethmann eiligst seine Frau und Kinder
auf Nebenwegen nach Bonames, zwei Stunden von Frankfurt, bringen. Glücklicherweise zogen
sich die Trupps ins Innere der Stadt. Während dessen waren Fürst Lichnowsky und General
v. Auerswald bis zur Höhe der Friedberger Chaussee geritten, als plötzlich ein Turner aus
dem Gebüsche sprang: "Hurrah! hier ist der Fürstenbund Lichnowsky. Auf Brüder!" In
diesem Augenblick sprangen zwölf Turner hervor mit rother Fahne, Piken und geraden Sen¬
sen, auch Stutzen bewaffnet. Beide Herren wendeten eiligst um (Lichnowsky erhielt einen
Streifschuß) und kamen so am Friedberger - Thore vorbei, um nach dem Eschenheimer-
Thore zu reiten. Nahe am Kirchhofswcge schrie es auf einmal: Lichnowsky! und es sielen
Pistolenschüsse. Beide Reiter wendeten um nach dem Friedbcrger-Thore. Daselbst angekommen,
der gleiche Ruf und Schüsse. Hierauf ritten dieselben auf Seitenwegen hinter v. Bethmann's
Garten aufwärts nach Bornheim zu und geriethen unglücklicherweise an die nämliche Stelle,
wo sie zuvor angegriffen worden waren. Derselbe Trupp schoß unverzüglich. General v. Auers-
wald siel und wahrscheinlich gleich tödtlich verwundet. Der Fürst Lichnowsky ward auch ver¬
wundet, hielt sich jedoch; die Turner verfolgten ihn und unbegreiflicher Weise sprang er vom
Pferd und lief. Er wurde eingeholt, wehrte sich verzweifelt und ein in der Nähe wohnender
Kunstgärtner Schmidt öffnete die Thür; der Fürst sprang hinein. Die Leute verrammelten so
gut sie konnten den Eingang. Die Turner, wüthend, drohten anzuzünden. Sie drangen ein;
Fürst Lichnowsky hatte im Keller Zuflucht gesunden. Nachdem sie ihn entdeckt, stachen und
schlugen sie "diesen Fürstenbund" martervoll. Der Fürst rief, sie sollten ihn zusammenschießen,
nur nicht martern. Ein Gärtnerbursche hat dies Alles durchs Kellerloch gehört und gesehen.
Der Gärtner Schmidt bat die Turner um Gotteswillen, den armen Mann zu schonen -- ver¬
geblich! Sie schleppten ihn auf die Chaussee und berathschlagten, "wie man diesen Hund aus
der Welt schaffen könne." Verschiedene Borschläge wurden verworfen; endlich, der Fürst konnte
sich immer noch aufrecht erhalten, band man ihm einen Pappdeckel auf den Rücken, worauf
geschrieben war: "Vogelfrei," und so stieß man ihn vor sich her. Bald mit der Sense gesto¬
chen, bald mit Kolben auf ihn geschlagen, stürzte der Fürst endlich zusammen und die Turner
verliefen sich. Eine Frau kam an Bethmann's Garten mit dieser Anzeige. Herr v> Bethmann
nahm seine Leute, ließ den Fürsten einstweilen in seinen Gartensalon tragen und schickte nach
Aerzten. Endlich kamen der Fürst Hohenlohe, der Abgeordnete v. Baily und mehrere andere
Herren, die das Vorgefallene erfahren hatten. Die Schmerzen nahmen zu. Ein Schuß war
von hinten durch den Leib, wahrscheinlich durchs Rückenmark gedrungen, der linke Arm gänz¬
lich zerschlagen, die linke Hand durchschossen, die rechte desgleichen; am rechten Schenkel ein
Sensenhicb, über den Kopf Hieb- und Kolbenschläge! Die Lebenskraft nahm ab. Der Fürst
ward unter Bedeckung nach dem Hospitale gebracht. Der linke Arm sollte amputier werden,
doch gab man den Verwundeten verloren. Der Fürst verlangte sein Testament zu machen'
was sogleich geschah. Mit verstümmelter Hand unterschrieb der Fürst in Gegenwart des Prin¬
zen Hohenlohe und des Herrn v. Baily. Der Fürst verschied I Uhr Nachts.'
Gttnzbotm. in. I8i8. f.--.

Die Veranlassung war der Waffenstillstand von Malmoe. Bekanntlich war
es in der frühern Zeit die Linke gewesen, welche mit allem Pathos eines in sei-
ner Vaterstadt verkannten Propheten gegen den Krieg überhaupt und namentlich
gegen den Soldatenstand deklamirt hatte. So wie sie in diesen Deklamationen
wesentlich keine andere Absicht hatte, als die Regierung zu skandalifiren, so griff
sie bei jenem Waffenstillstand die Nationalehre auf, um theils die Centralgewalt
in Verlegenheit zu setzen, theils aber und besonders das verhaßte Preußen wie¬
der einmal zu demüthigen. Daß diesmal ihre Freunde, die Franzosen, um de¬
rentwillen sie gern die deutschen Brüder den Polen preisgegeben hätte, Däne-


Aussicht irgend einer Hilfe vorlag, so ließ Herr v. Bethmann eiligst seine Frau und Kinder
auf Nebenwegen nach Bonames, zwei Stunden von Frankfurt, bringen. Glücklicherweise zogen
sich die Trupps ins Innere der Stadt. Während dessen waren Fürst Lichnowsky und General
v. Auerswald bis zur Höhe der Friedberger Chaussee geritten, als plötzlich ein Turner aus
dem Gebüsche sprang: „Hurrah! hier ist der Fürstenbund Lichnowsky. Auf Brüder!" In
diesem Augenblick sprangen zwölf Turner hervor mit rother Fahne, Piken und geraden Sen¬
sen, auch Stutzen bewaffnet. Beide Herren wendeten eiligst um (Lichnowsky erhielt einen
Streifschuß) und kamen so am Friedberger - Thore vorbei, um nach dem Eschenheimer-
Thore zu reiten. Nahe am Kirchhofswcge schrie es auf einmal: Lichnowsky! und es sielen
Pistolenschüsse. Beide Reiter wendeten um nach dem Friedbcrger-Thore. Daselbst angekommen,
der gleiche Ruf und Schüsse. Hierauf ritten dieselben auf Seitenwegen hinter v. Bethmann's
Garten aufwärts nach Bornheim zu und geriethen unglücklicherweise an die nämliche Stelle,
wo sie zuvor angegriffen worden waren. Derselbe Trupp schoß unverzüglich. General v. Auers-
wald siel und wahrscheinlich gleich tödtlich verwundet. Der Fürst Lichnowsky ward auch ver¬
wundet, hielt sich jedoch; die Turner verfolgten ihn und unbegreiflicher Weise sprang er vom
Pferd und lief. Er wurde eingeholt, wehrte sich verzweifelt und ein in der Nähe wohnender
Kunstgärtner Schmidt öffnete die Thür; der Fürst sprang hinein. Die Leute verrammelten so
gut sie konnten den Eingang. Die Turner, wüthend, drohten anzuzünden. Sie drangen ein;
Fürst Lichnowsky hatte im Keller Zuflucht gesunden. Nachdem sie ihn entdeckt, stachen und
schlugen sie „diesen Fürstenbund" martervoll. Der Fürst rief, sie sollten ihn zusammenschießen,
nur nicht martern. Ein Gärtnerbursche hat dies Alles durchs Kellerloch gehört und gesehen.
Der Gärtner Schmidt bat die Turner um Gotteswillen, den armen Mann zu schonen — ver¬
geblich! Sie schleppten ihn auf die Chaussee und berathschlagten, „wie man diesen Hund aus
der Welt schaffen könne." Verschiedene Borschläge wurden verworfen; endlich, der Fürst konnte
sich immer noch aufrecht erhalten, band man ihm einen Pappdeckel auf den Rücken, worauf
geschrieben war: „Vogelfrei," und so stieß man ihn vor sich her. Bald mit der Sense gesto¬
chen, bald mit Kolben auf ihn geschlagen, stürzte der Fürst endlich zusammen und die Turner
verliefen sich. Eine Frau kam an Bethmann's Garten mit dieser Anzeige. Herr v> Bethmann
nahm seine Leute, ließ den Fürsten einstweilen in seinen Gartensalon tragen und schickte nach
Aerzten. Endlich kamen der Fürst Hohenlohe, der Abgeordnete v. Baily und mehrere andere
Herren, die das Vorgefallene erfahren hatten. Die Schmerzen nahmen zu. Ein Schuß war
von hinten durch den Leib, wahrscheinlich durchs Rückenmark gedrungen, der linke Arm gänz¬
lich zerschlagen, die linke Hand durchschossen, die rechte desgleichen; am rechten Schenkel ein
Sensenhicb, über den Kopf Hieb- und Kolbenschläge! Die Lebenskraft nahm ab. Der Fürst
ward unter Bedeckung nach dem Hospitale gebracht. Der linke Arm sollte amputier werden,
doch gab man den Verwundeten verloren. Der Fürst verlangte sein Testament zu machen'
was sogleich geschah. Mit verstümmelter Hand unterschrieb der Fürst in Gegenwart des Prin¬
zen Hohenlohe und des Herrn v. Baily. Der Fürst verschied I Uhr Nachts.'
Gttnzbotm. in. I8i8. f.--.
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[0517] Die Veranlassung war der Waffenstillstand von Malmoe. Bekanntlich war es in der frühern Zeit die Linke gewesen, welche mit allem Pathos eines in sei- ner Vaterstadt verkannten Propheten gegen den Krieg überhaupt und namentlich gegen den Soldatenstand deklamirt hatte. So wie sie in diesen Deklamationen wesentlich keine andere Absicht hatte, als die Regierung zu skandalifiren, so griff sie bei jenem Waffenstillstand die Nationalehre auf, um theils die Centralgewalt in Verlegenheit zu setzen, theils aber und besonders das verhaßte Preußen wie¬ der einmal zu demüthigen. Daß diesmal ihre Freunde, die Franzosen, um de¬ rentwillen sie gern die deutschen Brüder den Polen preisgegeben hätte, Däne- Aussicht irgend einer Hilfe vorlag, so ließ Herr v. Bethmann eiligst seine Frau und Kinder auf Nebenwegen nach Bonames, zwei Stunden von Frankfurt, bringen. Glücklicherweise zogen sich die Trupps ins Innere der Stadt. Während dessen waren Fürst Lichnowsky und General v. Auerswald bis zur Höhe der Friedberger Chaussee geritten, als plötzlich ein Turner aus dem Gebüsche sprang: „Hurrah! hier ist der Fürstenbund Lichnowsky. Auf Brüder!" In diesem Augenblick sprangen zwölf Turner hervor mit rother Fahne, Piken und geraden Sen¬ sen, auch Stutzen bewaffnet. Beide Herren wendeten eiligst um (Lichnowsky erhielt einen Streifschuß) und kamen so am Friedberger - Thore vorbei, um nach dem Eschenheimer- Thore zu reiten. Nahe am Kirchhofswcge schrie es auf einmal: Lichnowsky! und es sielen Pistolenschüsse. Beide Reiter wendeten um nach dem Friedbcrger-Thore. Daselbst angekommen, der gleiche Ruf und Schüsse. Hierauf ritten dieselben auf Seitenwegen hinter v. Bethmann's Garten aufwärts nach Bornheim zu und geriethen unglücklicherweise an die nämliche Stelle, wo sie zuvor angegriffen worden waren. Derselbe Trupp schoß unverzüglich. General v. Auers- wald siel und wahrscheinlich gleich tödtlich verwundet. Der Fürst Lichnowsky ward auch ver¬ wundet, hielt sich jedoch; die Turner verfolgten ihn und unbegreiflicher Weise sprang er vom Pferd und lief. Er wurde eingeholt, wehrte sich verzweifelt und ein in der Nähe wohnender Kunstgärtner Schmidt öffnete die Thür; der Fürst sprang hinein. Die Leute verrammelten so gut sie konnten den Eingang. Die Turner, wüthend, drohten anzuzünden. Sie drangen ein; Fürst Lichnowsky hatte im Keller Zuflucht gesunden. Nachdem sie ihn entdeckt, stachen und schlugen sie „diesen Fürstenbund" martervoll. Der Fürst rief, sie sollten ihn zusammenschießen, nur nicht martern. Ein Gärtnerbursche hat dies Alles durchs Kellerloch gehört und gesehen. Der Gärtner Schmidt bat die Turner um Gotteswillen, den armen Mann zu schonen — ver¬ geblich! Sie schleppten ihn auf die Chaussee und berathschlagten, „wie man diesen Hund aus der Welt schaffen könne." Verschiedene Borschläge wurden verworfen; endlich, der Fürst konnte sich immer noch aufrecht erhalten, band man ihm einen Pappdeckel auf den Rücken, worauf geschrieben war: „Vogelfrei," und so stieß man ihn vor sich her. Bald mit der Sense gesto¬ chen, bald mit Kolben auf ihn geschlagen, stürzte der Fürst endlich zusammen und die Turner verliefen sich. Eine Frau kam an Bethmann's Garten mit dieser Anzeige. Herr v> Bethmann nahm seine Leute, ließ den Fürsten einstweilen in seinen Gartensalon tragen und schickte nach Aerzten. Endlich kamen der Fürst Hohenlohe, der Abgeordnete v. Baily und mehrere andere Herren, die das Vorgefallene erfahren hatten. Die Schmerzen nahmen zu. Ein Schuß war von hinten durch den Leib, wahrscheinlich durchs Rückenmark gedrungen, der linke Arm gänz¬ lich zerschlagen, die linke Hand durchschossen, die rechte desgleichen; am rechten Schenkel ein Sensenhicb, über den Kopf Hieb- und Kolbenschläge! Die Lebenskraft nahm ab. Der Fürst ward unter Bedeckung nach dem Hospitale gebracht. Der linke Arm sollte amputier werden, doch gab man den Verwundeten verloren. Der Fürst verlangte sein Testament zu machen' was sogleich geschah. Mit verstümmelter Hand unterschrieb der Fürst in Gegenwart des Prin¬ zen Hohenlohe und des Herrn v. Baily. Der Fürst verschied I Uhr Nachts.' Gttnzbotm. in. I8i8. f.--.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_277429/517>, abgerufen am 29.06.2024.